— 112 — B) Die höheren Mäsdchenſchulen und die Bürgermädchenſchule. Vorkommniſſe von beſonderer Bedeutung für das Schulweſen im allgemeinen ſind im Berichtsjahre nicht zu verzeichnen. Die Klaſſen, mit Ausnahme der oberſten, waren ſtets voll beſetzt; viele Anmeldungen mußten wegen Platzmangels unberückſichtigt bleiben. Da mehrſach Anträge auf Gewährung von Freiſchule an der in dem älteren Stadt⸗ teile belegenen Sophie⸗Charlotten⸗Schule wegen gänzlichen Verbrauchs der zur Ver⸗ fügung ſtehenden 15% der Schulgeldeinnahme abgelehnt werden mußten, wurde bei der Beratung des Stadthaushaltsetats beſchloſſen, daß die Überſchreitung bis zu 3% zuläſſig ſei, falls das Mehr bei den Freiſtellen anderer Anſtalten gedeckt iſt. Die Jugendſpiele ſowie die Ubungen in der Betrachtung von Kunſtwerken fanden auch im Berichtsjahre ſtatt und erfreuten ſich einer regen Beteiligung. Auf Anregung der Schulärztin nahmen einige mit Sprachfehlern behaftete Kinder an den Sprachheilturſen der Gemeindeſchulen mit gutem Erfolge teil. Überhaupt übte die Tätigkeit der Schulärztin auf den Geſundheitszuſtand der Schülerinnen einen günſtigen Einfluß aus. Entweder erhielten die Eltern Mitteilung, daß ärztliche Behandlung, Ent⸗ fernung von Wucherungen, Beſchaffung von Brillen, Zahnpflege uſw. erforderlich wären, oder es traten Belehrungen an Ort und Stelle ein. Der Geſundheitszuſtand der Schülerinen war das ganze Jahr hindurch im allgemeinen ein guter, auch die üblichen Erkältungskrank⸗ heiten traten nur mäßig auf. Der Lehrkörper der Sophie⸗Char lotten⸗Schule erlitt einen herben Verluſt durch den am 16. September erfolgten Tod des ordentlichen Lehrers Reiske, der ſeit 30 Jahren mit großer Treue und Hingebung an der Anſtalt gewirkt hat. Er wünſchte infolge zunehmender Kränklichkeit zum 1. September penſioniert zu werden. Aus Anlaß ſeines Übertritts in den Ruheſtand wurde ihm von Seiner Majeſtät dem Kaiſer und König mittels Allerhöchſten Erlaſſes vom 18. Ottober der Königliche Kronenorden vierter Klaſſe verliehen. Dieſer Orden konnte ihm aber nicht mehr überreicht werden. — In die freie Stelle trat am 1. November der Lehrer Steinmetz von der hieſigen Bürgermädchenſchule. Die im vergangenen Jahre durch den Tod der Oberlehrerin Vorthmann frei⸗ gewordene Oberlehrerinſtelle konnte noch nicht wieder beſetzt werden. Sie wurde in eine Stelle für Oberlehrerinnen mit Staatsexamen verwandelt und der Hilfslehrerin Benedir vertretungsweiſe übertragen. Als weitere Hilfskräfte waren zur Stellvertretung bei Erkrankungen und Be⸗ urlaubungen vorübergehend tätig die Hilfslehrerinnen Neitzke, Kuhlmey, Haaſe, Berner, Ortlieb, Aron, Müller. Als Hoſpitantin war Fräulein Hammerſtein der Schule zugeteilt. Die Urania beſuchten die Klaſſen I und II, das Muſeum für Völkerkunde die Klaſſe 10, die Zeichenausſtellung im Kunſtgewerbemuſeum die Klaſſe III 0, die Königliche Blindenanſtalt zu Steglitz und das Hohenzollernmuſeum die Klaſſen I 0 und 1 M. Der Ausbau der Augu ſte⸗ Viktoria⸗Schule nahm ſeinen Fortgang durch Eröffnung der Schulklaſſe I1I1 0 und der Real⸗Gymnaſialklaſſe I11 (Unterprima) zu Oſtern 1906 und der Schulklaſſe II V zu Michaelis 1906. In das Kollegium traten ein: Oberlehrer Dr von Kozlowski, bisher an der höheren Mädchenſchule und dem Lehrerinnenſeminar in den Franckeſchen Stiftungen zu Halle, Oberlehrer Dr Lipp, bisher am Lehrerſeminar zu Hamburg, Oberlehrer Dr Oehninger, bisher an der Realſchule zu Augsburg, die Oberlehrerin Frl. von Probſt, bisher an der Viktoria⸗Luiſe⸗Schule zu Wilmersdorf, die ordentliche Lehrerin Fr. Stegmeyer, bisher an unſerer Bürger⸗Mädchenſchule. Den mathematiſchen Unterricht in der Realgymnaſialklaſſen übernahm Prof. Lauenſtein von der Ober⸗Realſchule unſerer Stadt. Am Schluß des Sommerhalbjahres ſchieden die Hilfszeichenlehrerinnen Frl. Petri und Frl. von Reinbrecht aus, ebenſo die Lehramtskandidatin Frl. Freytag, welche ein Jahr lang unter Leitung der Oberlehrer Dr Jaenſch und Dr Burg geſtanden hatte. Die Handarbeits⸗ und Turnlehrerin Frl. Johl, bisher im Gemeindeſchuldienſt unſerer Stadt, trat in das Kollegium ein und die ſeit Michaelis 1905 als Hilfslehrerin be⸗ ſchäftigte Zeichenlehrerin Frl. Strasburger wurde definitiv angeſtellt für die in dieſem Jahre neugeſchaffene Zeichenlehrerinſtelle. Während des Sommers 1906 erhielt die Schule eine Experimentieranlage für Gleichſtrom für das phyſikaliſche Laboratorium zum Geſamtpreiſe von 3500 ¾'. Im Winterhalbjahr hielt die Turnlehrerin Frl. Gold mann wöchentlich an einem Nachmittag mit Schülerinnen der Mittel⸗ und Oberklaſſen Turn⸗ und Tanzübungen in der Turnhalle ab. Die Beteiligung war ſo rege, daß zwei Abteilungen von ungefähr je 40 Schülerinnen gebildet werden konnten. Die bekannteſten Tänze einſchließlich Contre⸗ danse und quadrille à la Cour wurden geübt, dazu traten Ball⸗ und Kaſtagnettenübungen und Keulenſchwingen. Am 15. März fand in Gegenwart der Eltern der beteiligten Schüle⸗ rinnen eine einfache Schlußfeier in der Turnhalle ſtatt. Da ſich nach Erweiterung des Unterrichtsplanes durch Angliederung von Real⸗ Gymnaſialklaſſen die Räume für den naturwiſſenſchaftlichen Unterricht und auch der Zeichenſaal als zu klein erwieſen, iſt ein Erweiterungsbau in Erwägung gezogen, mit dem ſobald als möglich begonnen werden ſoll.