192 zugenommen hat, während die Zahl der Zwiemilchkinder nur wenig zugenommen, die der Flaſchenkinder ſogar etwas abgenommen hat, ſo darf daraus nicht etwa ohne weiteres gefolgert werden, daß es den F§ ü rſorgeſtellen gelungen ſei, eine weſentlich größere Anzahl Mütter als früher zum Selbſtſtillen zu veranlaſſen. Die Urſache der ganz außer⸗ ordentlichen Zunahme der Bruſtkinder dürfte vielmehr nach den Berichten der leitenden Arzte in der Hauptſache in der Gewährung der Beihilfen an ſtillende Mütter zu ſuchen ſein, die viele Mütter, die auch ohnehin ihr Kind ſelbſt genährt haben würden, dazu veranlaſſen, die Fürſorgeſtellen aufzuſuchen, um die Beihilfen zu erhalten. Das wird auch dadurch beſtätigt, daß dieſe Mütter die Fürſorgeſtellen faſt immer ſehr bald nach der Geburt des Kindes aufſuchen, während die künſtlich ernährten Kinder meiſt erſt viel ſpäter in die Fürſorge treten, — ein Umſtand, der es auch erklärt, warum es den Fürſorgeſtellen nur ganz ausnahmsweiſe einmal noch möglich geweſen iſt, ein ſolches Flaſchenkind nach⸗ träglich noch zur Bruſternährung überzuführen. Von den im Berichtsjahre neu hinzu⸗ getretenen Kindern waren von 1126 Bruſtkindern nicht weniger als 726 ( 64 %), von 516 Flaſchenkindern aber nur 150 (⸗ 29%) vor Ablauf des erſten Lebensmonats in Fürſorge gekommen. (Erfreulich iſt dabei, daß von den die Fürſorge aufſuchenden une helichen Kindern nicht weniger als 73,14 von hundert der 129 unehelichen Bruſtkinder (gegen nur 63,50 vom Hundert derehelichen) ſchon im erſten Lebensmonat in Fürſorge gekommen ſind; bei den unehelichen Flaſchentindern hat dieſer Prozentſatz leider nur 22,32 betragen.) Immerhin wäre es aber irrig, jeden Einfluß der Fürſorgeſtellen auf die natürliche Ernährung in Abrede zu ſtellen. Einmal darf man annehmen, daß wenigſtens ein Teil der Mütter ſicher nicht ſelbſt geſtillt haben würde ohne die Belehrung in den Fürſorgeſtellen und ohne die Still⸗ beihilfen, die ja als Regel nur dann gewährt werden, wenn die Möglichkeit des Selbſtſtillens davon abhängt. Sodann ſind ſicher zahlreiche Schwangere mit durch die unten näher dar⸗ zulegende Unterſtützung vor der Geburt des Kindes, die ihnen das ſpätere Selbſtſtillen ermöglichen ſoll, in die Lage zum Selbſtſtillen verſetzt, jedenfalls aber dazu aufgemunterten worden. Vor allem aber ſpricht für den Einfluß der Fürſorgeſtellen auf die natürliche Ernährung die von den Arzten feſtgeſtellte Tatſache, daß eine ganze Anzahl Frauen mit dem zweiten, ja ſchon mit dem dritten Kinde die Fürſorgeſtelle aufſuchten, deren frühere Kinder, künſtlich ernährt, nur mit Mühe aufgezogen oder auch verſtorben waren, während ſie jetzt bei dem zweiten oder dritten Kinde durch die Bemühungen der Fürſorgeſtelle mit gutem Erfolge zur natürlichen Ernährung übergegangen waren. Der Beſuch der Fürſorgeſtellen war faſt ohne Ausnahme ſtetig und regelmäßig. Erfreulich iſt auch, daß auch die Pflegemütter ihre Pflegekinder im Berichtsjahre meiſt regelmäßig vorſtellten und, wie berichtet wird. auch für ihre neuen Pflegekinder die früheren Belehrungen beachteten. Die vier bisher beſtehenden von Kinderärzten geleiteten Säuglingsfürſorgeſtellen wurden auch im Rechnungsjahre 1907 durch den Vaterländiſchen Frauenverein und den Eliſabeth⸗Frauenverein betrieben, während die Koſten von der Stadt getragen wurden. In den Fürſorgeſtellen Iund IV wurden wöchentlich an 3 Tagen, in den Fürſorgeſtellen 11 und III an 2 Tagen Sprechſtunden abgehalten. Neben den Arzten, Schweſtern und beſoldeten Helferinnen waren auch 1907 eine große Anzahl Damen im Ehrenamt in den Fürſorgeſtellen tätig. Ihre umfaſſende Mitarbeit muß mit beſonderem Dank aner⸗ kannt werden. Zur Entlaſtung der Fürſorgeſtelle I und um den Müttern aus den Stadtteilen jenſeits der Spree die vielfach ſehr weiten Wege zu erſparen, wurde am 24. April 1908 die 5. Fürſorgeſtelle in der Tauroggener Straße 9 eingerichtet und dem Vaterländiſchen Frauenverein zum Betriebe übergeben. Soweit künſtliche Ernährung eintreten mußte, wurde hauptſächlich paſteuriſierte Kindermilch abgegeben; nur in wenigen Fällen wurde rohe Kindermilch verwendet. Die paſteuriſierte Milch wurde in Halbliterflaſchen zum Preiſe von 28 für den Liter von der Meierei Bolle in Berlin bezogen, die rohe Kindermilch, die hauptſächlich zur Herſtellung trinkfertiger Portionen in den Milchküchen verwendet wurde, lieferte die Berliner Milchkur⸗ anſtalt früher Hellersdorf zum Preiſe von 25 § für den Liter. Wöchentlich einmal wurde die Milch an vorher nicht bekannt gegebenen Tagen durch das ſtädtiſche Unterſuchungsamt für anſteckende Krankheiten unterſucht. Es wurden hier ſowohl biologiſche als auch chemiſche Prüfungen der Milch vorgenommen. Gründe zur Beanſtandung der Milch haben ſich nicht ergeben. Die Abgabe der Milch erfolgte zum Preiſe von 18 für den Liter. Wer dieſen Preis nicht zahlen konnte, erhielt ſie auf Grund eines vom Armen⸗Kommiſſionsvorſteher oder Waiſenrat ausgeſtellten Armenſcheins unentgeltlich. Auch der unentgeltliche Bezug der Milch gilt nicht als Armenunterſtützun g. Bei der gegen Bezahlung abgegebenen Milch trug die Stadt den Unterſchied gegen den Einkaufspreis von 10 5 für die paſteuriſierte Milch und 7 5, für die rohe Milch; die Koſten der unentgeltlich verabfolgten Milch übernahm ſie ganz. Abgegeben wurden im Rechnungsjahre 1905 44 413 Liter 1906 138 625 „ 1907 199 888 „