— 153 — A. Das Theater. Von vornherein mußte man ſich darüber im klaren ſein, daß nur bei alleräußerſter Sparſamkeit ein Projekt zu erzielen ſei, das die zur Verfügung geſtellten Mittel nicht über⸗ ſchreitet. Wir haben daher nur im Zuſchauerhauſe in der räumlichen Entwicklung weiter gehen können, als es das Maß baupolizeilicher Beſtimmungen vorſchreibt. Das Zuſchauerhaus beſteht in ſeinem Kern aus dem Amphitheater, das im Erdgeſchoß nach rückwärts von einem 6 m breiten Wandelgang mit angegliederten Garderoben und an den Seiten von weiträumigen Vorſälen für Erfriſchungszwecke um⸗ gürtet wird. In unmittelbarer Verbindung mit dem Wandelgang ſteht der Kaſſenflur, in den man durch fünf Türen von außen eintreten und von dem aus man auch zu den Treppen des oberen Amphitheaters gelangen kann. In der Erkenntnis, daß Notausgänge, an deren ſtändige Benutzung das Publikum nicht gewöhnt iſt, auch im Falle der äußerſten Gefahr nicht oder doch nur wenig benützt werden, wurden — unter Vermeidung von Not⸗ ausgängen — alle Eingangstüren reichlich bemeſſen und auch ein Eingang von der Grolman⸗ Straße her geſchaffen, der beſonders den wenigen mit Wagen ankommenden Beſuchern des Schillertheaters dienen ſoll, während eine im öſtlichen Foyer untergebrachte Ver⸗ 4 mit dem Reſtaurationsbau zugleich eine Verbindung mit dem Garten er⸗ möglicht. Da für die oft von ihrer Arbeitsſtätte kommenden Beſucher des Schillertheaters die Anlage von Erfriſchungsſtätten eine viel größere Bedeutung als in anderen Theatern hat, das Reſtaurant aber in den Zwiſchenpauſen nicht für die Theaterbeſucher beſtimmt iſt, und die Abſicht beſtand, die Beſucher nicht lange Wege zum Büffet zurücklegen zu laſſen, ſind die Umgänge ſo weiträumig ausgebildet, daß die Möglichkeit gegeben war, ein größeres Büffet und eine Anzahl von kleinen Tiſchen und Bänken aufzuſtellen. Die einzelnen Garderobeabteilungen korreſpondieren mit den Abteilungen — „Ringen“ — des Amphitheaters und auch die Garderobenummern ſind identiſch mit den Sitznummern, damit jeder Beſucher gezwungen iſt, an einer beſtimmten Abteilung der Garderobe anzutreten, und damit durch die gleichmäßige Verteilung der Beſucher das unliebſame Drängen an einzelnen Punkten derſelben möglichſt aufgehoben wird. Das Amphitheater iſt aus den das Münchener Haus beherrſchenden Prin⸗ zipien heraus entwickelt, hat aber in ſeiner Detaildurchbildung mancherlei Anderungen erfahren. Es galt, 1450 Zuſchauer unterzubringen gegen 1106 im Prinzregententheater, und wenngleich die Sitzbreite hier gegen die mit einem Einheitspreis von 20 ℳ bezahlten Sitze dort unbedenklich verringert werden konnte, ſo war es doch klar, daß eine ſo gewaltig größere Zahl an Zuſchauern nicht in einem einzigen Amphitheater untergebracht werden konnte, wenn gleichzeitig das Haus — mit Rückſicht darauf, daß es nicht bloß dem großen Drama, ſondern ebenſowohl auch dem Konverſationsſtück zu dienen hat, alſo in ſeiner Raum⸗ wirkung nicht zu monumental auftreten durfte — in ſeiner Grundfläche möglichſt kleiner geſtaltet werden ſollte. Es war zweifellos, daß ſich dieſe Aufgabe nur durch ein zweites Amphitheater erzielen ließ, das ſich über dem rückwärtigen Teil des großen Amphitheaters aufbaut und das — von wenigen Stützen getragen auch für die neugeſchaffenen Sitze dieſelben Bedingungen für das Sehen erfüllt, die als Vorzüge des Amphitheaters erkannt wurden. So ergab ſich ein Zuſchauerraum mit einer größten Breite von 25,48 m gegen 35,75 m des Prinzregententheaters und mit einer Tiefe von 25,30 m (vom erſten Pro⸗ ſzenium ab gemeſſen bis zum hinterſten Sitzplatz) gegenüber 27 m des Münchener Hauſes. Die Steigung des Amphitheaters iſt in ihrem Endreſultat dieſelbe, wie im Bayreuther Haus; während aber dort die Sitzreihen gleichmäßig anſteigen, iſt hier das Profil des amphitheatraliſchen Kegels eine paraboliſche Kurve, die ſich in ihrem hinteren Ende bis zu 6,07 m über die erſte Sitzreihe erhebt. In einer noch ſtärker ſteigenden Kurve ſind die Reihen des oberſten Amphitheaters angeordnet. Wie im Prinzregententheater iſt das untere Amphitheater mit insgeſamt 1194 Sitzen in vier untere und zwei obere Ab⸗ teilungen eingeteilt; doch ſind dieſe letzteren hier ſelbſtändiger im erſten Obergeſchoß mit eigenen Garderoben durchgebildet. Das oberſte Amphitheater mit 256 Sitzen iſt durch zwei eigene Stiegen zugänglich gemacht und enthält an ſeinen äußerſten Enden Sitze, die der Direktion, dem künſtleriſchen und techniſchen Perſonal das Betreten und Verlaſſen des Theaters während der Vorſtellung ohne Störung der Geſamtheit ermöglichen. Auch dieſes oberſte Amphitheater hat ſeine eigenen Garderoben und einen über dem Kaſſenflur gelegenen Erfriſchungsraum, der ſich nach der über dem Eingang befindlichen Loggia zu öffnet. Da trotz der billigen Eintrittspreiſe der künſtleriſche Genuß nicht mit Anſtrengungen erkauft werden ſoll, wurde auf die Anordnung von Stehplätzen verzichtet. Ein Vergleich des Grundriſſes unſeres neuen Charlottenburger Hauſes mit dem des Prinzregententheaters zeigt eine bemerkenswerte Verſchiedenheit der ſeitlichen Wände. Rückſichten auf die Beſchaffung beſonders günſtiger Ausgänge, auf die Akuſtit des Raumes und endlich auf die äſthetiſche Ausgeſtaltung der Seitenwände führten uns dazu, zwiſchen den unteren Eingangstüren niedrige Wände vorzuſchieben und auf dieſe Pfeiler zu ſtellen, welche mittels eines kräftigen Gebälks die Decke zu tragen haben. Mit hinter die Pfeiler geſtelltem Gitterwerk und mit ſtark geriffeltem Putz der ſeitlichen Wände, ſuchten wir die akuſtiſche Wirkung des Raumes zu erhöhen, unter deren Berückſichtigung wir auch den Plafond um 2 m tiefer als den das Münchener Hauſes legten. 20