— 156 — iſt noch nicht abgeſchloſſen, aber es läßt ſich jetzt ſchon überſehen, daß die Anſchlagsſumme nicht überſchritten iſt. Noch einiges über die Finanzierung: die Stadt Charlottenburg hat davon abgeſehen, das Ledigenheim in eigener Regie zu bauen und zu betreiben, einerſeits in der Erkenntnis, daß derartige Dinge beſſer als durch die immer etwas ſchwerfällig arbeitende ſtädtiſche Verwaltung durch einen leichter beweglichen Verein oder eine Geſellſchaft betrieben werden, anderſeits auch, um dem Privatkapital, vorzüglich den Induſtriellen, die die Sache ſehr nahe angeht, Gelegenheit zur finanziellen Beteiligung zu geben. Auf Betreiben der ſtädtiſchen Verwaltung iſt deshalb eine Aktiengeſellſchaft — dieſe Form erſchien im vorliegenden Falle am zweckmäßigſten — mit einem eingezahlten Aktienkapital von 80 000 ℳ gebildet worden, die ſich den Namen „Volkshotel⸗Aktien⸗Geſellſchaft⸗Ledigenheim“ beilegte. Dieſer A.⸗G. ſtellte die Stadt das ſtädtiſche Grundſtück im Erbbaurechte zu mäßigem Zins⸗ ſatze zur Verfügung, während die A.⸗G. ſich verpflichtete, auf dieſem Grundſtück das Ledigen⸗ heim nach den von der Stadt genehmigten Plänen und Koſtenanſchlägen zu erbauen und in Betrieb zu übernehmen. Die zum Bau und zur inneren Einrichtung erforderliche Bau⸗ ſumme von 500 000 ℳ iſt der A.⸗G. von der Landesverſicherungs⸗Anſtalt Brandenburg als Darlehn gegeben, nachdem die Stadt Charlottenburg der Landesverſicherungs⸗Anſtalt gegenüber für dieſes Darlehn, deſſen Verzinſung und Rückzahlung die ſelbſtſchuldneriſche Bürgſchaft übernommen hatte. Die Stadt hat ſich in dem Vertrage mit der A.⸗G. ſowohl in finanzieller Beziehung als auch in bezug darauf geſichert, daß bei dem Betriebe des Ledigenheims das von der Stadt gewollte Ziel verfolgt und die von ihr zu dieſem Zwecke aufgeſtellten Grundſätze ſtetig beobachtet und befolgt werden. Die A.⸗G. hat für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen eine Sicherheit von 50 000 Mark in mündelſicheren Papieren bei der Stadt hinterlegt. Die A.⸗G. iſt eine gemeinnützige, nicht eine Erwerbsgeſellſchaft. Alle Geſchäfte des Vorſtandes und des Aufſichtsrates werden ehrenamtlich erledigt. Der Vorſtand beſteht aus zwei Herren: dem Stadtverordneten⸗Vorſteher von Charlottenburg Kaufmann und dem Dezernenten für das Armenweſen Stadtrat Samter. — Die Geſchäfte des Vorſtandes werden in einer ſtädtiſchen Geſchäftsſtelle bearbeitet. — Zur Projektierung und Veranſchlagung des Baues ſowie zum Bau ſelbſt ſtellte die Stadt die Kraft des Stadt⸗ bauinſpektors Walter der A.⸗G. zur freien Verfügung. Die Anſtalt iſt, wie ich ſchon ſagte, am 1. April dieſes Jahres eröffnet worden. Ein abſchließendes Urteil über den Erfolg läßt ſich daher wegen der Kürze der Zeit noch nicht abgeben. Naturgemäß hatte die völlig neue Erſcheinung zunächſt mit der dem Deutſchen und inſonderheit dem deutſchen Arbeiter innewohnenden Scheu gegen alles Neue zu kämpfen. Man verhielt ſich in der erſten Zeit etwas abwartend und zweifelnd. Aber bald ſtellte ſich das Vertrauen zu der gewollten Abſicht und zu der durchgeführten Ausführung ein, und zwar ſchneller als wir urſprünglich gedacht hatten derart, daß Ende Auguſt dieſes Jahres von den 342 Betten ſchon 275 belegt waren. Wir erwarten die volle Belegung noch vor Abſchluß des Jahres mit dem Beginn des Winters. Unter den bisherigen Inſaſſen des Ledigenheims ſind die verſchiedenſten Berufsarten vertreten: Arbeiter aller Art, kleine Eiſenbahn⸗ und Poſtbeamte, kleine Kaufleute und Handwerker, Monteure, Techniker u. ähnl. mehr. Auch alle Altersſtufen finden ſich in ihnen vor, vom ſiebzigjährigen Greis bis zum jungen Lehrling. Bei der Aufnahme bevorzugt werden Perſonen, die aus Schlafſtellen kommen, wenngleich jetzt, wo noch nicht alle Zimmer beſetzt ſind, auch kleine Chambregarniſten aufgenommen werden. Aber bei der letzten Auszählung waren von 263 Zimmermietern bereits 116, die aus Schlafſtellen gekommen ſind. Es hat ſich monatlich ein Wechſel von etwa 20 bis 25 Perſonen bemerkbar gemacht, der veranlaßt war durch Verzug, militäriſche Ubungen, zu weite Entfernung von der neuen Arbeitsſtelle u. a. m. — Die Diſziplin im Hauſe iſt im allgemeinen gut, wenn auch bei der Neuheit der Sache in einzelnen Fällen Schwierigkeiten entſtanden ſind, die aber nie ernſterer Natur waren. Wir vertrauen, daß, wenn erſt ein Stamm eingewohnter feſter Mieter ſich gebildet haben wird, ſich die Diſziplin ohne jede Schwierigkeit unter Mitwirkung der Mieter ſelbſt noch leichter wird handhaben laſſen. Ob der von uns beſchrittene Weg der richtige iſt? Die Zeit wird es lehren. Wir wünſchen durch den Betrieb unſeres Ledigenheims zunächſt zweierlei nachzuweiſen: erſtens, daß die Schlafſteller unſer Heim gern aufſuchen und gern in ihm bleiben, und zweitens, daß in der Errichtung ſolcher Ledigenheime eine rentable Kapitalsanlage zu erblicken iſt, d. h. daß die Einnahmen aus dem Betriebe außer den Betriebskoſten auch eine vier⸗ bis fünfprozentige Verzinſung des aufgewendeten Kapitals gewährleiſten. Gelingt es uns, wie wir hoffen, in einigen Jahren dieſe Nachweiſe zu erbringen, dann wird auch das Privat⸗ kapital bei uns bereit ſein — wie in England —, ſich an dem Bau von Ledigenheimen zu beteiligen. Dann wird es Zeit ſein, von unſerm erſten Verſuch, den wir jetzt gemacht haben, überzugehen zum völligen Ausbau unſeres Gedankens: zur Errichtung eines Netzes von Ledigenheimen nicht nur über Charlottenburg, ſondern über Groß⸗Berlin, eines Netzes, das ſämtliche Schlafſteller männlichen und weiblichen Geſchlechtes — und für dieſe letzteren erſcheinen derartige Heime ganz beſonders notwendig — aufzunehmen im ſtande iſt, um dem heutigen Schlafſtellenunweſen völlig den Garaus zu machen. Und wenn wir daneben fortgeſetzt darauf bedacht ſind, den erforderlichen Bedarf geſunder kleiner Familienwohnungen der oben gedachten Art zu decken, dann werden wir hoffen können, in nicht zu ferner Zeit eine völlige Geſundung der Wohnungsverhältniſſe