— 202 — Waiſenrat und die Waiſenpflegerinnen der Bezirke auch durch den Stadtarzt dauernd ärztlich überwacht worden, wie auch darauf gehalten worden iſt, daß ſie die Säug⸗ lingsfürſorgeſtellen regelmäßig beſuchen. Die im Vergleich zu der der ehelichen hohe Sterb⸗ lichkeit der unehelichen Kinder hat am 1. Juli 1910 zu einer Anderung in der Überwachung — der zweiten oben erwähnten Neuerung — Anlaß gegeben. Alle dieſe Kinder werden jetzt bis zum vollendeten erſten Lebensjahre in erſter Reihe durch die Säuglingsfürſorgeſtellen beaufſichtigt, deren Schweſternzahl dazu um zunächſt 3 vermehrt worden iſt. Es darf erhofft werden, daß dieſe Uberwachung durch berufsmäßige, mit den Anſchauungen der modernen Säuglingsfürſorge vertraute Kräfte dazu beitragen wird, die Sterblichkeit der unehelichen Kinder auch in Charlottenburg der der ehelichen all⸗ mählich anzunähern. Schon nach der Zahl der Kinder, die davon Gebrauch gemacht haben, müſſen als eine der bedeutſamſten, wenn nicht die bedeutſamſte Einrichtung auf dem Gebiete des Säuglings⸗ ſchutzes die Sänglingsfürſorgeſtellen angeſehen werden. Ihr Betrieb iſt von der Stadt, die ſie eingerichtet hat und die Koſten trägt, dem Vaterländiſchen Frauenverein und dem Eliſabeth⸗Frauenverein übertragen worden. Neben den Arzten, den Schweſtern und den ſonſtigen beſoldeten Kräften haben in ihnen auch im abgelaufenen Jahre wieder zahl⸗ reiche Damen ehrenamtlich mitgearbeitet, wofür ihnen allen auch diesmal an dieſer Stelle der wärmſte Dank ausgeſprochen werden muß. Im vorigen Jahresbericht haben wir dreierlei als notwendig bezeichnet, wenn die Säuglingsfürſorgeſtellen ihren Zweck erfüllen ſollen: Die Säuglinge müſſen ihnen, ſoweit ſie der Fürſorge bedürfen, mög lich ſt vollzählig und weiter möglich ſt frühzeitig zugeführt werden, und möglichſt lange in ihrer Beobachtung bleiben. Schon im vorigen Jahre konnte die Entwicklung der Für⸗ ſorgeſtellen in dieſen Richtungen als erfreulich bezeichnet werden; das Jahr 1909 zeigt hier einen weiteren erfreulichen Fortſchritt. Die 6 Säuglingsfürſorgeſtellen ſind 1909 von insgeſamt. 3561. Kindern aufgeſucht worden, d. h., wenn man die Geburtenziffer des Jahres 1909 mit 5656 als Vergleichs⸗Maß⸗ ſtab nimmt, von 63,96% der im Jahre 1909 geborenen Kinder, oder wenn man die 1152 aus dem Vorjahre in das Jahr 1909 übernommenen Kinder abrechnet, von rund 42% der 1909 geborenen Kinder. In Wirklichteit iſt, wie im vorigen Bericht näher ausgeführt, der Prozentſatz geringer, da ja ein Teil der Kinder im Jahre vorher geboren ſein kann: immerhin aber außerordentlich hoch, wenn man ihm gegenüberſtellt, daß nach dem (zur Zeit allein vor⸗ liegenden) Bericht für das Jahr 1909 in Rixdorf nur 26,3% der 1909 geborenen Kinder, alſo noch nicht halb ſo viel als in Charlottenburg, die dortige Fürſorgeſtelle beſucht haben. Schon im vorigen Jahre war der Prozentſatz der unehe lichen die Fürſorgeſtelle aufſuchenden Kinder größer als der Prozentſatz der in dem Jahre geborenen unehelichen Kinder. In dieſem Jahre iſt hier eine weitere Steigerung zu verzeichnen, da, in derſelben Weiſe berechnet, von 896 im Jahre 1909 geborenen unehelichen Kindern nicht weniger als 783, d. h. rund 87% (in Rixdorf nur 200 von 533, alſo noch nicht 38%) in den Fürſorgeſtellen vorgeſtellt worden ſind; auf ſie entfallen rund 22% aller vorgeſtellten Kinder, während ihr Anteil an den Geburten nur etwa 16% ausmacht. Auch bezüglich der zweiten Forderung: des m ö glich ſt frühzeitigen Auf⸗ ſuchens der Säuglingsfürſorgeſtellen, zeigt das Jahr 1909 gegen das Vorjahr mit ſeinen gegenüber den Zahlen aus Berlin und Rixdorf ſchon recht günſtigen Ziffern eine noch weitere Beſſerung. In den erſten 8 Tagen nach der Geburt haben allerdings nur 11,43% (1908: 11,32%) die Fürſorgeſtellen aufgeſucht: im er ſt en Monat nach der Geburt aber bereits 58,22% (1908: 56,75%, in Rixdorf 1909 nur 31,9%), innerhalb der erſten 2 Monate ſchon 77,41% (1908: 76,21%, in Rixdorf 1909 54,5%) und in den er ſten 3 Lebensmonaten 84,68% (1908 83,74%, in Rixdorf 67,5%). Auch die Dauer des Verbleibens in der Fürſorge hat ſich weiter günſtig geſtaltet. Während 1908 jedes Kind durchſchnittlich 11,6 mal vorgeſtellt wurde (mehr als doppelt ſo oft als in Rixdorf und etwa 1½ mal ſo oft als in Berlin) ent⸗ fallen 1909 auf jedes Kind durchſchnittlich 12,! Konſultationen gegenüber nur 4,7 in Rixdorf. Das ſchließt leider nicht aus, daß auch in Charlottenburg ein Teil der Kinder ſchon nach verhältnismäßig kurzer Zeit aus der Fürſorge ausſcheidet. Nach einem Monat waren 1909 13,70%, 11,09% eheliche und bedauerlicherweiſe 22,58 % uneheliche Kinder, bereits wieder ausgeſchieden, — da 1908 nach einem Monat ſchon 26,66% uneheliche Säuglinge wieder ausgeſchieden waren, immerhin auch hier eine kleine Beſſerung. Im ganzen zeigt ſich aber auch hinſichtlich der Dauer 1909 eine unverkennbare Wendung zum noch günſtigeren. Nur 55,24% aller Kinder (1908: 55,53%) waren weniger als 6 Monate, dagegen 44,76% (1908: 44,47%) länger als 6 Monate, und von ihnen 30,20% (1908: 29,25%) länger als 9 Monate in Fürſorge. 11,09% der