— 197 — Legt man dieſe Forderungen zugrunde, ſo darf die Entwicklung der Charlotten⸗ burger Sauglingsfürſorgeſtellen, wenn ſicher auch noch lange nicht alles Wünſchenswerte erreicht iſt, im Jahre 1908 als erfreulich bezeichnet werden. Die Säuglingsfürſorgeſtellen ſind im Jahre 1908 von 3 279 Säuglingen beſucht worden, von denen 2 333 im Laufe des Jahres neu aufgenommen worden ſind, während 946 aus dem Vorjahr in das neue Jahr hinübergenommen wurden. Da in Charlottenburg im Rechnungsjahre 1908 im ganzen 5 692 Kinder geboren worden ſind, würden die Säuglingsfürſorgeſtellen, wenn man annehmen könnte, daß alle ihnen zugeführten Säug⸗ linge imRechnungsjahre ſelbſt geboren ſind, von rund 57,6% aller überhaupt geborenen Kinder aufgeſucht worden ſein. Rechnet man die aus dem Vorjahre übernommenen Kinder ab, die ja ſchon im Jahre vorher geboren ſein müſſen, ſo würden die neu auf⸗ genommen e n noch rund 41% aller in dem Jahre geborenen Kinder ausmachen. Auch hiervon wird man, da ein Teil der Kinder vermutlich ſchon in dem vorangegangenen Jahre geboren ſein dürfte, einen gewiſſen Prozentſatz abrechnen müſſen. Immerhin bleibt die Zahl der die Fürſorge aufſuchenden Kinder ſo hoch, daß man faſt annehmen kann, daß nahezu alle einer Fürſorge bedürftigen Kinder, wenn auch nur für kurze Zeit, die Fürſorgeſtellen beſucht haben. Der Prozentſatz in Charlottenburg iſt bei weitem größer als der in Berlin, Schöneberg und Rixdorf. In Berlin ſind die Für⸗ ſorgeſtellen 1907 (neuere Zahlen ſind noch nicht bekannt geworden) von 15 509 Säuglingen aufgeſucht worden, während die Geburtenziffer (im Kalenderjahre) 1907 50 962 betragen hat; in Rixdorf ſind von 6379 im Jahre 1908 geborenen Säuglingen nur 1 335 der dortigen Fürſorgeſtelle zugeführt worden, in Schöneberg gar nur 480 von 3 203. Noch größer als der allgemeine Prozentſatz iſt in Charlottenburg der Prozentſatz der den Fürſorgeſtellen zugeführten unehelichen Kinder geweſen. Von 767 lebend⸗ geborenen unehelichen Kindern haben 1908 632 die Fürſorgeſtellen aufgeſucht. In Berlin hat die Zahl (1907) nur 2 222, in Rirdorf nur 148, in Schöneberg ſogar nur 41 betragen, trotz der hohen Geburtenziffer, die man auch dort für die Unehelichen annahmen darf. Der Anteil der unehelichen Kinder am Beſuch der Fürſorgeſtellen geht über den Prozentſatz der unehelichen Lebendgeburten in Charlottenburg weit hinaus: auf uneheliche Geburten entfielen 1908 14,5% aller Geburten, während 19,1% aller Kinder in Fürſorge unehe⸗ lich waren. Auch bezüglich der zweiten Forderung: des möglich ſt fr ü hzeitigen Auf⸗ ſuchens der Säuglingsfürſorgeſtellen, zeigen die Charlottenburger Fürſorgeſtellen, wenn freilich auch bei ihnen eine noch weitere Beſſerung dringend not⸗ wendig und ſicher erreichbar iſt, weſentlich beſſere Ergebniſſe als in Berlin und Rixdorf (Zahlen aus Schöneberg fehlen). In Berlin ſind nur 35% der Säuglinge vor Ablauf des erſten Lebensmonats in Fürſorge gekommen, in Rixdorf ſogar nur 21,6%: in Charlottenburg dagegen nicht weniger als 56,75%. Auch die Dauer des Verbleibens in der Fürſorge zeigt in Charlottenburg, ſo ſehr gerade hier die Zahlen noch zu wünſchen übrig laſſen, erheblich günſtigere Ergebniſſe als in Berlin und Rixdorf. In Berlin ſind von 15 509 Säug⸗ lingen etwa ein Drittel nur 1—8 Tage unter Aufſicht geweſen, d. h. nach dem erſten Be⸗ ſuch fortgeblieben; 7 232 Säuglinge, alſo faſt die Hälfte, waren ſchon nach einem Monat wieder ausgeſchieden; die durchſchnittliche Beobachtungsdauer hat 3,1 Monat, die durch⸗ ſchnittliche Zahl der Konſultationen 7,7 betragen. In Rir do rf ſind 23% der Kinder nur ein einziges Mal vorgeſtellt worden: über die Dauer des Verbleibens in der Fürſorge fehlen weitere Angaben; die Zahl der Konſultationen hat aber durchſchnittlich nur 5 be⸗ tragen. In Charlottenburg wurde jedes Kind durchſchnittlich 11,6 mal vorgeſtellt, alſo mehr als doppelt ſo oft als in Rixdorf und etwa 1 mal ſo oft als in Berlin. Schon nach einem Monat waren in Charlottenburg erſt 13,45%, ausgeſchieden; von den unehelichen freilich auch bei uns leider 26,66%, aber immer noch erheblich weniger als bei allen Kindern in Berlin. Dagegen ſind in Charlottenburg nur 55,53% aller Säuglinge weniger als 6 Monate in Fürſorge geweſen, dagegen 44,47%, als beinahe die Hälfte, länger als 6Monate, und 29,25% davon, alſo etwa dreizehntel, länger als 9 Monate. Auch bei den unehelichen Kindern ſind hier die Prozent⸗ ſätze, wenn ſie auch hinter dem Durchſchnittsſatz etwas zurückbleiben, noch immer recht erfreulich hoch: 36,79% waren über 6 Monate und 22,53% davon über 9 Mo⸗ nate in Fürſorge. Alle dieſe Zahlen, die im einzelnen aus den unten abgedruckten Tabellen erſichtlich ſind, ſind deshalb beſonders erfreulich, weil ſie zeigen, daß die Mütter nicht, wie anderwärts vielfach feſtgeſtellt werden mußte, ſofort aus der Fürſorge fort⸗ bleiben, ſobald die Stillunterſtützungen aufhören. In Charlottenburg ſind nur 33,39%, alſo ein Drittel, in den erſten 3 Monaten der Fürſorge ausgeſchieden, für die allein 1908 Unterſtützung an ſtillende Mütter gewährt wurde, während zwei Drittel länger, zum Teil ſehr lange Zeit, faſt 11% ſogar länger a Is 12 Monate, in Fürſorge verblieben ſind. Ausdrücklich als wegen Aufhörens der Stillunterſtützung ausgeſchieden ſind nur 10 Kinder feſtgeſtellt. Hauptaufgabe der Fürſorgeſtellen iſt es, wo es irgend möglich iſt, die natürliche Ernährung der Kinder zu erreichen. Wie ſchon im Vorjahre, iſt auch diesmal die Zahl der natürlich ernährten Kinder, die in den Fürſorgeſtellen vorgeſtellt wurden, außer⸗ ordentlich groß geweſen. Im Augenblick der Aufnahme in die Für⸗