— 15 — Die Einführung erfolgte am 8. März 1911 durch den Oberbürgermeiſter mit folgen⸗ den Worten: Als im Jahre 1897 zum 1. Januar 1898 die Deputation für die Geſundheitspflege gebildet wurde, da wurden ihr folgende vier Arbeitsgebiete überwieſen: die Volksbadeanſtalt, die öffent⸗ Bedürfnisanſtalten und die Desinfektionsanſtalt — ein etwas mageres Programm; aber hinzu⸗ gefügt wurde, es ſolle die Aufgabe der Deputation ſein, die öffentliche Geſundheits⸗ pflege durch vorbeugende und ſonſtige Maßregeln fortzubilden und über⸗ haupt zu heben. In dieſen Worten liegt die Möglichteit einer bedeutſamen Erweiterung des mageren Programms. Die Stadt Charlottenburg, meine hochverehrten Herren, hat es ſich in den verfloſſenen 13 Jahren denn auch in der Tat angelegen ſein laſſen, das Programm auf das reichſte zu entfalten und eine Fülllle von Maßnahmen, die der Geſundheitspflege dienen, zu ergreifen. Ich möchte es mir heute nicht verſagen, einen kurzen Ueberblick über die hauptſächlichſten Gebiete zu geben, auf denen die Stadt Charlottenburg die ſozialpolitiſchen Verpflichtungen auf dem Gebiete der Geſundheitspflege zu erfüllen ſich hat angelegen ſein laſſen. Im Vordergrunde ſteht die Sorge für die Kranken, welche an den allgemeinen Krank⸗ heiten leiden. Dieſer Sorge ſind wir nachgekommen durch den Bau des Krankenhauſes in Weſtend, das ſich ausgezeichnet bewährt hat. Hier haben wir bald angefangen zu differenzieren, indem wir nicht nur eine innere, ſondern auch eine chirurgiſche Station darin errichteten und weiter ausbauten, indem wir auch für die Infektionskrank⸗heiten beſondere Pavillons errichteten und ſchrittweiſe auch auf dem Gebiete anderer Krankheiten vorgingen, namentlich durch die Errichtung eines Pavillons für Frauenkrankheiten von einigen 60 Betten. An die Infektionskrank⸗ heiten möchte ich die Geſchlechtskrankheiten anreihen, für die in größerem Maße noch als bisher in dem Hauſe in der Kirchſtraße Vorſorge getroffen wurde. Wir haben dann begonnen, eine große Geburtsklinit, ein Geburtskrankenhaus auf dem Gelände neben dem Auguſte⸗ Viktoria⸗Hauſe zu errichten, das einem lebhaft empfundenen Bedürfnis Abhilfe ſchaffen ſoll. Wir haben uns verpflichtet gehalten, den Kindern unſerer Bürger, ſchon ſobald ſie ins Leben treten, die helfende Hand entgegenzuſtrecken, ſoweit ſie ihrer bedürfen. Wir haben es auf unſer Programm ge⸗ ſchrieben, der ſo unheimlich wirtenden Säuglingsſterblichkeit zu begegnen. Wir haben zahlreiche Fürſorgeſtellen für Säuglingspflege eingerichtet und ſorgen hier auch für die Mütter vor und nach der Geburt des Kindes. Wir haben es dann gewagt, den Kampf gegen die ſchreckliche Krankheit, die Tuberkuloſe, mit feſter Hand aufzunehmen. Wir haben Fürſorgeſtellen und Pflegeſtätten errichtet, Geneſungsheime in Ausſicht genommen und vor allen Dingen den bedeutſamen Entſchluß gefaßt, auf dem von uns bebauten Gelände in Beetz⸗Sommerfeld ein Tuberkuloſe⸗Heim zu errichten, das weiten Schichten der Bevölkerung Segen bringen wird. Auch für die unglücklichen Alkoholkranken, die früher als Sünder und Verbrecher angeſehen wurden, und die uns heute als Kranke, die heilbar ſind, gegenüberſtehen, haben wir uns in Fürſorgeſtellen und ſonſt bemüht, Sorge zu tragen. 