V. Das Bauweſen. A. Hochban. 1. Neubauten. Neubau des Reformrealgymnaſiums (Herderſchule), Weſtend, Bayern⸗Allee. Nachdem am 25. Februar 1903 die Gründung eines Reformrealgymnaſiums beſchloſſen und dieſe Anſtalt vorläufig in dem Gebäude der Realſchule, Guerickeſtraße, untergebracht war, wurde am 3. Oktober 1906 für den Neubau der Schule ein Grundſtück in der jetzigen Bayern⸗ Allee angekauft und gleichzeitig der Vorentwurf des Stadtbauinſpektors Winterſtein von der Stadtverordnetenverſammlung angenommen. Nach dieſem Vorentwurf wurde ohne weſentliche Veränderungen der Bauentwurf ausgearbeitet, und durch Gemeindebeſchluß vom 24. April/1. Mai 1907 genehmigt. Als dann auch die weiteren Unterlagen zur Aus⸗ führung ſoweit gediehen waren, wurde am 23. Juli 1907 mit den Arbeiten auf dem Bauplatz begonnen. Ein nachträglicher Antrag ſeitens der Schulverwaltung, auf dem Gebäude eine Sternwarte zu Unterrichtszwecken zu errichten, welcher erſt am 15. April 1908 die Genehmigung der Stadtverordnetenverſammlung erhielt, wirkte dann allerdings mehr, als vorauszuſehen war, auf den Fortſchritt der Bauarbeiten ein. Dazu kam noch der außer⸗ gewöhnlich ſtarke Winter 1908/1909. Trotzdem gelang es, das Schulhaus zu der urſprünglich feſtgeſetzten Friſt Oſtern 1909 ſeiner Beſtimmung zu übergeben. Das von der Neu⸗Weſtend⸗Geſellſchaft auf Grund der Verträge vom 30. Januar und 15. Juli 1901 gekaufte Grun d ſt ück war dank dem beſonderen Eintreten des damaligen Stadtbaurats Profeſſor Schmalz in einer bedeutend größeren Ausdehnung erworben, als bisher in Charlottenburg für höhere Lehranſtalten be⸗ willigt war; es umfaßt 7252 qm Bauland und 650 qm Vorgartenfläche bei einer Straßenlänge von 130 m und einer durchſchnittlichen Tiefe von etwa 60 m. In dem Winkel zwiſchen Kaiſerdamm und Reichsſtraße, etwa 400 m vom Reichstanzlerplatz entfernt, grenzt es mit ſeiner weſtlichen Ecke an den Fürſtenplatz. Wenn man für die Unterrichtszimmer eine zur Himmelsrichtung möglichſt günſtige Lage erzielen wollte, ſo war die Anord nun g des Baues auf dem Grundſtück nur in der Weiſe möglich, daß man längs der Straße einen langen Vorderbau errichtete, bei welchem die Klaſſenzimmer nach der Rückſeite zu, alſo mit Fenſtern nach dem dahintergelegenen Hof hin, anzuordnen waren. In jedem Schulgebäude ſind die Klaſſenräume das wich⸗ tigſte. In dieſen ſpielt ſich das eigentliche, alltägliche Leben der Schule ab. Sie bilden den Grundſtock der ganzen Anlage, ſie ſetzen auch alle dieſelben baulichen Anforderungen voraus. Außere und innere Gründe rechtfertigen es alſo, die geforderten 24 Klaſſen in einem geſonderten Gebäudeteil unterzubringen, der natürlich am beſten in der Mitte der ganzen Anlage liegt. Die übrigen Schulräume ſind weſtlich von dieſem Klaſſenflügel in einem beſonderen Bauteil untergebracht, welcher wegen der Größe der einzelnen Räume als Saalbau bezeichnet werden kann, während auf der andern Seite des Klaſſenbaues das Direktorwohnhaus ſich angliedert. Von den 24 Klaſſen liegen in 4 Geſchoſſen je 5 Klaſſen unmittelbar nebeneinander. Sie haben eine Länge von 8,07 und 8,59 m, eine Breite von 5,„99—6,12 m und eine Höhe von 4 m im Lichten. Der vor den Klaſſen ſich entlang ziehende Flur iſt etwas über 3 m breit. Nur vor der mittleren Klaſſe erweitert ſich der Flur etwas, um die ſonſt allzu einförmige Länge zu unterbrechen und um auch das Zurechtfinden in den einzelnen Klaſſen zu erleichtern. Rechts und links von den Klaſſen liegen in jedem Geſchoß die Abtrittsanlagen für die Schüler mit zuſammen 24 Sitzen. Die