— 345 — Zu dieſen Zahlen ſind im einzelnen folgende Punkte anzuführen, welche allgemeines Intereſſe beanſpruchen: Infektionskrankheiten. 1. Typhuserkrankungen kamen in der Zahl von 28 zur Behandlung, was dem mittleren Durchſchnitt der vorangegangenen Jahre entſpricht. Seit längerer Zeit wird bei der Behandlung dieſer Kranken einerſeits eine milde Bäderbehandlung angewandt, d. b. die Temperaturen der Bäder werden anfänglich nicht ſo niedrig bemeſſen, wie das früher Gebrauch war, vielmehr durch Zulaſſung kalten Waſſers während des Badens für nötige Abkühlung geſorgt. Andererſeits wird ein Hauptgewicht auf reichliche Zufuhr von Flüſſigkeit (Waſſerkakao, Haferſchleim, Limonaden) gelegt, ſodaß auf der Höhe des Fiebers Urinmengen von 3—4 Liter pro Tag ausgeſchieden werden. Es hat ſich geradezu als ein Geſetz erwieſen, daß der Typhus um ſo günſtiger verläuft, eine je ſtärkere Durchſchwemmung des Körpers erzielt wird, ein Vorgang, welcher unzweifelhaft auf die verſtärkte Ausſcheidung der Giftſtoffe dieſer Krankheit zurückzuführen iſt. Die Sterblichkeit läßt ſich nicht nach den kleinen Zahlen eines einzelnen Jahres beurteilen, ſie beträgt bei der erwähnten Behandlung für die letzten 3 Jahre zuſammen nur 4 Prozent, was bei Vergleichung mit andern Statiſtiken großer Krankenhäuſer als ſehr günſtig zu bezeichnen iſt. (Näheres hierüber enthält eine unter meiner Leitung gearbeitete Doktor⸗Diſſertation von Felix Hoeſch, Berlin 1904.) 2. Scharlachkranke kamen in der Zahl von 128 zur Behandlung. Hiervon ſtarben 13, mithin 10%. (Im Jahre 1902 ſtarben von 134 Scharlachkranken 16 %.) Die ſehr günſige Sterblichkeitsziffer des Berichtsjahres iſt nicht etwa durch die Gutartigkeit der Erkrankungen zu erklären, im Gegenteil handelte es ſich bei der großen Mehrzahl um ſehr ſchwere Erkrankungen mit ſeptiſchen Komplikationen, Ohr⸗ und Drüſeneiterungen uſw. Der Hauptgrund liegt vielmehr in einer konſequent durchgeführten Prophylaxe gegen die häufigſte und am meiſten zu fürchtende Komplikation, die Nierenentzün dung. Dieſe Prophylare wurde mit kleinen Doſen von Urotropin ſyſtematiſch in ähnlicher Weiſe ausgeführt, wie dies von Widowitz zuerſt beſchrieben worden iſt. Der Erfolg war, daß nur bei 3,„8% leichte und bald vorübergehende Krankheitserſcheinungen von ſeiten der Nieren auftraten, eine Urämie überhaupt nicht zur Beobachtung kam. (Die näheren Daten hierüber ſind von Aſſiſtenzarzt Dr. Patſchkowski in den „Therapeutiſchen Monatsheften“ 1904 Nr. 12 beſchrieben worden.) 3. Eine Pockenerkrankung iſt beſonders wegen der Anfangserſcheinungen bemerkenswert. Am 20. Oktober 1904 abends wurde eine aus Warſchau zugereiſte, 32 jährige, ruſſiſche Zahnärztin K. hochfiebernd in das Krankenhaus eingeliefert und, da ſich bald nach ihrer Aufnahme ein maſernartiger Ausſchlag zeigte, der Iſolierabteilung überwieſen. Das Exanthem, das ſich ſchnell über die ganze Körperhaut verbreitet hatte, verſchwand bereits nach ca. 36 Stunden unter Abfall der Temperatur zur Norm vollſtändig. Am 23. Oktober traten im Geſicht und an der behaarten Kopfhaut kleine rote Papeln auf, die ſich in den folgenden Tagen über den ganzen Körper ausbreiteten und im weiteren Verlauf zu typiſchen Pocken⸗ pufteln entwickelten, z. T. auch ſpäter einen haemorrhagiſchen Charakter annahmen. Sobald der Verdacht auf Pockenerkrankung gegeben war, (23. Oktober) wurde die Patientin in einem beſonderen Pavillon untergebracht und dort zuſammen mit dem zur Behandlung und Wartung nötigen Perſonal: 1 Arzt, 1 Schweſter und 1 Wärterin, in ſtrengſter Iſolierung gehalten dis zur Entlaſſung, die am 17. November 1904 nach unkompliziertem und leichtem Verlauf der Erkrankung erfolgen konnte. Um einer weiteren Ausbreitung der Krankheit vorzubeugen, wurden die Aerzte des Krankenhauſes und mehrere Schweſtern, ſowie Wärterinnen und Hausdiener, die irgendwie direkt oder indirekt mit der Kranken in Berührung gekommen ſein konnten, geimpft. Ferner wurde eine Quarantäne⸗Station eingerichtet zur Beobachtung etwaiger weiterer verdächtiger Erkrankungen. Dieſer Beobachtungsſtation wurde nur eine ruſſiſche Studentin überwieſen, die nach Ablauf von 14 Tagen wieder entlaſſen werden konnte, da keinerlei Krankheits⸗ erſcheinungen aufgetreten waren. Die Diagnoſe dieſer Erkrankung als echter Pocken wurde durch die Beobachtung des maſernartigen Vorläuferſtadiums, welches von den beſten Kennern der Pocken als beſonders charakteriſtiſch angeſehen wird, erleichtert. Die Behandlung beſtand vorzugsweiſe in allgemeinen und äußerlichen Beruhigungs⸗ mitteln, da die Kranke ſehr erregt war. Die Fenſter wurden mit rotem Papier beklebt, ſodaß die Kranke nur in rotem Lichte unter Abhaltung der chemiſch wirkſamen Strahlen gehalten wurde. Der Erfolg gegenüber den Pockenpuſtein war ein ſehr günſtiger, da keine Narben auf der Haut zurückblieben. Die getroffenen Abſperrungsmaßregeln bewährten ſich durchaus; eine Anſteckung anderer Perſonen kam nicht zur Beobachtung. Die Alkohol⸗Vergiftung. Von allgemeinem Intereſſe dürften hierbei folgende Bemerkungen ſein: Der Alkoholismus iſt ohne Zweifel die wichtigſte, weil alltäglich vorkommende Vergiftung. Seit längerer Zeit werden auf unſern inneren Abteilungen Notizen bei denjenigen