— 279 — gemacht und aufgefordert worden, zu ihrer Kenntnis gelangte Fälle von Tuberkuloſe der Fürſorgeſtelle zuzuweiſen. Schließlich ſind auch die praktiſchen Arzte der Stadt von dem Beſtehen und dem Zweck der Fürſorgeſtelle durch einen im Charlottenburger Arzte⸗Verein gehaltenen Vortrag unterrichtet worden, und es ſind ihnen gedruckte Karten zur Überweiſung von Lungenkranken an die Fürſorgeſtelle zugeſtellt worden Es ſei hier bemerkt, daß die Fürſorgeſtelle lediglich eine Unterſuchungsſtelle bezw. Beratungeſtelle iſt, eine ärztliche Behandlung geſchieht nicht. 8 Wenn eine tuberkulöſe Familie bekannt geworden iſt, ſo beginnt die Fürſorge⸗ tätigkeit damit, daß die Fürſorgeſtelle ſich über die äußeren Verhältniſſe der Familie und über den Geſundheitszuſtand der einzelnen Familienmitglieder informiert. Erſt dann wird beſtimmt, ob und in welcher Weiſe eingegriffen werden ſoll. ja 48. durch die Fürſorgeſtelle gewährten Hilfeleiſtungen ſind außerordentlich mannig⸗ altiger Art. Jede neu in die Fürſorge aufgenommene Familie erhält ein von der Fürſorgeſtelle herausgegebenes Merkblatt. Dieſes ſoll über das Weſen der Tuberkuloſe und die Art ihrer Verbreitung, über die erſten Krankheitserſcheinungen und über die von dem einzelnen gegen ſie zu treffenden Schutzmaßregeln belehren, und über die zu ihrer Bekämpfung getroffenen Einrichtungen kurz unterrichten. Die Schweſter hat ſich dann bei ihren Beſuchen davon u überzeugen, daß die in dieſer Anleitung gegebenen Regeln befolgt werden. Sie hat auch ſnſt die Familien in jeder Beziehung hygieniſch zu belehren und zu beraten, auf vorhandene Mißſtände hinzuweiſen und nach Möglichkeit für ihre Abſtellung zu ſorgen und die Familien allmählich zu einem hygieniſchen Leben zu erziehen Auf dieſe Beſuche durch die Schweſtern wird ein beſonderes Gewicht gelegt. Die Tuberkulöſen, welche Auswurf produzieren (an offener Tuberkuloſe leiden) erhalten eine Spuckflaſche, ſowie zur Reinigung derſelben eine Flaſche mit 2 prozentiger Lyſollöſung. In geeigneten Fällen erhalten die Patienten ferner Zahnbürſten und Zahnputzpulver Einen großen Umfang nehmen die Gewährungen von Milch, Fleiſchmarken, Mittag⸗ eſſen, Krankenkoſt ein. Hierbei iſt zu berückſichtigen, daß alle die tuberkulöſen Familien, welche der ſtädtiſchen Armenpflege anheimgefallen ſind, dieſe Unterſtützungen durch die Stadt auf Verordnung der Stadtärzte erhalten; die Fünſorgeſtelle gibt dieſe Mittel nur ſolchen Perſonen, welche nicht zu den Stadtarmen gehören, alſo in erſter Linie Kaſſenkranken, kleinen Handwerkern und dergl. Dieſe Unterſtützungsmittel werden durch das Rote Kreuz gewährt. Die Menge der verabfolgten Milch beläuft ſich auf monatlich 1000—150 Liter. Die Fleiſchmarken für je Kilo werden im allgemeinen nur in dringenden Fällen ab⸗ gegeben, ſo daß der Verbrauch ſich im Monat auf ca 90 Marken ſtellt. Ebenfalls nur in dringenden Fällen wird Krankenkoſt gewährt. Sie wird aus der Krankenküche des Vater⸗ ländiſchen Frauenvereins beſorgt und koſtet pro Portion 0,75 ℳ. Im Winter werden außerdem Marken für Mittageſſen in der Volksküche des Vaterländiſchen Frauenvereins abgegeben, und zwar hat die Lungenkrankenfürſorge täglich 10 Portionen frei, das übrige wird von ihr bezahlt. Dieſe Marken werden nach Bedarf verabfolgt. Weiterhin werden von der Fürſorgeſtelle beſondere Anträge zu Unterſtützungen der lungenkranken Familien bei der Armendirektion geſtellt, wie ſie ſich nach der Ermittelung und der Unterſuchung ergeben. Dahin gehören z. B. Anträge auf Entſendung der ſkrofulöſen Kinder in Ferienkolonien, auf Gewährung einer Unterſtützung zum Landaufenthalt, auf Überweiſung ins Krankenhaus, ferner auf Beſchaffung von Bettſtellen, Betten, einer anderen Wohnung, Hinzumieten eines Zimmers und auch von Barmitteln. Auch die Beantragung der Desinfektion gehört hierher. Die (Iberweiſung in die Erholungsſtätten auf Stadtkoſten erfolgt durch Vermittelung der Stadtärzte; es ſtehen jedoch der Fürſorgeſtelle für 1500 ℳ jährlich Freiſtellen in den Erholungsſtätten vom Roten Kreuz zur Verfügung. Dieſe 1500 ℳ ſind von der Stadt Charlottenburg dem Volksheilſtättenverein vom Roten Kreuz zur Gewährung von Freiſtellen überwieſen worden und werden von der Fürſorgeſtelle nutzbar gemacht. Die Stadt Charlottenburg übernimmt bei den nichtverſicherten Erwachſenen und bei Kindern aus bedürftigen Familien je nach der Vermögenslage der Familie die ganzen oder teilweiſen Koſten der Heilſtättenbehandlung. Bei den Verſicherten trägt die Stadt ein Drittel der Koſten. Sie iſt mit der Landesverſicherungsanſtalt Brandenburg übereingekommen, daß ſämtliche Gutachten für das Heilverfahren bei Verſicherten ebenfalls von der Fürſorgeſtelle ausgeſtellt werden. Die aus den Heilſtätten Entlaſſenen werden wiederum von der Fürſorgeſtelle nach⸗ unterſucht und auch weiterhin kontrolliert. Es iſt offenbar, daß die Fürſorgeſtelle durch dieſe Einrichtung eine recht genaue Kenntnis der tuberkulöſen Familien der Stadt erhält. Die Fürſorgeſtelle befindet ſich ſeit dem 1. Januar 1906 im Vorderhauſe Wilmers⸗ dorferſtraße 159/160. Die Sprechſtunden fanden früher zweimal wöchentlich ſtatt, Dienstag und Donnerstag nachmittags von 5 Uhr ab. Der Beſuch in der Sprechſtunde war von Anfang an ein ſehr reger, es wurden durchſchnittlich 35 Perſonen abgefertigt. An vielen Tagen belief ſich aber die Zahl der Konſultationen auf über 50, vom 1. Juli 1506 ab werden täglich Sprechſtunden von ⅝ 11—1 Uhr abgehalten, und zwar für Männer Montag und Donnerstag, für Frauen Dienstag und Freitag, für Kinder Mittwoch und Sonnabend. Der Beſuch iſt fortgeſetzt ein ſehr reger.