habe mit Betrübnis wahrgenommen, daß vielfach in unſeren die oberen Zehntauſend, auch die oberen Beamten, aktive und nichtaktive, von der Betätigung in dem Gemeinweſen fernhalten (Sehr richtig!), weil vielfach eine politiſche Richtung ihren Einzug in die Stadtvertretungen gehalten hat, die ihnen nicht erwünſcht iſt. Denn auch dabei ſtimme ich dem Herrn Stadtverordneten⸗ Vorſteher bei: was geht die Politik die Gemeinde an? Die Gemeinde hat ihre Aufgaben zu erfüllen, aber nicht Politik zu treiben. Aber daraus dürfen die oberen Zehntauſend nun nicht die Folgerung ziehen, grollend bei Seite zu ſtehen, ſondern die Folgerung, nun erſt recht ſich in den Dienſt der Gemeinde zu ſtellen. Der Kampf, ſagt der griechiſche Philoſoph, iſt der Vater aller Dinge, und wer den Kampf ſcheut auch gegen ſolche unerwünſchte politiſche Richtungen, der ver⸗ kennt die Aufgaben, welche ihm in der Gemeinde geſtellt ſind. Meine Herren, ſo ſehr ich aus der Entfernung — ſo ſehr weit iſt die Ferne ja nicht — habe verfolgen können, iſt gerade nach dieſer Richtung hin in Charlottenburg eine außerordentlich erfreuliche Erſcheinung bemerkbar. Das, was ich eben tadelnd bemerkte, was ich in vielen Kommunen wahrnehme, das hat ſich gerade in Charlottenburg nicht bemerkbar gemacht. Gerade in Charlottenburg mit ſeinem aufſtrebenden Gemeinweſen habe ich geſehen, daß in der Stadtverordneten⸗Ver⸗ ſammlung Männer der allerverſchiedenſten ſozialen Stellung und Schichtung und der allerverſchiedenſten politiſchen Richtung der Stadt dienen. Wenn ich nun dazu meinen herzlichſten Glückwunſch ausſpreche und der Hoffnung Ausdruck gebe, daß dieſer Grundzug Ihrer ſtädtiſchen Vertretung ſich noch immer ſtärker aus prägen möge, immer noch mehr Sonderintereſſen zurückgedrängt werden und die Bürger der Stadt in dem Streben ſich vereinigen mögen, allein dem Gemein⸗ wohl zu dienen und alle Nebenrückſichten bei Seite zu ſtellen, ſo, meine Herren, gibt dieſer hiſtoriſche Rückblick, dieſer Rückblick auf den patriotiſchen Geiſt, der hier gelebt hat, der Rückblick auf die gemeinnützige Tätigkeit, die in immer ſteigendem Maße hier entfaltet iſt, uns, glaube ich, Anlaß zu der be⸗ gründeten Hoffnung, daß Charlottenburg weiter ſteigen wird, wie es bisher ge⸗ ſtiegen iſt, daß der Geiſt wahrer Königstreue, ungeſchminkter Vaterlandsliebe und echten Bürgerſinnes allezeit Stolz und Zier dieſes Gemeinweſens bilden werde. Charlottenburg, es lebe hoch! — hoch! — hoch!“ Hierauf ergriff der Bürgermeiſter Matting das Wort zur Feſtrede: „Der Chroniſt unſerer Stadt berichtet nur von einem Feſt, welches Bezug nimmt auf die Gründung der Stadt, indem er uns erzählt, wie am 10. Mai 1706 nach Ablauf des erſten Jahres ſtädtiſcher Verwaltung unter der Ehrenbürgermeiſterſchaft Seiner Majeſtät des Königs Friedrich I. die Neuwahl des Magiſtrats ſtattfand, woran ſich ein ſolennes Feſtmahl unter dem Vorſitz des Königs knüpfte, bei welchem „wacker gezecht und geſchmauſt wurde“. Nachdem die Herrſchaft des „königlichen“ Magiſtrats ihr Ende erreicht hatte, ſcheint es recht ſtill geworden zu ſein mit ſtädtiſchen Feſten. Nicht einmal über die Wiederkehr des 100 oder 150 jährigen Stiftungstages weiß der Chroniſt etwas zu berichten. Keine Feſtlichkeit dieſer Art ſcheinen die Jahre 1805 und 1855 gebracht zu haben, 21 denn eine wirtſchaftliche oder ſoziale Tat, beſtimmt, den vorübergehenden Eindruck einer flüchtigen Feſtesfreude zu überdauern. Man ſollte wenigſtens vermuten, daß dies Momente geweſen ſeien zu einem Rückblick auf die abgelaufene Periode, zur Erörterung ihrer Ziele, Arbeiten und Erfolge. Nichts von alledem! Der Chroniſt wird Recht behalten mit ſeiner Betrachtung, daß es hinfichtlich des Intereſſes für die Geſchichte ihrer Vorfahren den Stadten ſo ergehe wie den Privaten: erſt bei einem gewiſſen Wohlſtande pflegt der Sinn für ihre Ver⸗ 47.4 zu erwachen. Wenn wir nun aber auf das Jahr 1805 zurückblicken, o ſehen wir die Not der Zeit, welche damals auf dem deutſchen Vaterlande laſtete, in potenzierter Weiſe in dem kleinen ca. 3000 Einwohner zählenden Charlottenburg zum Ausdruck gelangen. Zwar war jene Periode inſofern eine der glücklichſten, als die Stadt ſeit dem Regierungsantritt des Königs Friedrich Wilhelms III. und ſeiner erlauchten Gemahlin, der Königin Luiſe, die große Ehre und Freude genoß, das hohe Paar alljährlich für längere Zeit in ihren Mauern zu beherbergen und manchen Aktes landesväterlicher Huld teilhaftig wurde, welche man ſo lange entbehrt hatte. Aber von irgend einer ſelbſtändigen Lebensbetätigung der Stadt war keine Rede und deshalb empfand man die Zeiten des ſchweren Druckes, der über das königliche Baar gekommen war, auch in wirtſchaftlicher Beziehung beſonders ſchwer. Nicht viel beſſer war es im Jahre 1855. Zwar auch König Friedrich Wilhelm IV. reſidierte mit ſeiner Königlichen Gemahlin alljährlich regelmäßig für einige Zeit in Charlottenburg. Aber die böſen Nachwehen des Jahres 1848 waren noch nicht überwunden. Die Reaktionsbewegung der folgenden Jahre brachte die unvermeidliche Stagnation auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens mit ſich und gerade für die damals nach einigen Anſätzen kräftiger Entwickelung ca. 9000 Einwohner zählende Stadt Charlottenburg waren jene Jahre ſolche voll⸗ ſtändigen wirtſchaftlichen Stillſtandes.