2— 9 — dnonr uns liegenden Zeitabſchnitt auszeichnet, und eingedenk des Goethe⸗ ſchen Wortes: Was du ererbt von deinen Vätern haſt, erwirb es, um es zu beſitzen. Ihnen gebührt unſer aufrichtiger Dank ſowie den Herren der Bau⸗ Deputation, die mit dem unermüdlichen Pflichteifer, der die in der Selbſtverwal⸗ tung ſtehenden deutſchen Männer als ein beſonderer Ruhmestitel auszeichnet, un⸗ verdroſſen Jahr aus Jahr ein mit Rat und Tat an der Vollendung des Baues mitgearbeitet haben. Das Weſentliche aber des Baues, die Gedankenarbeit, die ſeine zweck⸗ mäßige räumliche Geſtaltung erſonnen und die Formen erfunden hat, in denen er ſich ſtolz und ſtark erhebt, wir verdanken es den Architekten, den Herren Reinhardt und Süßenguth. Sie, geehrter Herr Baurat, haben ſich einer Kritik über das Bauwerk abſichtlich enthalten. Und es iſt richtig, daß die eigentliche abſchließende Kritik über unſeren Ban von den in erſter Reihe dazu berufenen auswärts ſtehenden Architekten und Künſtlern erfolgen wird, wenn das Rathaus der öffentlichen Beſichtigung freigegeben ſein wird. Aber mir, der ich 6 Jahre hindurch mit dem lebhafteſten Intereſſe und mit immer ſich ſteigernder Freude den Bau von Stein zu Stein habe wachſen ſehen, ſo daß, ich möchte ſagen, ein Stück meiner Seele in die Steine dieſes Hauſes mit eingemauert iſt, der ich als Chef der ſtädtiſchen Verwaltung am heutigen Tage dieſe ragenden Räume über⸗ nehme, um mit meinen Herren Kollegen und den anderen zahlreichen Mitarbeitern in der Verwaltung die Arbeit zu leiten die die Zukunft von uns verlangt, mir bitte ich zu geſtatten, meine Laienkritik ſchon heute in einigen Strichen an dem Bauwerk zu üben. Es iſt ſchon kurz die Zweckmäßigkeit des klaren überſichtlichen Grundriſſes angedeutet. Er iſt in der Tat ein hervorragender Vorzug dieſes Hauſes, um ſo mehr, als das Baugrundſtück wie ein ſchmales Handtuch mit nur 60 Meter Front bei 125 Meter Tiefe der zweckmäßigen Bebauung Schwierigkeiten entgegenſtellte. Trotzdem flutet Licht und Luft und Sonne durch alle Räume des Hauſes. Nirgends iſt ein dunkler Winkel. Trotzdem iſt die Zugänglichkeit zu allen Räumen durch zweckentſprechende Anordnung der Treppenanlagen aufs trefflichſte gewahrt. Neben dieſem praktiſchen Hauptwerte der Grundrißgeſtaltung ſcheint mir aber der hohe künſtleriſche Wert dieſes Baues darin zu liegen, daß die Formen, in denen ſich der Bau erhebt, völlig frei und neu erfunden ſind, und in ihrer durch alle Bauteile durchgeführten Einheitlichkeit harmoniſch wirken. Es iſt keiner der vor⸗ handenen Stile abgeſchrieben. Aus allen Formen tritt uns die Perſönlichkeit des Künſtlers entgegen, die eigenartiges geſchaffen hat. Das Charakteriſtiſche dieſer Formen ſcheint mir zu ſein: Ernſt und Kraft. Paſſend für unſer Rat⸗ haus, in dem in ernſter harter Arbeit unter Ringen und Kämpfen nur mit männlicher Kraft und Stärke jene ſchwierigen Aufgaben zu löſen ſind, die die Zeit uns ſtellt. Paſſend zu jenen beiden Sprüchen, die über dem Eingang zum Rathauſe ſtehen und bekunden: Das Leben ein Kampf Unabläſſige Arbeit überwindet alles. So entſprechen die Formen des Baues dem Gedanken der ſtarken und kräftigen modernen Zeit, die auf der Grundlage des geeinten Deutſchen Reiches und ſeiner inneren Kraft erwachſen iſt und nun mächtig vorwärts drängt. Die Kunſt, insbeſondere die Baukunft, ringt nach einem neuen, dieſer heutigen Zeit angepaßten Ausdruck der Formen. Es will mir ſcheinen, daß in dieſer Richtung 4 , ein Verſuch gemacht iſt, der wohl als gelungen bezeichnet werden darf. Und was die Künſtler erſonnen haben, das iſt mit entgegenkommendem is von den Leitern des Baues, von allen Mitarbeitern an ihm glücklich zur Ausführung gebracht. Ich danke den Herren Bauinſpektor Walter, Regierungs⸗ baumeiſter Kiel, welchen letzteren wir heute als jetzigen Stadtbaurat unſerer Nachbarſtadt Rixdorf unter uns begrüßen, und Herrn Regierungsbaumeiſter Kurtze, mit ihren Technikern für die umſichtige und ſorgſame Leitung des Baues. Ich danke allen Handwerksmeiſtern, Polieren, Geſellen und Arbeitern, allen Fabrikanten und Lieferanten. Unter allen beſtand ein rühmlicher Wettbewerb, das Beſte zu leiſten und zu liefern. Der Erfolg iſt dem entſprechend; wir haben in unſerem neuen Rathauſe dadurch auf vielen Gebieten des Kunſtgewerbes äußerſt rühmenswerte Leiſtungen aufzuweiſen, auf welche das norddeutſche Kunſt⸗ gewerbe mit Recht ſtolz ſein kann. 8 So mein freudig bekanntes Laienurteil über dieſen Bau. Und wie auch die endgültige, maßgebende Kritik ſchließlich urteilen wird — das eine ſteht feſt: Wir, das heißt die ſtädtiſche Verwaltung, wir fühlen uns durchaus wohl in den ſchönen, geſunden, von Licht und Luft durchſtrömten Räumen dieſes Hauſes, wir wiſſen Ihnen, meine Herren Reinhardt und Süßenguth, großen Dank für dar, und —