— 41 — Es kann nicht meine Aufgabe ſein, heute dem morgigen Feſtredner durch Aufzählung von beſonders charakteriſtiſchen Momenten vorzugreifen. . eſchieht es wahrlich nicht, um auf jene Vergangenheit herabzublicken, wenn ich 90 Auf⸗ merkſamkeit für einige Augenblicke dorthin gelenkt habe. Denn nichts wäre un⸗ gerechtfertigter als das. Geradezu glänzend hat ſich vielmehr, wie uns der Chroniſt an zahlreichen Beiſpielen ſchildert, die im Anfang des Jahrhunderts den preußiſchen Städten beſcheerte Selbſtverwaltung auch unter den ſchwierigſten Ver⸗ hältniſſen in Charlottenburg bewährt. Wir ſind ſtolz darauf, daß wir noch heute Kinder jener Zeit, durchtränkt von dem Geiſte raſtloſer Arbeit und hingebenden Gemeinſinns, unter uns zählen und wollen nur wünſchen, daß wir dieſes Geiſtes in der herangebrochenen Periode des Wohlſtandes nicht verluſtig gehen. Freuen wollen wir uns aber trotzdem, daß jener Zeiten bittere Not glücklich überwunden iſt und daß wir das heutige Feſt in dieſer Empfindung als das erſte wirkliche Jubelfeſt unſerer Stadt mit einem gewiſſen Prunk mit Fug und Recht feiern dürfen. Es iſt eine eigentümliche, aber charakteriſtiſche Beobachtung, daß die Stadt Charlottenburg, wie ſe die Zeiten der Not des Vaterlandes mit einer unver⸗ hältnismäßigen Schwere empfand, ſo auch umgekehrt von der ſeit ca. 40 Jahren eingeſetzten Epoche des Aufblühens des preußiſchen Staates, insbeſondere ſeit Errichtung des Deutſchen Reiches eine Förderung erfuhr, wie wohl keine zweite Stadt in der Monarchie und im Reiche, ſelbſt nicht die zu einer glänzenden Entwickelung gelangte Reichshauptſtadt Berlin. Gewiß wäre es eine falſche Beſcheidenheit, es ſtillſchweigend zu übergehen, welche gewaltige Arbeit in der Entſchließung, Vorbereitung und Ausführung es gekoſtet hat, den Strom des Segens, der von dieſer Entwickelung zu uns heruntergeſtrömt iſt, in das richtige Bett zu bringen, ja auch wohl erſt ihm ein Bett auf Charlottenburger Boden zu graben, ihn ſorgfältig einzudämmen und an ungeſundem Ausbrechen zu verhindern: indem wir dies Anerkenntnis für unſere Stadt, ihre Bürgerſchaft und deren Vertretungen in Anſpruch nehmen, überkommt uns aber vorweg das Gefühl innigen Dankes gegen diejenigen Kräfte, denen wir den Segen dieſer Arbeit verdanken. Einen Tribut dieſes Dankes, den wir Charlottenburger ganz beſonders unſerem erhabenen Herrſcherhauſe, den Hohenzollern, ſchulden, haben wir abzu⸗ tragen verſucht in dem heute vormittag enthüllten Denkmal des hochſeligen Kaiſers Friedrich III1. Wie es darſtellt das äußere Sinnbild der Treue, die wir als deutſche Staatsbürger dem Kaiſer⸗ und Königshauſe gegenüber empfinden und unverbrüchlich halten wollen, der Treue, deren Gelöbnis wir beim Eintritt in das heutige Feſt auch dem gegenwärtigen Träger der Krone gegenüber freudig wieder⸗ holt 11 n ſo legt es für unſere Charlottenburger Herzen auf ewige Zeiten die Gefühle innigen und verehrungsvollen Gedenkens an jene ſchmerzlich ſchönen Tage feſt, in denen das erlauchte Kaiſerpaar Friedrich III. und Victoria, leider für nur kurze Zeit, in unſerer Stadt ihr Heim aufgeſchlagen hatten. Trotz der Kürze iſt reicher Segen auch von dieſer Zeit ausgeſtrömt und noch heute in uns lebendig. Wie aber der große Kaiſer Wilhelm 1., der Schöpfer des Deutſchen Reiches und der Urheber und Grundleger ſeiner machtvollen Entwickelung, wie in gleicher Weiſe ſein kraftvoller Enkel ſich jederzeit nur als Werkzeug und Voll⸗ ſtrecker des göttlichen Willens betrachtet haben, ſo wollen auch wir gern und willig die göttliche Fügung preiſen, weiche die Geſchicke des deutſchen Vaterlandes gelenkt und aus ſchweren Prüfungen zu herrlichen Tagen geführt hat⸗ „Mit Gott für König und Vaterland“ iſt noch immer der preußiſche Wahlſpruch. „Mit Gott für König und Vaterland“, das gilt für einen jeden von uns, jeden an ſeiner Stelle, nicht zuletzt für die Städte und ihre Verwaltungen. Mit dieſem Wahlſpruch wollen auch wir Charlottenburger in das dritte Jahrhundert unſerer ſtädtiſchen Verfaſſung eintreten. Mit freudiger Genugtuung darf ich es ſagen, daß die ſtädtiſche Ver⸗ waltung und die Buͤrgerſchaft von Charlottenburg ſich ihrer Pflicht im Dienſte des Vaterlandes bisher vollauf bewußt gezeigt haben. Die Förderung der all⸗ gemeinen Volkswohlfahrt, insbeſondere die Fürſorge für die ſchwächeren Klaſſen der Bevölkerung und die Schärfung des Volksgewiſſens, den ſozialen Bedürfniſſen gegenüber, freigebige Fürſorge für die Erziehung der Jugend zu tüchtigen deutſchen Bürgern, das ſind von dem Augenblicke an, wo die Sorgen um die gewöhnlichen Eriſtenzbedingungen von der Verwaltung wichen, je länger je mehr ihre vor⸗ nehmſten Beſtrebungen geweſen. —— Vieles Alte iſt in der raſtloſen Entwickelung der vergangenen Jahrzehnte über den Haufen geworfen worden: auch das alte Rathaus hat dem prächtigen und mächtigen Neubau Platz machen müſſen, in deſſen Feſtſälen wir uns heute zum erſten Male vor der Offentlichkeit verſammeln, um die Entwickelung der vergangenen zwei Jahrhunderte in würdiger Weiſe zum Abſchluß zu bringen.