— 153 — tätigkeit, mit ihren Unterabteilungen, der öffent lichen Schreibſtube für ſtellen⸗ loſe Kaufleute und der Jugen dgerichtshil f e. In den Räumen der Vereinigung der Wohltätigkeitsbeſtrebungen ſind außerdem untergebracht: 1. Der Hauspflegeverein, der bezweckt, unbemittelten Kranken, vorzugsweiſe Wöchnerinnen, zu billigen Preiſen oder, wenn nötig, unentgeltlich Pflegerinnen ins Haus zu geben. 2. Der Eliſabeth⸗Frauenverein, der unentgeltlich bedürftige Wöchnerinnen mit Suppen und mit Babyzeug verſorgt. Die Auskunftsſtelle des gemeinnützigen Vereins für Rechtsauskunft in Groß⸗Berlin und 4. die Kechtsauskunftsſtelle für Frauen, beide für Unbemittelte. Als ſt äd tiſche Einrichtungen haben im Hauſe Unterkunft gefunden: 1. Die Fürſorgeſtelle für Lungenkranke, für die die Räume (Wartezimmer, Auf⸗ nahmezimmer, ärztliches Unterſuchungszimmer nebſt Laboratorium, Schweſternzimmer und Bureauräume) nach den Angaben der Stadt eingerichtet worden ſind. Die ſtädtiſche Fürſorgeſtelle arbeitet mit der Lungen⸗ krankenfürſorge vom Roten Kreuz in der Weiſe zuſammen, daß deren Schweſtern den Außendienſt verſehen. 2. Die Fürſorgeſtelle für Alkoholkranke. Für dieſe Räume, ſowie für die oben genannten Räume der verſchiedenen, nicht dem Verein ſelbſt gehörigen Wohlfahrtseinrichtungen und für die Säuglingsfürſorgeſtelle zahlt die Stadt an den Verein angemeſſene Mieten. Schließlich haben im Hauſe die internationale Vereinigung zur Be⸗ kämpfung der Tuberkuloſe und die Kurhausbetriebsgeſellſchaft, die die Unterhaltung eines deutſchen Sanatoriums auf Teneriffa verfolgt, Geſchäfts⸗ ſtellen errichtet. Zwei im Vorderhauſe befindliche L ä den ſind vermietet, der eine davon an eine Firma, welche mediziniſche Waren vertreibt. Nachdem zwar bereits am 11. Juni 1907 die Grundſteinlegung ſtattgefunden hatte, konnte doch, da eine weſentliche Umarbeitung des Entwurfes infolge der erwähnten Er⸗ weiterungen des Programms nötig wurde, erſt im Februar 1908 mit der vollen Bau⸗ tätigkeit begonnen werden. Nachdem der umfangreiche Rohbau ſchon im Herbſt fertig⸗ geſtellt war, konnte der innere Ausbau, welcher unter ebenfalls ehrenamtlicher Leitung des Stadtbauinſpektors Walter in Vertretung des erkrankten Entwurfsbearbeiters zur Ausführung kam, noch in demſelben Winter erfolgen. Schon im April 1909 wurden dann einzelne Bauteile bezogen. Die feierliche Einweihung des geſamten Baues fand am 2. Mai 1909 ſtatt. Baubeſchreibung. Die etwa 2800 qm große, nicht weit vom Rathauſe in der Berliner Straße gelegene Bauſtelle hat eine eigentümliche hakenartige Form. Sie erſtreckt ſich bei einer Straßenbreite von nur 18 m bis zu einer Tiefe von etwa 162 m. Die Wahl gerade eines ſolchen ungewöhnlichen Grundſtücks erklärt ſich damit, daß das Bauland, welches in beſter verkehrsreicher Gegend und zwar wegen der ſtändigen Beziehungen zu den ſtädtiſchen Behörden nahe dem Rathauſe liegen mußte, doch möglichſt billig ſein ſollte, eine Forderung, die ſich nur bei ſchmaler Straßen⸗ front mit vielem Hinterlande erfüllen ließ. Die Bebauung, für welche als oberſte Richtſchnur galt, allen Räumen ſo viel als irgend mög lich Licht, Luft und Sonnenſchein zu gewinnen, erfolgte längs der nördlichen und weſtlichen Grenzen. So gehen nun die meiſten Fenſter der Haupträume nach Oſten, Weſten