— 89 — vIII. Das Verkehrsweſen. 1. Straßenbahn⸗, Untergrundbahn⸗, Omnibusverkehr. Gleiſe zum Betriebe neuer Straßenbahnlinien wurden im Berichtsjahre nicht ein⸗ gebaut. Die Straßenbahnlinien in denjenigen Straßen, welche im Berichtsjahre definitives Pflaſter erhielten, wurden, ſoweit es notwendig war, mit neuen Gleiſen verſehen. Durch die Beſeitigung des Reitweges im Kurfürſtendamm zwiſchen Auguſte⸗Viktoria⸗Platz und Landwehrktanal erhielten die Gleiſe eine neue Spur, wodurch eine Gleisverlegung in dieſem Straßenteile, auf dem Auguſte⸗Viktoria⸗Platz und in der Einmündung der Kur⸗ fürſtenſtraße in den Kurfürſtendamm notwendig wurde. Als neue Betriebslinie wurde die Linie 5 (Gerichtsring) eingerichtet, welche in unſerem Gemeindegebiet die vorhandenen Gleiſe in der Beußelſtraße, Kaiſerin⸗Auguſta⸗Allee, Osnabrücker⸗ und Tauroggener Straße, auf dem Luiſenplatz, in der Berliner⸗ und Wilmersdorfer Straße benutzt. Die Charlottenburger Gebiet durchfahrenden oder berührenden Linien beförderten im Berichtsjahre rund 169 505 000 Perſonen (gegen 137 154 000 im Jahre 1905 und 149 168 000 im Jahre 1906) bei einer Einnahme von rund 16 516 000 ℳ (gegen 13 332 000ℳ 1905 und 14 552 000 ℳ 1906). Am 1. April wurde die untergrundbahnſtrecke Bismarckſtraße Reichskanzlerplatz dem öffentlichen Verkehr übergeben. Vor der Eröffnung unternahm S. M. der Kaiſer, begleitet vom Miniſter Breitenbach, eine Fahrt auf der Strecke vom Leipziger Platz bis zum Reichzkanzlerplatz. Urſprünglich ſollte, vom Leipziger Platz ausgehend, die Stammbahn am Zoologiſchen Garten ihr Ende finden. Als die Gemeinde Charlottenburg im Jahre 1899 ihre Weiterführung ins Innere Charlottenburgs wünſchte, hielt man es für gegeben, die Linie vom Knie aus zwar in die Bismarck Straße einzuführen, aus dieſer aber nach dem Herzen Alt⸗Charlottenburgs, dem Wilhelmplatz, abzulenken. Erſt mit dem Bau der Döberitzer Heerſtraße bekam die Entwicklung Charlottenburgs die Richtung nach dem Weſten zu. Da der mit der Stadtgemeinde abgeſchloſſene Vertrag die Linienführung zum Wilhelmplatz vorſah und die Stadt auf den Bau dieſer Linie nicht verzichtete, wurde es notwendig, beide Strecken, ſowohl die nach dem Wilhelmplatz als die nach Weſtend, zur Ausführung zu bringen und mittels eines großen Anſchlußbahnhofs in der Bismarckſtraße zu vereinigen. Die Stadtgemeinde Charlottenburg als Beſitzer ausgedehnter, im Bahngebiet liegender Gelände⸗ flächen, der Forſtfiskus als Beſitzer des Grunewalds und die Neu⸗Weſtend⸗Geſellſchaft als Beſitzerin ausgedehnter Terrains im Zuge der Untergrundbahn, verpflichteten ſich zur Gewährung von Zuſchüſſen, da die Verkehrseinnahmen die Rentabilität einer nach dem ſchwach beſiedelten Weſtender Gelände hinaus führenden Bahn nicht gewähren konnte. In dem Vertrag zwiſchen dieſen drei Beteiligten und der Hochbahngeſellſchaft war die Herſtellung der Untergrundbahn bis zum Reichskanzlerplatz und die Inbetriebnahme der neuen Strecke ſpäteſtens am 1. April 1908 ausbedungen: ferner wurde in dem Vertrag die Verlängerung der Untergrundbahn durch die Reichs⸗Straße bis an den Rand des Grune⸗ walds vereinbart, für deren Betriebseröffnung, je nach der Entwicklung der Anſiedlung, ein weiterer Zeitraum von längſtens 10 Jahren feſtgeſetzt wurde. Die Ausführung des Baues wurde von der Hochbahngeſellſchaft an die mit dieſer verbundenen Aktiengeſellſchaft Siemens « Halske übertragen, die ihrerſeits die Herſtellung des eigentlichen Tunnelkörpers durch die Geſellſchaft für den Bau von Untergrundbahnen, eine Tochtergeſellſchaft der Frankfurter Baufirma Philipp Holzmann, bewirken ließ. Über die baulichen Verhältniſſe wird unter Anlehnung an die von der Hochbahngeſellſchaft herausgegebene Feſtſchrift folgendes hervorgehoben: Der Abzweigungsbahnhof der neuen Weſtendbahn in der Bismarckſtraße (vgl. Abbildung) wurde viergleiſig angelegt. Die beiden äußeren Gleiſe ſind die der Weſtendbahn, die beiden inneren die Stammgleiſe. Die letzteren ſind nach dem Wilhelmplatz über das nörd⸗ liche Weſtendgleis hinweg abgelenkt, ſo daß ſie von dem Nordgleis der Weſtſtrecke unter⸗ fahren werden. Von dem Gemeinſchaftsbahnhof Bismarckſtraße ab folgt der Weſtendſtrang der Untergrundbahn dem Zuge der Bismarckſtraße bis zum Sophie⸗Charlotte⸗Platz, wo eine den Namen dieſes Platzes tragende Halteſtelle angelegt iſt. Unmittelbar dahinter tritt die Bahn in den Kaiſerdamm ein und überſchreitet den Lietzengraben und den alten Spreearm. Die Ringbahn wird mittels einer unter der Straßen⸗ brücke durchführenden eiſernen Gallerie gekreuzt, welche in die Halteſtelle Kaiſerdamm einmündet, ſo daß unter der Brücke die Züge der Untergrundbahn über den Dampfzügen dahinrollen. (Vgl. Abbildung). Von hieraus ſetzt die Bahn ihren Weg nach Weſtend zu fort und erreicht über das anſteigende Vorgelände mit einer Steigung von 1: 50 den Reichskanzlerplatz, den neu geſchaffenen, die Umgebung weit beherrſchenden Mittelpunkt von Neu⸗Weſtend, wo ſich gleichzeitig der Scheitelpunkt der Bahn befindet. Der hier angelegte Bahnhof iſt entſprechend ſeiner größeren Bedeutung durch einen reicheren Portal⸗ Aufbau und durch dekorative Betonung der Eintrittshalle ausgezeichnet, die mit einer Auskleidung farbiger Terrakotten aus den Kaiſerlichen Majolika⸗Werkſtätten Kadinen geſchmückt ſind. Die Halteſtelle des Reichskanzlerplatzes bildet den vorläufigen Abſchluß der Untergrundbahn. Die Weiterführung der Linie durch die Reichsſtraße iſt bereits begonnen. 12