einrichten müſſen, ſchon einen ganz anderen Namen verdienen, vielleicht den Namen „Geſchwiſter“. Es iſt vorhin der Ausdruck gebraucht: Berlin ſei eine mütterliche Freundin; von einflußreicher Seite iſt mir zugeflüſtert worden, der Ausdruck müßte eigentlich noch weiter gefaßt werden: Berlin ſei die Mutter. Aber, meine Herren, das eine wie das andere möchte ich für meine Perſon gern ablehnen. Denn ich habe die Empfindung: „Mutter“ und „mütterliche Freundin“, das hat ſo etwas wie Altenteil an ſich, und auf dem möchte Berlin doch nicht gern ſitzen. (Heiterkeit.) Ich habe die Empfindung: wir ſind von denſelben Eltern: Berlin iſt der große Bruder, Charlottenburg die jüngere Schweſter. Meine Herren, es heißt: es iſt fein und lieblich, wenn Geſchwiſter ein⸗ trächtig miteinander hauſen. Aber wir alle haben ſchon in einem modernen Roman mheeug geleſen: ach was, Geſchwiſter ſind ja nur dazu da, um ſich zu zanken! (Heiterkeit und Sehr richtig!) Zuerſt machen wir dagegen Oppoſition; wenn wir aber verſtändiger werden, dann ſagen wir uns: das muß ſo ſein aus einem Naturgeſetz Dieſe fortwährende Schulterberührung, dieſer täglich erneute Kampf um den Platz an der Sonne, dieſes aufgezwungene Werben um jede Gunſt des Augenblicks, — es wäre ja unnatürlich, wenn es nicht tauſendfach zu Zwiſtig⸗ keiten, zu Reibungen, zu Kämpfen um Mein und Dein führte. Denn nur ein (geeten), Geſchlecht kann auf ſolchen Segen des Unfriedens verzichten. eiterkeit. Nun glaube ich, wenn wir Berliner vielleicht kleine Sträuße auszufechten gehabt haben mit unſerer frommen Schweſter Charlottenburg (Heiterkeit), und wenn es herabgegangen iſt bis zu jenem kleinen Schadenfeuerchen, das ganz vorſchriftswidrig und ganz gegen alles Aktenherkommen über die Weichbildgrenzen hinüberleckte, und bis zu jenem ſehr niedlichen Ehrenjungfräulein, das neulich mit tränenden Augen davonziehen mußte, weil ihm das ſchreckliche Unglück wider⸗ fahren war, drei Meter zu weit nach Weſten geboren zu ſein (große Heiterkeit), nun, ſo glaube ich, es iſt beiden ſehr gut bekommen — ich meine: den Städten — (Heiterkeit), und wir brauchten uns eigentlich um einen erſchlaffenden Frieden gar nicht zu bemühen, ſondern ſollten lieber getroſt mit Leſſing beten: Herr Gott, erhalte uns den fröhlichen Streit miteinander! (Heiterkeit.) Aber doch mit einer Einſchränkung! Wie ſagte ich vorhin mit Tell? „Wenn es dem böſen Nachbar nicht gefällt!“ Und das iſt das, was ich vorhin als Vorwurf, als Mahnung bezeichnete. Möchte es keinem von dieſem ſo eng verbundenen Geſchwiſterpaar jemals gefallen, dem andern den Frieden zu ſtören. Daß Berlin oder die Schweſter es weislich vermieden haben, dieſer Gefahr anheim zu fallen, darin liegt wohl, ſcheint mir, das Geheimnis, daß wir uns beide gegenſeitig einer ſo guten Nachbarſchaft rühmen dürfen. Aber, meine Herren, laſſen Sie mich noch etwas weiteres ſagen, auch heute, auch an dieſer Stelle! Wie nach meiner Empfindung ſelbſt der ſtolzeſte Preuße noch ſtolzer darauf ſein ſollte, ein guter Deutſcher zu ſein, wie wir ſeit einem Menſchenalter immer von neuem erlebt haben, daß der Deutſche erſt etwas gilt im Auslande, daß der deutſche Name erſt voll geachtet wird in der Welt, ſeit wir das deutſche Volk ſind, ſo, dächte ich, müßte auch der kleine Charlottenburger noch ein klein wenig Stolz nebenbei haben, ein großer Berliner zu ſein! (Bravo und Heiterkeit.) Glauben Sie nicht, meine Herren, daß ich da für irgend einen Traum von allein ſeligmachenden Plänen der Eingemeindungen Sie gewinnen will1! Daran iſt kein Gedanke. Aber das Gemeinſame, das uns in Berlin mit denjenigen Vororten verbindet, die mit uns zuſammen ſchon „Groß⸗Berlin“ getauft ſind, iſt doch zuviel geworden und iſt auch ſo ſtark angeſchwollen, das es in irgend einer Form ſich einmal ausdrücken muß. (Sehr gut!) Wir teilen ja nicht bloß denſelben Boden und denſelben Himmel, wir teilen dieſelben ſozialen Leiden, dieſelben kulturellen und wirtſchaftlichen Bedürfniſſe, und wir teilen vor allen Dingen dieſelben Verkehrsverhältniſſe und Verkehrsbedürfniſſe in einer Weiſe, daß, glaube ich, wenigſtens die Hälfte unſerer Mitbürger nicht mehr weiß, wo uns die Grenzen gezogen ſind. (Sehr richtig!) Welche Formen im ſtande und erſprießlich ſein werden, den Ausdruck einer ſolchen Gemeinſamkeit zu bilden, darüber habe ich ſelbſt heute kein Urteil zu fällen. Daß die heutigen Formen nicht dazu ausreichen, iſt uns allen wohl klar, und ob wir alle es noch erleben, daß dieſe Dinge irgend einen Ausdruck finden, das weiß ich nicht. Aber, meine Herren, das Wort iſt noch wahr geweſen allezeit: der Gedanke eilt voraus, und der Gedanke „Groß⸗Berlin“, ſo ſcheint mir, iſt nicht mehr wegzuleugnen aus unſeren Herzen. (Sehr richtig) So wird er ſich, glaube ich, auch irgend eines Tages in irgend einer Form zur Tat umſetzen. Und dann ſcheint mir die Zeit gekommen zu ſein, wo wir von den anderen Mitbürgern in Land und Reich in einer anderen Weiſe, als es bisher der Fall iſt, ſtolz genannt werden, wie bei einem anderen Kulturvolk, das uns darin vorangegangen iſt, eine ganze und echte Hauptſtadt. (Lebhafter Beifall) Bis dahin, ſcheint mir, müßte gute und getreue Nachbarſchaft unſere Loſung ſein, und mit dieſem Verſprechen heißt durch meinen Mund der große