— 12 — Ich verpflichte Sie durch Handſchlag an Eidesſtatt auf die treue und gewiſſenhafte Führung Ihres Amtes unter Hinweis auf den von Ihnen bereitsabgeleiſteten Eid und überreiche Ihnen die An⸗ ſtellungsurkunde für Ihre neue Amtsperiode. — Gott ſei mit Ihnen und Ihrer Arbeit! Hierauf nahm Stadtverordnetenvorſteher Kaufmann das Wort: Mein hochverehrter Herr Schulrat! Mir liegt die angenehme Pflicht ob, mich im Namen der Stadtverordnetenverſammlung dem Danke anzuſchließen, den der Herr Oberbürgermeiſter Ihnen namens des Magiſtrats für Ihre Tätigkeit ſeit Ihrer Erwählung zum Stadtſchulrat ausge⸗ ſprochen hat. Wenn ein Gebiet der ſtädtiſchen Verwaltung der Stadtverordnetenverſammlung am Her⸗ zen liegt, ſo iſt es das der Schule und insbeſondere das der Volksſchule. Auf dem Gebiete der Volks⸗ ſchule haben Sie ſo Hervorragendes in dieſen zwölf Jahren geleiſtet, daß Sie die Erwartungen, die wir an Ihre Wahl geknüpft hatten, bei weitem übertroffen haben. Ich kann nicht unterlaſſen, auch insbeſon⸗ dere Ihres Verdienſtes rühmend zu gedenken, das Sie ſich durch Errichtung der Waldſchule erworben haben, eines Unternehmens, das nicht allein in Deutſchland und in Europa, ſondern in den über⸗ ſeeiſchen e überall voll und ganz gewürdigt, ja deſſen Nahahmung in den weiteſten Kreiſen an⸗ ſtrebt wird. Ich wünſche Ihnen, daß Sie weiter in voller Geſundheit Ihren Pflichten obliegen können; ich wünſche Ihnen das und wünſche es der Stadtgemeinde, die unter Ihrer Führung das Schulweſen zu einer Höhe ſich hat entfalten ſehen, die es überall als muſtergültig erſcheinen läßt. Ich heiße Sie herzlich im Namen der Stadtverordnetenverſammlung willkommen. In ſeiner Antwort führte ſodann Stadtſchulrat Dr. Neufert aus: Für die freundlichen und anerkennenden Worte ſage ich Ihnen, hochverehrter Herr Ober⸗ bürgermeiſter, meinen aufrichtigſten Dank. Wenn das in voller Blüte übernommene Schulweſen Charlottenburgs in den letzten 12 Jahren ſich noch gehoben hat, ſo bin ich mir ſehr wohl be⸗ wußt, daft es keinesfalls mein Verdienſt allein iſt, ſondern daß es geteilt wird mit den ausgezeichneten Männern, mit denen ich in Deputationen und Magiſtrat zuſammenzuarbeiten die Ehre hatte. Das iſt ja gerade ein ſo großer Vorzug unſerer Städteordnung, daß ſie den einzelnen Arbeiter lehrt, zurückzu⸗ treten hinter dem Kollegium, hinter der Körperſchaft, mit der er durch gemeinſame Ziele und Intereſſen verbunden iſt. Auch Ihnen, hochverehrter Herr Stadtverordnetenvorſteher, danke ich für die warme Begrüßung beim Eintritt in meine zweite Wahlperiode, und ich verbinde damit zugleich meinen herzlichen Dank gegenüber der Stadtverordnetenverſammlung ſelbſt ſowohl für das mir durch die Neuwahl ausgeſprochene Vertrauen als auch für die tatkräftige Unterſtützung, welche ich von ihr während meiner ganzen Amts⸗ führung erhalten habe. Es gereicht mir zur beſonderen Freude und zu einigem Stolze, heute ſagen zu den 1 daß innerhalb dieſer 12 Jahre keine einzige Schulvorlage von dieſer Verſammlung abgelehnt worden iſt. Als ich ſeinerzeit in das Amt eintrat, zogen ſich hier wie anderorts ſchwere Gewitterwolken zu⸗ ſammen infolge der Haltung der königlichen Schulaufſichtsbehörden gegenüber den ſtädtiſchen Schulver⸗ waltungen. Nichts iſt ſo charakteriſtiſch für die damalige Situation als der Umſtand, daß ein