jedesmal vorgelegten Vorräume ſind mit ausreichend großer Waſch⸗ gelegenheit verſehen. In den Fluren vor dieſen Vorräumen können durch ſogenannte „Müllſchlucker“ Papier⸗ reſte u. a. ſofort in den Keller befördert werden. Die noch fehlenden 4 Klaſſen ſind mit dem öſtlichen Treppen⸗ haus vereinigt. Da hier auch ein Ausgang zum Hof erforderlich war, mußte die im Erdgeſchoß fortfallende Klaſſe in einem fünften Geſchoß Platz finden. Sämtliche Klaſſen enthalten durchſchnittlich 40 Sitzplätze, ſo daß die ganze Anſtalt 960 Schüler faſſen kann. Weitaus umfangreicher als der Klaſſenbau iſt der Saal b a u. Wie bisher in allen größeren Schulen iſt der Turnſaal ebenerdig angelegt. Dieſe Lage hat aber erſt dann wirklichen Wert, wenn eine unmittelbare Verbindung mit dem Turnplatz vorhanden iſt. Eine Anordnung nach der Straße hin war alſo ausgeſchloſſen, es wurde vielmehr gleich bei der erſten Plangeſtaltung beſonderes Gewicht darauf gelegt, die Turnhalle mit einer vollen Längsſeite an den Turnplatz zu legen, und dieſe ganze Längsſeite — einer Anregung der Schul⸗ verwaltung entſprechend — durch große Türen mit dem Turnplatz in möglichſt weitgehende Verbindung zu bringen. An Nebenräumen hat der Turnſaal einen Ankleideraum zum Wechſeln der Kleider und Schuhe, einen Geräteraum, ein Zimmer für den Turnlehrer, eins für den Turndiener und auch einen beſonderen Abort mit Waſchvorraum erhalten. In der Höhe des erſten Stockwerks iſt an der öſtlichen Schmalſeite eine größere Zu⸗ ſchauerbühne angebracht, während die Süd⸗ und Weſtwand größere Offnungen erhalten haben, welche beim Schauturnen ebenfalls ein Zuſchauen vom Flur und vom Raum für den Handfertigkeitsraum ermöglichen. Daß über dem Turnſaal der etwa die gleichen Abmeſſungen erfordernde Schulſaal angelegt wird, iſt ſchon aus rein konſtruktiven Gründen das gebotenſte und das natürlichſte, weshalb auch hier daran feſtgehalten wurde. Da ein Schulſaal ſelbſt in den an ſich ſchon ſtattlichen Abmeſſungen von 12,5 26 m immer noch nicht ausreicht, um bei Schulfeierlichkeiten alle Beteiligten aufzunehmen, ſo kommt es darauf an, mit ihm noch möglichſt einige andere Räume derart zu verbinden, daß ſie zu dem Schulſaal hinzugezogen werden können. Hierzu eignet ſich einerſeits das Beratungszimmer, anderſeits der Geſangſaal am beſten. Das Beratungszimmer iſt wie auch bereits in ſonſtigen Schulen ſo angeordnet, daß es als Vorraum zum Schulſaal dienen kann. Während man aber bisher den Geſangſaal meiſt über dem Beratungszimmer eingefügt hatte, und zwar ſo, daß er bei Feſten ähnlich dem Orgelchor in Kirchen benutzt werden konnte, iſt von dieſer Anordnung in dem vorliegenden Fall abſichtlich Abſtand genommen, und zwar, weil die Verhältniſſe bei derartigen Schulaufführungen weniger den kirchlichen ähneln, als denen von großen Mufſikſälen. Aus dieſem Grunde iſt der Geſangſaal dieſes Mal hinter dem Podium des Saales angeordnet und durch eine große Offnung mit dem Saal in Verbindung gebracht, ſo daß der Geſang⸗ ſaal eine Vergrößerung dieſes Podiums bildet. Da nun die Schulaufführungen aber nicht nur in geſanglichen, ſondern auch in theatraliſchen Leiſtungen beſtehen, ſo hat der Geſangſaal gleichzeitig auch noch Einrichtungen er⸗ halten, welche es ermöglichen, ihn in kürzeſter Zeit in eine vollſtändige Bühne umzuwandeln. Über dem Schul⸗ ſaal, welcher bei ſeinen Abmeſſungen ſelbſtverſtändlich durch zwei Geſchoſſe hindurchreichen muß, und in dem oberen Geſchoß ähnlich wie die Turnhalle eine größere Zuſchauergalerie und drei kleinere enthält, ſind die Räume