— 117 — Der Unterricht wurde rein anſchaulich erteilt und beſtand in der Betrachtung und Beſprechung von naheliegenden und den Kindern intereſſanten Gegenſtänden. Ab und zu wurde den Kindern ein Märchen erzählt. Der Hauptzweck dieſer Unter⸗ weiſungen war: Erweiterung und Klärung des kindlichen Anſchauungskreiſes, An⸗ regung und Entwicklung des Denkens und Übung im Sprechen. Der auf dieſe Weiſe geiſtig erworbene Stoff wurde mit Hilfe der Fröbelſchen Beſchäftigungsmittel weiter verwertet. Die Gegenſtände wurden in Ton modelliert, mittels der Fröbelſchen Baugaben aufgebaut oder in Papier gefaltet. Die flächenartige Darſtellung erfolgte durch die Legetäfelchen, durch Zeichnen, Malen und Ausſchneiden. Linienartig wurden die Gegenſtände dargeſtellt, indem die Kinder Stäbchen legten oder die Umriſſe zeichneten; auch durch Erbſen, Muſcheln, Steinchen wurden die Umriſſe dargeſtellt. Dieſes verſchiedene Arbeitsmaterial gab Gelegenheit zur Erlernung neuer Wörter, zu Farben⸗ übungen und zum Vergleichen, auch zur Bildung von einigen Zahlvorſtellungen. Um die körperliche Entwicklung der Kinder zu fördern, wurde in dem Schulgarten fleißig marſchiert, geturnt, geſpielt. Die Freude, die kleinere Kinder am Rhythmus haben, trat beſonders hervor, wenn das Marſchieren mit Geſang ausgeführt wurde. Hieran ſchloſſen ſich Atmungsübungen und leichte Freiübungen, doch nur für kurze Zeit, da die Kinder ſchnell ermüdeten. Von größter Bedeutung erwies ſich das Bewegungsſpiel. Die anfangs ſchüchternen und unbeholfenen Kinder tauten bald auf, lernten mit ihren Kameraden umgehen und ſich den Spielregeln fügen. Sie wurden in die Welt der menſch⸗ lichen Arbeit eingeführt, indem ſie die Tätigkeit der Handwerker, des Landmannes uſw. darſtellend nachahmten. Sie ließen die Mühle klappern, den Müller wandern, die Räder ſich drehen, das Waſſer ſich bewegen. Die Tier⸗ und Pflanzenwelt trat ihnen näher, indem ſie in ihrer Phantaſie bald zu Blumen wurden, bald als Vögel flogen, oder als Fiſche ſchwammen. Der Geſang, der das Bewegungsſpiel begleitete, diente wieder der Sprach⸗ entwickelung. Auch leichtere Turnſpiele wurden geübt und einige Minuten dem freien Spiel gewidmet. Endlich wurden auch leichte Gartenarbeiten ausgeführt. Jeder Unter⸗ richt im Sinne der Schule war jedoch ausgeſchloſſen. Die Leitung des Kindergartens war der wiſſenſchaftlichen Lehrerin Damrow übertragen, welche ſich die nötige Kenntnis der Arbeiten im Kindergarten, einſchließlich der Fröbelſchen Beſchäftigung angeeignet hat, zugleich aber die Arbeit in der Volksſchule aus Erfahrung kennt. Außerdem wurden dem Kindergarten im Winter für einige Tage in der Woche ſolche Schülerinnen der Mädchenfortbildungsſchule II als Helferinnen über⸗ wieſen, die ſich für die Kinderpflege ausbilden wollten. Die Ausbildung der jungen Mädchen erhielt dadurch eine wertvolle Ergänzung nach der praktiſchen Seite hin, und 9 ½. 4 erwies ſich ſo als ein Segen für die Fortbildungsſchule wie für die olksſchule. Im Winter 1907 erhielt der größte Teil der im Kindergarten befindlichen Kinder wochentäglich Frühſtück, beſtehend aus ¼ Liter warmer Milch und 1 Schrippe. Außerdem wurde ihnen wiederholt warmes Eſſen aus der Haushaltungsküche der benachbarten Ge⸗ meindeſchule XVIII verabfolgt. Die in dem Kindergarten erzielten Erfolge waren recht erfreulich. Die Kinder kamen gern, fügten ſich bald willig den Anordnungen der Lehrerin, lernten nach und nach deutlicher und richtiger ſprechen und ihre Kräfte auf die mannigfachſte Weiſe üben und betätigen. Auch die Eltern ertannten die erzielten Erfolge gern an. Von den im Sommer⸗ halbjahr im Kindergarten beſchäftigten 16 Kindern ſind zu Michaelis 15 in hieſige Ge⸗ meindeſchulen eingeſchult worden, 1 iſt nach außerhalb verzogen. Von den für das Winter⸗ halbjahr überwieſenen 23 Kindern waren 18 ſchulreif, während für 5 Kinder ein Verbleiben im Kindergarten auf ein weiteres halbes Jahr nach dem übereinſtimmenden Urteil des Schularztes und der Lehrerin als wünſchenswert für ihr ſpäteres Forttommen in der Schule erachtet wurde. Für das nächſte Jahr iſt die Erweiterung der Einrichtung in Ausſicht genommen. Nachhilfeunterricht in den Grundklaſſen. Trotz der beſonderen Vorbereitung der ſchulunreifen Kinder im ſtädtiſchen Kindergarten, trotz der geringen Klaſſenfrequenz von höchſtens 45 Schülern in der Grundklaſſe und der individuellen Be⸗ handlung bleiben allmählich einzelne Schüler hinter den übrigen zurück, nicht bloß die langſam faſſenden und unbegabten Kinder, ſondern auch normal begabte, die wochen⸗ und monatelang durch Krankheiten u. a. am Schulbeſuch verhindert waren, oder die im Laufe des Schuljahres aus ungünſtigen Schulverhältniſſen zuziehen. Um dieſen Kindern die Möglichkeit zu bieten, mit ihren Klaſſengenoſſen fortzuſchreiten und zur normalen Verſetzung reif zu werden, erhalten ſie Nachhilfeunterricht durch den Klaſſenlehrer ( Klaſſen⸗ lehrerin). Dieſer erſcheint am geeignetſten zur Erteilung des Nachhilfeunterrichts, weil er ſowohl die Kinder als auch die Schwierigkeiten des Lehrſtoffes genau kennt. Der Klaſſenlehrer wird auch die notwendige Dauer des Nachhilfeunterrichts am zutreffendſten beurteilen können und im Hauptunterricht die im Nachhilfeunterricht gewonnenen Be⸗ obachtungen und Erfahrungen wohl zu nützen wiſſen. Auch gute erziehliche Wirkungen ſind vom Nachhilfeunterricht zu erwarten: Lehrer und Schüler treten ſich dabei näher, das Kind erkennt, wie ſehr ſich der Lehrer um dasſelbe bemüht, gewinnt erhöhtes Vertrauen zu ihm und wird zu beſſerem Betragen und ſorgfältigerer Arbeit angeſpornt.