—8 — Aus Anlaß ſeiner 25 jährigen verdienſtvollen Tätigkeit im Ehrendienſt der Stadt wurde dem Stadtrat Stendel durch Gemeindebeſchluß vom 20./27. März 1907 die Würde eines „Stadtälteſten“ verliehen. Dem Stadtrat Moll iſt im Juli 1907 der Rote Adlerorden IV. Klaſſe Allerhöchſt verliehen worden. Am 13. November 1907 verſtarb der Wirkliche Geheime Rat Dr Jebens, früher Senatspräſident beim Königlichen Oberverwaltungsgericht, der vom Jahre 1898 ab bis zwei Wochen vor ſeinem Tode dem Magiſtratskollegium als unbeſoldeter Stadtrat angehörte. Seinen Lebensgang, ſeine Perſönlichkeit und ſeine wiſſenſchaftliche Bedeutung ſchildert der ihm durch wiſſenſchaftliche Arbeit naheſtehende Profeſſor Stier⸗Sommlo in einem warmherzigen Nachruf (Juriſtiſches Literatur⸗Blatt Band 19 Nr. 10), aus dem wir fol⸗ gendes entnehmen: „Die Augen des teuren Mannes, die ſich am 13. November 1907 zum ewigen Schlafe ſchloſſen, hatten Krankheit und Alter müde gemacht, nicht das flutende, von ihm ſtets ver⸗ ſtandene Leben, an dem er wie ein Jugendlicher hing. Den goldenen Überfluß der Welt fühlten wenige unter den Männern wiſſenſchaftlichen Geiſtes und richterlicher Unermüd⸗ lichkeit ſo wie er. Was in ſeiner und unſerer Gegenwart auf dem Boden der Rechtsbildung und Rechtsanwendung empor zum Lichte rang, was ſtaatliche Entwicklung und kommunale Selbſtverwaltung zu innerſt bewegte, erregte ihn bis in die letzten Tiefen ſeiner ernſten, kampfluſtigen, ebenſo ſchöpferiſchen wie kritiſchen Seele und gab ſtets neue Impulſe für ſeine mächtige, faſt leidenſchaftliche Arbeitskraft. Nichts trifft ihn mehr als das Goetheſche Wort: Noch iſt es Tag, da rühre ſich der Mann Die Nacht tritt ein, da niemand wirken kann. Die Lebensunmittelbarkeit ſeines ganzen Weſens, das Fernſein jedes ſcholaſtiſchen Einſchlages, ein ſcharfer Sinn für das Notwendige und Weſentliche, eine glückliche Ver⸗ bindung prattiſchen Blickes mit wiſſenſchaftlicher Sorgfalt und Emſigkeit zeichnen ihn ebenſo aus, wie herbe, manchmal nicht ganz gerechte Strenge; ein tiefes Staatsgefühl war ihm zu eigen, das aber weit entfernt war von einer kritikloſen Anbetung des Beſtehenden und ſich in leiſer Ironie äußerte, wo er Übertreibung, mehr noch, wo er Überſpannung des zuweilen wohl anzutreffenden Gefühls behördlicher Überhebung ſah, die die ſachliche Unbeſchränktheit des ſtaatlichen Aufgabenkreiſes mit Omnipotenz, Folgerichtigkeit mit Herrſchaftsgelüſten verwechſelte. Beſonders lehrte ihn ſeine Vertrautheit mit den kom⸗ munalen Verhältniſſen die Bedeutung ſtädtiſchen Weſens erkennen und die vielfache Schäd⸗ lichkeit einer nur vom grünen Tiſch ausgehenden ſtaatlichen Aufſicht beklagen. Dieſe Vielſeitigkeit ſeines geiſtigen und ethiſchen Weſens zu entwickeln, war ſein Lebensgang, den er am 17. September 1830 antrat, ſehr geeignet. Er ſtammte aus einer alten Danziger Kaufmannsfamilie von beſonderer Großzügigkeit. Schon das nahe Meer, das Friſche Haff und die Danziger Bucht lockten den Erwerbstrieb in die Weite. Sein Vater war Geheimer Kommerzienrat und Stadtverordnetenvorſteher in Danzig; wie in jenem Titel die Anerkennung des Staates liegen mag, ſo in der zweiten Eigenſchaft der Beweis des Verdienſtes in ſeiner kommunalen Tätigkeit. Es berührt ſeltſam und freundlich zugleich, daß der Sohn in beidem glücklicher Erbe wurde; in der Anerkennung des Staates für ſeine hohen Leiſtungen und in der Neigung für kommunales Weſen. Es liegt nahe, auch den praktiſchen Sinn des jetzt Entſchlafenen als ein wertvolles geiſtiges Nachlaßſtück ſeines Vaters anzuſehen, den die rührige Kaufmannſchaft zu Danzig lange Jahre zum Vor⸗ ſitzenden ihrer Standeskörperſchaft, der „Alteſten“, gemacht hatte. Doch hörte, äußerlich genommen, der Einfluß des elterlichen Hauſes bald auf. Am 13. April 1852 beſteht Jebens das Auskultatorexamen mit gut, 1854 iſt er Appelations⸗ gerichtsreferendar, 1857 wird er auf Grund der ebenfalls mit gut beſtandenen dritten Prüfung zum Gerichtsaſſeſſor ernannt. Es folgt die übliche unentgeltliche Beſchäftigung zunächſt beim Stadt⸗ und Kreisgericht zu Danzig „mit beſchränktem Stimmrecht.“ Im Jahre 1859 finden wir ihn als Hilfsarbeiter des Kommerz⸗ und Admiralitätskollegiums zu Danzig, 1865 wird er Kommerz⸗ und Admiralitätsrat, 1866, als 36 jähriger, Appelations⸗ gerichtsrat in Marienwerder; ein Jahr ſpäter ins Handelsminiſterium berufen, rückt er ſchon im folgenden Jahre zum Geheimen Regierungsrat und vortragenden Rat im Miniſte⸗ rium für Handel und Gewerbe auf. 1873 wird er Geheimer Oberregierungsrat. Als das Preußiſche Oberverwaltungsgericht ins Leben treten ſollte, war Jebens derjenige, auf den die Blicke der entſcheidenden Miniſterien zuerſt fielen. Er wird 1875 Mitglied des Oberverwaltungsgerichts, zuerſt im Nebenamte, dann ſtändiges Mitglied. Der Handels⸗ miniſter dankt wiederholt für die dem Reſſort geleiſteten treuen und erfolgreichen Dienſte. Der Sohn der Seeſtadt und des weitausgreifenden Kaufmanns erntet die unauslöſchliche Dantbarkeit gerade des Handelsminiſters, der ihn ſchon 1873 zum Bevollmächtigten der Rheinſchiffahrtskommiſſion beſtellt hatte. 1878 bereits Senatspräſident des Oberverwaltungs⸗ gerichtes, 1887 Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat mit dem Range eines Rates erſter Klaſſe nimmt er — zu großer Beſtürzung derer, die ihn mit Recht für faſt unentbehrlich hielten — im Jahre 1896 ſeine Entlaſſung, die ihm in Gnaden unter Verleihung des Cha⸗ rakters als Wirklicher Geheimer Rat mit dem Prädikat Exzellenz erteilt wurde.