8 Sehr am Herzen liegt uns die Pflege der Geſundheit unſerer Schulj ugen d. In dieſer Beziehung hat die Stadt Charlottenburg in hervorragender Weiſe bedeutſame Maßnahmen ge⸗ troffen, die noch ausgebaut werden können. Ich erinnere nur an die Tätigkeit der Schulärzte, der Schul ſchweſtern, an die Errichtung einer Schulza hnklinik, an die weite und weiteſte Förderung aller Jugendſpiele, aller körperlichen Betätigung der Jugend, an den Erwerb und die Errichtung von Spielplätzen, an die Errichtung der in weiten Kreiſen rühmlichſt be⸗ kannten Waldſchule, an die Förderung der Ferienkolonien, der Schülerwan⸗ derungen, an die Speiſung von Schulkindern u. a. m. 2 Die Armen und Siechen und Obdachloſen hat die Stadt auch in den Bereich ihrer Fürſorge gezogen. Wir haben ein Bürgerhaus errichtet, haben ein Familienhaus gegründet, und der Magiſtrat ſteht am Ende einer Beratung über den Verſuch der Einführung einer Arbeitsloſenverſicherung. Es iſt uns zum Bewußtſein gekommen, daß die Städte, in welche die Menſchen maſſenhaft einſtrömen, auch in ſittlicher Beziehung der Geſundheit nicht entbehren können. Wir haben den Kampf gegen das Schlafſtellenun⸗ weſen aufgenommen, indem wir das Ledigenheim gebaut haben, deſſen Jahres⸗ abſchluß vor kurzem ſtattgefunden hat, der in finanzieller Beziehung ſo erfreulich iſt, daß wir die Hoffnung hegen können, daß wir nunmehr auch weitere Schritte auf dieſem Gebiete, auf dem wir zunächſt den erſten Verſuch unternommen haben, werden machen können zur Hebung der ſittlichen Geſundheit in unſerer Bürgerſchaft. Der bedeutſame Beſchluß, den die Stadtverordnetenverſamm⸗ lung auf die Vorlage des Magiſtrats im vorigen Jahre bezüglich des Wohnungsamts gefaßt hat, und der jetzt in Wirkung getreten iſt, wird hoffentlich reichen Segen ſowohl auf dem Gebiete der körperlichen wie der ſittlichen Geſundheit ſchaffen. Ganz kurz erwähnen will ich noch, daß außer dieſen bedeutſamſten Dingen, die wir ſelbſt in der Hand haben, die Stadt es ſich hat angelegen ſein laſſen und fortgeſetzt es ſich angelegen ſein läßt, Vereine, die auf dem Gebiete der ſozialen örderung der Bevölkerung tätig ſin d, mit Rat und Tat aufs lebhafteſte zu unterſtütze n. Ich nenne da das IJugend⸗ heim, ich nenne den Hauspflegeverein, den Vaterländiſchen Frauenverein, die Arbeitergärten, das Rettungsweſen, die Unfallſtationen und Rettungswachen u. a. m. Sie ſehen, meine Herren, eine Fülle von Arbeit, die die Stadtverwaltung in den letzten 13 Jahren auf dem Gebiete der Geſundheitspflege verrichtet hat, eine Fülle von Einrichtungen, die ins Leben gerufen ſind, die gefördert ſind und des weiteren Ausbaues bedürfen und wert ſind. Bisher lagen dieſe Beſtrebungen zerſtreut in den Händen der verſchiedenen Dezernenten. Je größer aber dieſe Arbeitsgebiete wurden und je zahlreicher, deſto mehr wurde es uns klar, daß wir ſie in ein e Hand legen mußten, die eine organiſche Verbindung aller dieſer Beſtrebungen ermöglicht und ſie ſyſtematiſch durch⸗ und weiterführt. Die Stadtverordnetenverſammlung hat deshalb durch den Beſchluß, den ſie auf eine Vorlage des Magiſtrats im vorigen Jahre gefaßt hat, und der dahin geht, daß ein beſonderes Amt in Magiſtrat einge richtet werde, das Amt eines beſoldeten Stadt⸗ rats, zur Verwaltung dieſes neuen Reſſorts, in nachdrücklicher und ernſter Weiſe bekundet, daß ſie gewillt iſt, dieſe zum Segen unſerer Bevölkerung gereichenden Beſtrebungen nicht nur beizubehalten, ſondern zu fördern und weiter auszudehnen. Sie hat ſich dazu umgeſehen nach einem Manne, der geeignet wäre, dieſe ſchwierige Aufgabe in ſeine Hand zu nehmen und ſicher durchzuführen. Die Stadtverordnetenverſammlung iſt dabei, mein verehrter Herr Kollege Dr Gottſtein, auf Ihre . . gekommen. Wir — Magiſtrat und Stadtverordnete — haben die Ehre, Sie ſeit vier Jahren als Mitglied des Magiſtrats in Ihrer Tätigkeit zu kennen. Sie haben in dieſen vier Jahren im Ehrenamte die