— 62 — für den Zeichenunterricht gelegen. Zwei Zeichenſäle nehmen die ganze Rückſeite über dem Schulſaal ein, während der erweiterte Vorflur zur Unterbringung der Reißbrettſchränke ausgenutzt iſt. Links und rechts von dieſem Vorflur befinden ſich noch zwei kleinere Zimmer für den Zeichenlehrer und für Sammlungen. Der an die Längsſeite der Säle vorgelagerte Mittelflur des Saalbaues ſtellt in jedem Geſchoß eine Verbindung zwiſchen der öſtlich gelegenen Haupttreppe und der weſtlich gelegenen Nebentreppe her und macht gleichzeitig die nach der Straße zu gelegenen Räume des Saalbaues einzeln zugänglich. Hiervon bilden die öſtlichen in jedem der unteren 4 Geſchoſſe eine geräumige Vorhalle, in welcher ſich der größte Verkehr an der Haupttreppe genügend entwickeln kann. Weſtlich von dieſer Vorhalle liegen nach vorn heraus im Erdgeſchoß die Wohnung des Schuldieners und des Heizers ſowie ein Zimmer zur Verabfolgung von Frühſtück an die Schüler, im 1. Stock die geräumige Bücherei für Lehrer und Schüler, im zweiten Geſchoß die Räume für den naturwiſſen⸗ ſchaftlichen, im dritten die für den phyſikaliſchen Unterricht, jedesmal mit einem beſonderen Hörſaal ausgeſtattet, deſſen Bankreihen anſteigend angeordnet ſind. Ein dritter derartiger Hörſaal iſt im 4. Obergeſchoß über den Vorhallen untergebracht und dient ebenſo wie die an dieſen Hörſaal ſich anſchließenden Räume der Straßenſeite dem Unterricht in der Chemie. In ſeiner Oſtecke enthält der Saalbau diejenigen Zimmer, welche für den Direktor und die Lehrer ſowie auch für den Schularzt beſtimmt ſind. Von allen dieſen Räumen aus iſt der Schulhof gut zu überſehen. Über den drei Eingangstüren in dem Kupferdach des Vorbaues ſind drei kleine Räume gewonnen, welche als Sprechzimmerchen für die Lehrer mit den Angehörigen der Schüler dienen. Verſchiedene Teile des Saalbaues, namentlich die ſämtlichen Räume des Zeichenunterrichts, ſind mit einem flachen Dach verſehen. Dieſe Plattformen können ſowohl im allgemeinen zum Aufenthalt im Freien benutzt werden, als auch für einige Unterrichtszwecke, hauptſächlich Zeichenunterricht und aſtronomiſchen Unterricht, aus⸗ genutzt werden. Die große Plattform über den Zeichenſälen hat an ihrer Südſeite eine überdeckte Säulenhalle erhalten, welche Schutz gegen Sonne und Wetter gewährt. Hier kann deshalb bei ungünſtigem Wetter ein Teil des aſtronomiſchen Unterrichts erledigt werden, während für die Beobachtungen durch das große Fernrohr ein noch etwa 12 m höher als die Plattform belegener runder Raum von etwa 3,5 m Durchmeſſer angelegt iſt, welcher durch eine drehbare Kuppel mit Beobachtungsſchlitz abgeſchloſſen iſt. Dieſe Kuppel liegt unmittelbar über den Vorhallen und bildet die höchſte Bekrönung des ganzen Gebäudes. Das Wohngebäude des Direktors enthält im Erdgeſchoß 3 Zimmer, welche ſich um eine Diele mit Treppe herumgruppieren, und die Küche mit Nebenräumen. Im Obergeſchoß liegen Schlafräume und ein Badezimmer, im Dachgeſchoß eine Waſchküche. Während das Wohngebäude eine Warm waſſerheizung erhalten hat, iſt für das Schulge⸗ bäude eine Niederdruckdampfheizung gewählt worden, und zwar weil es möglich war, den größeren Teil der Heizungsflächen in die unter der Erde belegenen Kellerräume zu verlegen, welche faſt ausſchließlich Heizungs⸗ und Lüftungszwecken dienen. Je nach der Windrichtung tritt die friſche Luft durch eine der nach allen vier Windrichtungen über Dach angeordneten Offnungen in das Haus ein und wird durch einen der vier im Innern angeordneten Lüftungsſchlote von je 1 qm lichtem Querſchnitt ſofort in das Kellergeſchoß ge⸗ leitet. Hier erfolgt zunächſt eine allgemeine Vorwärmung und alsdann noch eine zweite für jede der 24 Klaſſen⸗ räume getrennt in 24 unterhalb des jedesmaligen Zuluftkanals angeordneten Schränken. In den Klaſſen ſelbſt ſind dann nur noch kleine Heizkörper untergebracht, welche lediglich die Abkühlung der Fenſterfläche aufzuheben haben. Dieſe Anordnung ermöglicht es, eine ausreichende Regelung der Klaſſenwärme im Keller ſelbſt vor⸗ zunehmen, ohne daß der Heizer die Klaſſen zu betreten braucht, zumal ihn eine Fernthermometeranlage über die Wärme in den Klaſſen vollſtändig unterrichtet. Die Beleuchtung erfolgt durchweg durch elektriſches Glühlicht. Selbſt für den Zeichenſaal iſt entgegen den bisherigen Anordnungen kein Bogenlicht gewählt worden, wiel dies bei dem vorhandenen Wechſelſtrom ein zu unruhiges Licht gibt, ſondern Glühlichtlampen von 400 N.