und Süden und erhalten direkten Sonnenſchein. Die Nebenräume und Flure ſind durch eingeſchaltete Lichthöfe beleuchtet und können vor allen Dingen gut durchlüftet werden. Das Haus iſt techniſch und hygieniſch mit allen Errungenſchaften der Neuzeit ausgeſtattet. Es hat Warmwaſſerheizung, teilweiſe künſtliche Lüftung, Warmwaſſerverſorgung, eine Kühlanlage, Gas⸗ und Elektrizität zu Licht⸗ und Kraftzwecken, eine Staubſaugeanlage, ſowie eine eigene Hausfernſprechanlage erhalten. Die in großem Umfange erforderliche Speiſenbereitung erfolgt mit Hilfe von Dampf in einer Zentralküche, von der aus die Speiſen durch Aufzüge nach den verſchiedenen Anrichten des Sanatoriums und den Entnahme⸗ ſtellen der anderen Betriebe befördert werden. Nur die Wohnungen und die Krippe haben Einzelküchen erhalten. In einer mit elektriſchem Betriebe verſehenen Dampfwaſchküche wird die Wäſche behandelt. Mehrere Perſonenfahrſtühle, — der im Sanatorium befindliche für Krankentransport berechnet und bis zum 444. hinaufreichend —, Wäſcheaufzug und Speiſeaufzüge, alle elektriſch betrieben, erleichtern den Verkehr im Hauſe. Die Gebäude ſind durchweg maſſiv aus dauerhaftem und auf Hygiene und Sauberkeit beſonders Rückſicht nehmendem Material erbaut. Dabei iſt verſucht, bei aller Sparſamkeit doch auch der Echtheit der Stoffe ſowie der äußeren Schönheit Rechnung zu tragen. 0 Der Sockel iſt durchweg aus Beuchaer Granit, die Architekturgliederungen der Höfe ſind aus Tuffſtein, die der Faſſade aus Harzer Muſchelkalk. Die Flächen ſind vorwiegend in hydrauliſchem Mörtel geputzt. Die Dächer ſind mit roten holländiſchen Pfannen eingedeckt. Die einzelnen Höfe ſind, wenn auch mit durch die Sparſamkeit und Zweckbeſtimmung gebotener Einfachheit, doch faſſadenmäßig ausgeſtaltet, und zwar bietet, um der ſich langhin erſtreckenden Anlage die Langeweile zu nehmen ſowie auch das Zurechtfinden zu erleichtern, jeder Hof ein in Form und Farbenſtimmung neues Bild, belebt durch einige architektoniſche Motive, einen Portalvorbau, einen Blumenerker uſw. Zur Vergrößerung der Hof⸗ und Gartenflächen und zur Schaffung ruhiger vom Verkehr nicht berührter Plätze ſind, wo irgend möglich, Dachgärten angelegt. Der ganzen Anlage kommt zuſtatten, daß ſie inmitten großer Gärten der Nachbarhäuſer liegt. Die an der Berliner Straße gelegene Hauptfaſſade iſt naturgemäß reicher ausgeſtattet. Eine mächtige Durchfahrt, im Innern überdeckt mit einer gebrochenlinigen Kaſſettendecke aus Majolika⸗Material der Königlichen Werkſtätte in Cadinen, läßt erkennen, daß das Gebäude ſich weit ins Innere erſtreckt. Der wuchtige Portalbau, ein im oberſten Stocke ſich über die ganze Breite hinziehender, den Schweſtern als Freiſitz dienender Pfeilergang und darüber ein ſich breit lagernder Giebel, im übrigen jedoch Verzicht auf kleinliche Gliederungen, verleihen dem Bau, der ſich als öffentliches Gebäude gegenüber den benachbarten Miethäuſern kennzeichnen ſollte, trotz der an ſich ſchmalen Front monumentalen Charakter. Ein kupferner Dachreiter von ernſter Form iſt beſtimmt, da die Faſſade ſtark von alten Lindenbäumen verdeckt wird, weithin das Zeichen des Roten Kreuzes in weißem Felde zu Ru und damit dem Hilfeſuchenden wie dem Hilfebringenden zu ſagen, daß hier eine Stätte werktätiger ächſtenliebe iſt. 20