— 191 Reinigung der Wohnung und der Wäſch e. Ausgaben dieſer Art werden bei noch nicht laufend Unterſtützten nicht mehr aus dem Armenetat beſtritten. Eine weitere Neuerung ergab ſich aus dem Bedürfnis, gewiſſe Kranke vor der Entſcheidung über die Einleitung des Heilſtättenverfahrens einige Zeit lang ge⸗ nauer zu beobachten, als dies bei der bloßen auch wiederholten Unterſuchung in der Fürſorgeſtelle für gewöhnlich möglich iſt. Es handelt ſich ſowohl um Fälle, bei denen die Diagnoſe noch nicht ganz ſicher feſtſteht, bei denen deshalb durch genaue Beobachtung, Fiebermeſſung, probatoriſche Tuberkulinimpfung die Diagnoſe ſicher geſtellt werden ſoll, als auch um Fälle, bei denen es zweifelhaft iſt, ob ſie ſich noch für die Heilſtätten⸗ behandlung eignen. Da das ſtädtiſche Krankenhaus Weſtend Wert darauf legte, daß dieſe Aufnahmen zur Beobachtung dort erfolgen, werden ihm dieſe Kranken überwieſen. Während die Leichtkranken faſt immer willig das Krankenhaus aufſuchen, zeigte ſich bei den Schwerkranken öfter eine Abneigung dagegen, weil ſie offenbar fürchteten, die Heilſtättenbehandlung könnte unterbleiben. In ſolchen Fällen wurde die Temperatur der Kranken von einer Schweſter im Hauſe gemeſſen, die Kranken wurden mehrmals in der Fürſorgeſtelle unterſucht, und danach entſchieden, ob für ſie Heilſtättenbehandlung beantragt werden konnte oder nicht. In der Zeit vom 1. November 1909, wo dieſe Über⸗ weiſungen begannen, bis 1. April 1910 wurden dem Krankenhauſe Weſtend 68 Leichtkranke und 5 Schwerkranke zur Beobachtung überwieſen; 10 Kranke haben ſich nicht aufnehmen laſſen, obwohl ſie zunächſt damit einverſtanden waren, und 17 Schwerkranke lehnten von vornherein die Aufnahme ab. Zur Sicherung der Diagnoſe und auch für die Prognoſe ſind in erheblichem Umfange ſeit längerer Zeit auch die Röntgen⸗Unterſuchungen benutzt worden. Nach der Überſiedeiung der Fürſorgeſtelle in das Cecilienhaus wurden ſie zunächſt längere Zeit in dem dort eingerichteten Röntgen⸗Inſtitut vorgenommen; es war ein beſonderer Vorteil, daß dort auch zahlreiche Patienten durchleuchtet werden konnten. Leider iſt der Betrieb des Inſtituts wieder eingeſtellt worden, ſo daß jetzt die Aufnahmen wieder wie früher in der Anſtalt von Dr Immelmann⸗Berlin erfolgen. Die Röntgen⸗Photographie hat ſich für gewiſſe Fälle als unentbehrliches Hilfsmittel für die Diagnoſe wie für die Prognoſe erwieſen; Vorausſetzung iſt allerdings, daß die Bilder ſo ausgezeichnet und für die Deutung des Befundes einwandfrei ſind wie die Immelmann'ſchen. In einer ganzen Reihe von Fällen waren die Photographien geradezu ausſchlaggebend. Die ſtädtiſchen Körper⸗ ſchaften haben auf den Antrag der Fürſorgeſtelle nach Schluß des Berichtsjahres für das lauf ende Jahr weſentlich erhöhte Mittel zur Vornahme von Röntgen⸗ aufnahmen bewilligt. Wie ſchon erwähnt, arbeitet die Fürſorgeſtelle mit den verſchiedenen Zweigen der ſtädtiſchen Verwaltung, insbeſondere der Armen⸗ und Waiſenverwaltung, in engſter Weiſe Hand in Hand. So wird ſeit mehreren Jahren bei je der Prüfung e iner Stelle, in die von der Stadt Pflegekinder untergebracht werden ſollen, zunächſt bei der Fürſorgeſtelle feſtgeſtellt, o b in der Familie etwa ein Lungenkranker vorhanden iſt. So überweiſt weiter die Armen⸗ direftion wie die Waiſenverwaltung und der ſtäd tiſche Frei⸗ willige Erziehungsbeirat ſtändig der Fürſorgeſtelle Perſonen zur Unterſuchung und Begutachtung und event. Aufnahme in die Fürſorge, beim Erziehungsbeirat namentlich auch bezüglich der Berufs wahl der Schulentlaſſenen. Um jedem Kranken, der ärztlicher Hilfe bedarf, die ärztliche Hilfe ſo leicht erreichbar als möglich zu machen, iſt die Fürſorgeſtelle ermächtigt worden, jeden Kranken, bei dem ſie eine ärztliche Behanlung für er⸗ forderlich erachtet, der aber nach ihrer Prüfung nicht in der Lage erſcheint, einen Privatarzt zu bezahlen und keiner Kaſſe angehört, direkt dem Armenarzt ur Behandlung zu überweiſe n. Das geſchieht namentlich regelmäßig nach Abſchluß einer Heilſtättenbehandlung, falls weitere ärztliche Uberwachung und Be⸗ handlung für erforderlich erachtet wird. Der Armenarzt iſt befugt, nötigenfalls auch die erforderüüchen Stärkungsmittel, insbeſondere Milch, für Rechnung der Armenverwaltung zu verordnen, ohne daß dadurch die politiſchen Rechte der Empfänger irgendwie beein⸗ trächtigt werden. Von der im letzten Jahre für nicht weniger als 22 195 ℳ auf ärztliche Verordnung an Arme gelieferten Milch entfällt ein großer Teil auf die ſo verſorgten Lungen⸗ kranken. Als eine Hauptaufgabe der Fürſorge für die Lungenkranken und der Bekämpfung der Tuberkuloſe wird von der Fürſorgeſtelle nach wie vor die Verſchaffung von He il⸗ ſtättenkuren bei Kranken im Anfangsſtadium angeſehen. Sie ſteht auf dem Standpunkt, daß die Heilſtättenbehandlung, wenn ſie nur frühzeitig genug ein⸗ geleitet wird, dauernd Erwerbsfähigkeit und Geſundheit wiederbringen kann. Dies wird auch eine demnächſt zu veröffentlichende umfangreiche Statiſtik der ſämtlichen Heilſtätten⸗ behandlungen aus Charlottenburg dartun. Im Jahre 1909 wurde auf ſtädtiſche Koſten für 313 Perſonen Behandlung in Lungenheilſtätten und Seehoſpizen und für 11 Kinder mit Knochen⸗ tuberkuloſe eine Kur im Cecilienheim Hohenlychen beantragt, dem auch zwei Kinder auf von der Stadt geſtiftete Freiſtellen überwieſen wurden.