— 154 — XIII. Die ſtädtiſche Armen⸗ und Waiſenpflege. A. Allgemeines“. 1. Armenpflege. Das Rechnungsjahr 1908 ſchließt mit einer Geſamt ausgabe von 1 557 247 ℳ, 115 363 ℳ mehr als das vorige Jahr, ab. Im Vorjahr hatte die Mehr⸗ ausgabe gegen das Jahr 1906 nur 85 077 ℳ betragen; die Mehrausgabe des Jahres 1908 würde noch weſentlich höher ſein, wenn nicht eine Anderung in der Rechnungsführung inſofern eingetreten wäre, als die Koſten der Behandlung Armenkranker in den ſtädtiſchen Krankenhäuſern jetzt durch den Etat der Armenverwaltung dem der Krankenanſtalten mit 2,50 ℳ für den Verpflegungstag erſtattet werden, während die Koſten bisher nach den ſehr viel höheren Selbſtkoſten der Krankenhäuſer berechnet wurden. Da die Zahl der auf Armenkoſten Verpflegten gegen das Vorjahr von 1775 auf 2891 angewachſen iſt, würde die Ausgabeſumme, nach der früheren Art berechnet, 397 221 ℳ betragen haben, während nach der jetzigen Art der Berechnung nur 145 730 ℳ Koſten entſtanden ſind. Würde man die bisherige Art der Berechnung zugrunde legen, ſo ergäbe ſich eine Geſamtaus⸗ gabe der Armen⸗ und Waiſenpflege von 1 808 738 ℳ, und die Ausgabe auf den Kopf der Bevölkerung, die in der unten wiedergegebenen Tabelle auf 5,82 ℳ, alſo nur 0,22 mehr als 1907 berechnet iſt, würde ſich auf 6,76 ℳ ſteigern. Zieht man die uns wieder⸗ erſtatteten Beträge ab, ſo ſtellt ſich die Ausgabe auf den Kopf der Bevölkerung nur auf 4,58 ℳ, alſo nur um 2 Pf. höher als 1907, — nach der alten Berechnungsart allerdings immer noch auf 5,52 ℳ. Bei keiner der beiden Berechnungsarten ſtimmt, was hier beiläufig bemerkt ſei, das Endergebnis mit der Zahl überein, die der kaſſenmäßige Abſchluß des Armenetats in Ausgabe und Einnahme ergibt. Das liegt daran, daß hier nur die eigentlichen Ausgaben der Armen⸗ und Waiſenpflege und an Einnahmen nur die Rückerſtattungen berechnet ſind, während der Etat noch andere Ausgaben und Einnahmen (z. B. für die Berufs⸗ vormundſchaft, den Freiwilligen Erziehungsbeirat und ähnliches) nachweiſt. Auch die Koſten der Walderholungs⸗ ſtätten⸗Entſendungen fehlen in der Berechnung. Sie wurden früher nicht als Pflichtausgaben der Armenpflege angeſehen, und daher in den erſten Jahren abſichtlich und ſpäter im Intereſſe der Vergleichbarkeit der Berechnungen fortgelaſſen; 1908 haben ſie nicht weniger als 34 287 ℳ betragen. Legt man die Zahlen des Etats und des Kaſſenabſchluſſes zugrunde, ſo ſtellt ſich die Ausgabe und Einnahme des Jahres 1908 wie folgt: Soll⸗ Ausgabeue... 1 549 111,31 ℳ Soll⸗ Einnahmee 263 072,— „ mithin ſtädtiſcher Zuſchußß.. T 785 559,1 I ſt⸗ Ausgabeee..... 1 640 981,17 „ I ſt⸗Einahmee 342 006,62 „, mithin ſtädtiſcher Zuſchunß.. T 298 971,55 Der ſtädtiſche Zuſchuß hat ſomit für 1908, trotz der ungünſtigen wirtſchaftlichen Verhältniſſe, auf die gleich näher eingegangen werden wird, infolge von Minderausgaben gegen den Voranſchlag an einzelnen Stellen und von erheblichen Mehreinnahmen an Erſtattungen nur 12 935,24 ℳ mehr betragen, als im Voranſchlage angenommen worden war. Durch die Erſtattungen aufgewendeter Koſten, zuſammen 332 517 ℳ, ſind 21,35 % der Ausgabe von 1 557 247 ℳ gedeckt worden. Trotz der weſentlichen Erhöhung der Ausgabe gegen das Vorjahr darf man den Abſchluß, wenn man die ungeheuren Anforderungen berückſichtigt, die das Jahr 1908 mit ſeiner andauernden Arbeitsloſigkeit auf der einen, ſeiner fortgeſetzten Preis⸗ ſteigerung auf der andern Seite an die Armenverwaltung geſtellt hat, als nicht un⸗ günſtig bezeichnen. Die Ungunſt der wirtſchaftlichen Verhältniſſe hat ſich faſt auf allen Gebieten der Armen⸗ und Waiſenpflege ſchwer belaſtend geltend gemacht, und leider beſteht die Befürchtung, daß noch weitere Steigerungen unausbleiblich ſein werden. Die Zahl der eingegangenen ſchriftlichen Unterſtützungsgeſuche iſt gegen das Vorjahr von der gegen die früheren Jahre ſchon ſehr gewachſenen Zahl von 9027 auf nicht weniger als 13 316, alſo um faſt 50 vom Hundert, geſtiegen, von denen nur verhältnismäßig wenige, 1513, abgelehnt werden konnten. Daraus ergab ſich in faſt allen Zweigen der Verwaltung eine erhöhte Belaſtung. Vor allem gilt das für die baren Unterſtützungen und Pflegegelder, die gegen das Vorjahr allein eine Mehrausgabe von 86 000 und 42 000, zuſammen 128 000 ℳ aufweiſen. Die Ausgabe für Bekleidung iſt um 6000, die für Feuerung auf das Doppelte, von rd. 8000 auf über 16000 ℳ, die für Heilmittel aller Art um mehr als 7000, die für Geburtshilfe gleichfalls auf mehr als das Doppelte, die für die Entſendung in Heilanſtalten aller Art um 34 000 ℳ gewachſen; auch die Ausgaben für das ſtädtiſche Bürgerhaus haben ſich um etwa 24 000 ℳ erhöht. Die Steigerung der Ausgaben iſt aber nicht lediglich auf die Zunahme der 3a hl1 der die Armenhilfe in Anſpruch nehmenden Perſonen zurückzuführen. Freilich iſt auch ſie ſtark gewachſen: von 8635 des Vorjahres auf 10 030, d. h. von 3,35 auf 3,75 vom Vgl. „Amtliche Nachrichten der Charlottenburger Armenverwaltung“ XIII. Jahrg. Nr. 3 und 5, die teilweiſe eingehendere Berichte enthalten.