hervorra⸗ gendes Mitglied dieſer Verſammlung kurz vorher die Annahme des neu geſchaffenen Amtes abgelehnt hatte, weil es meinte, ohne die ſtaatlichen Schulaufſichtsrechte nicht die genügende Garantie zu einer gedeih⸗ lichen Wirkſamkeit in dieſem Amte zu haben. Seitdem haben ſich die Verhältniſſe zwar etwas geklärt; aber ſie ſind kaum beſſer geworden; iſt es doch in den letzten Jahren üblich geweſen, daß faſt jede Schul⸗ geſetzvorlage und auch mancher Miniſterialerlaß dazu benützt wurde, die bisher von den Städten ausge⸗ übten Rechte an den Schulen zu kürzen, und wer möchte ſagen, daß dieſe den Städten abholden Be⸗ ſtrebungen ſchon ihren Abſchluß gefunden haben! In ſolchen ſchweren Stunden waren es beſonders zwei Umſtände, welche der Schulverwaltung immer wieder neuen Mut gaben: neben der treuen Anhänglichkeit der Charlottenburger Lehrerſchaft zur Stadt die energiſche Unterſtützung durch dieſe hohe Verſamm⸗ 10 Möge das auch in Zukunft ſo ſein, und möge dieſen Ihren Bemühungen guter Erfolg beſchieden ſein! Gewiß, hochverehrter Herr Oberbürgermeiſter, noch viele Aufgaben ſtehen uns bevor. Ich erinnere an die Ausgeſtaltung des höheren Mädchenſchulweſens, an die weitere Durchführung der Maßnahmen zur Hebung der Volksſchulen, an die Fürſorge für das vor⸗ und nachſchulpflichtige Alter, an die Errichtung von Spielplätzen, botaniſchen Gärten u. a.; ich erinnere endlich noch an die Sorge für die ſittlich gefährdeten Kinder. Gern will ich, was mir an Kräften geblieben iſt, der Löſung dieſer ſchönen Aufgabe widmen, nach wie vor von dem Grundſatze geleitet, daß die Maßnahmen der Schule nach Mög⸗ lichkeit der Natur des einzelnen Kindes, ſeinen körperlichen und geiſtigen Anlagen, entſprechen müſſen, und unbekümmert darum, ob die Verwaltungsarbeit ſich dadurch mehrt, und ob die Maßnahmen in das bisherige Schema leicht hineinpaſſen. Ich hoffe, daß uns dabei auch die wohlwollende Förderung der Königlichen Regierung und ihrer Organe, die uns in den letzten Jahren in ſo reichem Maße zuteil ge⸗ worden iſt, erhalten bleibt, und ich hoffe auch, daß uns dabei die freudige Mitwirkung unſerer Lehrer⸗ ſchaft bewahrt wird, von deren Geſchicklichkeit und treuer Pflichterfüllung das Gelingen doch in letzter Reihe abhängt. Dann wird es auch in Zukunft mit dem Charlottenburger Schulweſen vorwärts gehen zum Heile unſerer lieben ſtädtiſchen Jugend! Durch das im Anhange abgedruckte Ortsſtatut (vergl. Anhang Nr. 1) vom 31. 12. 10/10. 1. 11 wurde die Zahl der Magiſtratsmitglieder vom 1. Februar 1911 ab um einen beſoldeten Stadtrat (Arzt und Hygienik er) vermehrt, ſo daß das Kollegium nunmehr aus 11 beſoldeten und 15 unbeſoldeten Mitgliedern beſteht. Die Ver⸗ mehrung der Zahl der Magiſtratsmitglieder um ein beſoldetes für Hygiene ſachverſtändiges Mit⸗ glied erſchien geboten, um bei der Fülle der von der Stadt zu bewältigenden hygieniſchen Auf⸗ gaben und bei der hohen Bedeutung der Hygiene für die Geſamtheit in der Zentralinſtanz (Magiſtrat) ein Hauptamt zu ſchaffen, deſſen Inhaber ſeine ganze Zeit und Kraft, ſein ganzes Wiſſen und Können auf hygieniſchem Gebiete im Dienſte der Stadt einzuſetzen vermag. In dieſes Amt wurden in der Stadwwerordnetenſitzung am 25. Jannar 1911 der bereits ſeit 1 g2 e 1906 als unbeſoldeter Stadtrat tätige Sanitätsrat Dr. Adolf Gott ſtein ge⸗ ählt.