— 131 — Auch der Vergleich des Zahlenmaterials anderer Verwaltungszweige (Kranken⸗ kaſſen, Baugeſuche, Armenpflege), die einen Rückſchluß auf die Lage des Arbeitsmarktes geſtatten, ergaben eine verminderte Arbeitsgelegenheit. Arbeitsloſen⸗ Beſchäftigung. Schreibſtube für Stellenloſe. Zu außerordent⸗ lichen Maßnahmen zur Beſchäftigung von Arbeitsloſen lag auch in dieſem Jahre kein Anlaß vor. Zur Beſchäftigung von Arbeitsloſen, für welche eine andere Arbeit nicht zu ermitteln war, ſtand wie in früheren Jahren in erſter Linie der ſtädtiſche Steinſchlageplatz zur Verfügung. Während in den letzten Jahren ſich für dieſe Beſchäfti⸗ gung nur wenige Arbeitsloſe meldeten, wurden in dieſem Jahre vom Arbeitsnachweis in den Wintermonaten 167 Perſonen dem Steinſchlageplatz überwieſen, von denen 15 Per⸗ ſonen die Arbeit nicht annahmen. Von der Armenverwaltung wurden ohne Vermittlung des Arbeitsnachweiſes 293 Perſonen, die wegen Arbeitsloſigkeit um Unterſtützung ein⸗ gekommen waren, ebenfalls dem Steinſchlageplatz zur Beſchäftigung überwieſen, von denen jedoch über die Hälfte, 170 Perſonen, die Arbeit nicht annahmen. Die Höchſtzahl der dort zugleich beſchäftigten Arbeiter betrug 96. Die Ausführung der Arbeiten geſchieht im Akkord. Der höchſte Verdienſt eines Arbeiters betrug 4,38 ℳ, der niedrigſte (veranlaßt teils durch freiwilliges vorzeitiges Verlaſſen der Arbeitsſtelle, teils wegen gänzlicher Un⸗ fähigkeit, eine entſprechende Geſchicklichkeit ſich anzueignen) 0,25 ℳ, der Durchſchnitts⸗ verdienſt 2,22 ℳ pro Tag bei durchſchnittlicher § ſtündiger Arbeitszeit. Um den unge⸗ übten Arbeitern Gelegenheit zur Aneignung der nötigen Fertigkeit zu geben, wurde den⸗ ſelben zu ihrem Akkordverdienſt ein Zuſchlag gezahlt, damit dieſelben einen Ver⸗ dienſt von 30 §, für die Stunde erreichten. Die Dauer der Zahlung dieſes Zuſchlages wurde auf 4 Wochen bemeſſen. In einzelnen Fällen wurde dieſe Friſt auch noch ver⸗ längert. In der Sitzung der Stadtverordnetenverſammlung vom 8. Januar 1908 gelangte folgender Antrag des Stadtverordneten Hirſch zur Verhandlung: Der Magiſtrat wird erſucht, ſchleunigſt Maßnahmen zur Linderung der Ar⸗ beitsloſigkeit und ihrer Folgen in Charlottenburg zu ergreifen. Nach Vorberatung durch einen Ausſchuß, welchem ſämtliches ſtatiſtiſche Material vorgelegt wurde, faßte die Verſammlung am 12. Februar folgende Beſchlüſſe: 1. Die Stadtverordnetenverſammlung erkennt mit dem Magiſtrat an, daß die Lage auf dem Arbeitsmarkt zur Zeit zwar ernſt, aber nicht kritiſch iſt; ſie hat das Vertrauen zum Magiſtrat, er werde, wie im Jahre 1901 %2 die nötigen Maßregeln treffen, um einer etwa weiter zunehmenden Arbeitsloſigkeit ge⸗ rüſtet gegenüberzuſtehen. 2. Die Stadtverordnetenverſammlung erſucht den Magiſtrat in Erwägung zu ziehen, ob ſich die Verwendung ſtädtiſcher Mittel für die Zwecke der Arbeitsloſenver⸗ ſicherung empfiehlt. Die öffentliche Schreibſtube für Stellenloſe erhielt auch im Berichtsjahre einen ſtädtiſchen Zuſchuß von 2000 ℳ und berichtet über das Kalender⸗ jahr 1907 folgendes: Die öffentliche Schreibſtube für Stellenloſe ſetzte ihre Tätigkeit in der bisherigen Weiſe fort. Aus dem größeren Komitee hat ſich ein kleines Arbeitskomitee gebildet, das in wöchentlichen Beſprechungen die nötigen Direktiven für die Geſchäftsführung gibt und eine Kontrolle über die Tätigkeit der Angeſtellten und die Erledigung der Aufträge übt. Zu unſerem Bedauern hat ſich trotz wiederholter Ausſendung von Rundſchreiben und vielfachen perſönlichen Bemühungen im abgelaufenen Jahre vermehrte Arbeitsge⸗ legenheit für Schreibkräfte nicht erreichen laſſen. Wie es ſcheint, iſt auch die eingetretene Erhöhung des Ortsportos nicht ohne Einfluß auf die Verſendung von Preisliſten und dergleichen geweſen. Auch andere Adreſſenbureaus klagen, wie wir hören, darüber. Bei Stellung von Aushilfen durch die Schreibſtube iſt es übrigens mehr und mehr üblich ge⸗ worden, daß die Firmen mit dem Aushilfe⸗Perſonal direkt abrechnen, ſo daß dieſe Beträge nicht mehr durch die Bücher der Schreibſtube gehen. Es meldeten ſich Stellenloſe 530 (1906 620), von denen 286 (1906 334) (257 männl., 29 weibl.) beſchäftigt werden konnten. Dauernd beſchäftigt waren 7 Perſonen. In Aushilfeſtellen kamen durch Vermittlung der Schreibſtube 56, in feſte Stellen 38 Perſonen. Die Einnahmen aus den Aufträgen beliefen ſich auf 12 120,12 d (gegen 13 025,78 % im Voriahre). Die dafür in 4951 Arbeitstagen verdienten Löhne betrugen 8788,78 ℳ (1906 9974,37 ℳ). Der Durchſchnitts⸗ wochenverdienſt betrug 10,80 ℳ (1906 11,50 ℳ). Durchſchnittlich beſchäftigt waren 24 Perſonen. Zu der ſehr niedrigen Ziffer des Lohndurchſchnitts muß wieder daran erinnert werden, daß die Schreibſtube nicht nur meiſt ungeübtes Perſonal beſchäftigt, ſondern auch Leute, die Halbinvaliden ſind und ohne ſie überhaupt keine Be⸗ ſchäftigung finden, ſondern der öffentlichen oder privaten Armenpflege anheimfallen würden. Noch mehr wird der Durchſchnitt heruntergedrückt, einerſeits durch Leute, die nur zum Falzen zu brauchen ſind, anderſeits aber durch Unluſtige, die ihre Arbeitszeit beliebig abkürzen. Im allgemeinen wird auch daran feſtgehalten, Be⸗ ſchäftigung nur für 6 Wochen hintereinander zu gewähren, ſo daß die Arbeitskräfte ſtändig wechſeln und die neu Eintretenden ſich immer erſt einarbeiten müſſen.