⸗K. Stärke. Nur für den Turnſaal ſind 6 Bogenlampen eingerichtet. Sämtliche Gebäudeteile haben außen im Erdgeſchoß eine Verblendung mit Rathenower Handſtrich⸗ ſteinen erhalten, die übrigen Geſchoſſe ſind mit Terranovaputz verſehen. Sandſtein iſt nur für das Geſims zwiſchen Erdgeſchoß und 1. Stock, für die Vorgartenmauer und für den Haupteingang verwendet. Dieſer hat an den vier Pfeilern Schmuckſtücke erhalten, welche den eintretenden Schüler an das erinnern ſollen, was er in die Schule mitbringen muß, wenn ſein Beſuch Erfolg haben ſoll: Fleiß (dargeſtellt durch Bienen), Ausdauer (Spinne), Verſtand (Eule) und Geſundheit (Schlange). In den Schlußſteinen weiſen die Abzeichen für Glaube, Liebe und Hoffnung auf die hauptſächlichſten Eigenſchaften des Herzens hin. Über dieſem Vorbau ſind im dritten Stock⸗ werk 6 Jünglingsgeſtalten in Lebensgröße durch Antragearbeit hergeſtellt. Sie ſollen die ſechs menſchlichen Organe, welche in der Schule ihre Hauptausbildung erfahren, verſinnbildlichen und ſo auf den Zweck des ganzen Gebäudes hinweiſen. In der Mitte dieſer Ausbildung ſteht Hirn und Herz; Auge und Ohr, ſowie Mund und Hand weiſen auf die übrigen Unterrichtszweige hin. Dieſe Figuren ſind ebenſo wie die Schmuckſtücke am Ein⸗ gang vom Bildhauer Profeſſor Riegelmann entworfen. Schulklaſſen ſind gewöhnlich nach außen hin durch die großen Fenſter genügend bezeichnet; da aber der Klaſſenflügel nach der Straße hin nur die Flure enthält, ſo mußte er hier auf andere Weiſe kenntlich gemacht werden. Wie auf der Wartburg das männliche und weib⸗ liche Leben nach mittelalterlichen Quellen durch Tierfiguren verſinnbildlicht, ſo ſind hier die Altersſtufen der Schüler durch Tierfiguren dargeſtellt. Am Klaſſenflügel ſind in einzelnen Feldern die Sextaner mit Lämmchen und Häschen, die Quintaner mit Kälbern, die Quartaner, bei denen ſich die Flegeljahre am meiſten zu zeigen pflegen, mit Böcken, die übermäßig im Wachſen begriffenen Tertianer mit Bären, die Selundaner mit Füllen und die Primaner mit Löwen verglichen worden. Auf den Zwiſchenfeldern ſind die Oſter⸗, Sommer⸗, Herbſt⸗ und Weihnachtsferien durch dieſen Zeiten entſprechende Pflanzen gekennzeichnet. Erſt wenn der Schüler die An⸗ ſtalt verläßt, iſt er zum wirklichen Menſchen geworden. Darauf weiſt im Mittelteil des Klaſſenbaues der menſch⸗ liche Kopf, umgeben von den Abzeichen der Weisheit und derjenigen Berufe, die er wählen kann. An dem öſtlichen Treppenhaus iſt zum Schmuck eine Sonnenuhr angebracht, welche ebenfalls ihre bildliche Bedeutung hat: Iſt doch die Sonne, das Licht, das hervorragendſte Sinnbild der Wiſſenſchaft. Der Zeiger der Sonnenuhr hat die Form einer Gänſefeder: Iſt doch die Feder die beſte Waffe der Wiſſenſchaft im Kampf gegen die Un⸗ wiſſenheit. Die Entwürfe zu dieſer Sonnenuhr ſowohl als auch zu der oben erwähnten Ausſchmückung des Klaſſenflügels ſind ein Werk des Kunſtmalers Wiegmann, ebenſo auch ihre Ausführung in Putz. In den Lei⸗ bungen der Ausgangstür, welche von dieſem Treppenhaus ins Freie führt, ſind aus dem Ziegel zwei Schul⸗ knaben herausgehauen: Der eine, der fleißige, jubelt nach Schluß der Schule der freien Natur entgegen, der andere macht ſich weniger vergnügt auf den Weg in banger Erwartung, daß ihm zu Hauſe eine ähnliche Be⸗ handlung bevorſteht, wie er ſie in der Schule erfahren hat. Beide Knaben ſind das Werk des Bildhauers Hans Latt. An dem daneben gelegenen Direktorwohnhaus ſind zwei Knabenfiguren in Galvanokupfer angebracht, welche auf die ſchriftſtelleriſche Tätigkeit des derzeitigen Inhabers der Dienſtwohnung hinweiſen. Sie ſtammen von dem Bildhauer Diedrich Roehling, während Hans Latt am Wohnungseingang noch eine Backſteinauskragung als Brunnen der Weisheit ausgebildet hat. Wenden wir uns nun dem Schmuck des innern Hauſes zu, ſo müſſen wir am Haupteingang beginnen. Von den vier ſtarken Granitſtützen, welche das Tonnengewölbe der Haupteingangshalle tragen, ſind die beiden mittleren ſäulenartig ausgebildet. Sie tragen gewiſſermaßen das ganze Haus, ähnlich wie Staat und Stadt Träger der Schulanſtalt ſind. Auf dieſen Vergleich deutet der an der Vorderſeite der Säulen angebrachte preu⸗ ßiſche Adler hin, welcher in ſeinen Klauen das Charlottenburger Wappen trägt. Auf der Rückſeite entſprechen dieſen Wappen zwei Jünglingsfiguren: ein Turner verrät die Nähe des Turnſaals, ein anderer mit