— 136 — halten, daß ſich die Kinder in freier Luft bewegen. Auch das Lehrverfahren trägt dem körper⸗ lichen Zuſtande derſelben Rechnung. Da die Schülerzahl für jede Klaſſe auf durchſchnittlich 20 feſtgeſetzt iſt, wodurch eine individuellere Behandlung der Kinder ermöglicht wird, und da dieſe infolge des Waldaufenthaltes bald geiſtig friſcher und aufnahmefähiger werden, ſo können ſie in allem Weſentlichen in gleichem Maße wie ihre Klaſſengenoſſen in der Hauptanſtalt ge⸗ fördert werden und beim Wiedereintritt in dieſe ohne Schwierigkeit mit ihnen fortſchreiten. Aufgenommen werden nur Schüler der Klaſſen Sexta 0 und M, Quinta 0 und M und Quarta 0 und M, ſowie Schülerinnen der entſprechenden Klaſſen der höheren Mädchen⸗ ſchulen, und zwar nicht nur aus den ſtädtiſchen Lehranſtalten, ſondern auch aus Königlichen und privaten Schulen. Die Aufnahme auswärtiger Schüler und Schülerinnen erfolgt nur widerruflich, ſoweit es der Raum und die Rückſicht auf die erziehlichen Erfolge geſtatten. Quartaner aus Lateinſchulen werden nicht aufgenommen. Dem Unterricht, an dem Knaben und Mädchen gemeinſam teilnehmen, iſt mit einigen Abweichungen der Lehrplan für die Realſchulen zugrunde gelegt. Für Sertaner und Quin⸗ taner von lateintreibenden Anſtalten ſind Nebenkurſe in Latein eingerichtet. Zur Erteilung des Unterrichts wurden 5 Oberlehrer und 1 Oberlehrerin heran⸗ gezogen, die neben ihrem Gehalt eine monatliche Zulage und freie Beköſtigung erhielten. Außerdem war der Schule eine ſeminariſtiſch gebildete Lehrerin überwieſen. Dieſen Lehr⸗ kräften lag auch die Aufſicht über die Kinder außerhalb der Unterrichtsſtunden ob. Die Oberleitung über die Waldſchule hat der Direktor der Siemens⸗Oberrealſchule, Profeſſor Dr Gropp, im Ehrenamt übernommen. Die wirtſchaftliche Verwaltung erfolgt durch den Vaterländiſchen Frauenverein, der eine Schweſter mit der Leitung der betreffenden Ge⸗ ſchäfte beauftragt. Unter Führung ihrer Lehrer treffen die Kinder früh gegen 8 Uhr in der Waldſchule ein, bleiben — mit geringen von Fall zu Fall zu vereinbarenden Ausnahmen — den ganzen Tag über unter pädagogiſcher Aufſicht im Walde, erhalten daſelbſt bei ihrem Eintreffen ein Glas Milch, ſpäter zweites Frühſtück und Mittageſſen, und am Nachmittag noch einmal Milch mit Zubrot; gegen Abend kehren ſie in ihre Familien zurück. Die Koſt iſt einfach aber kräftia, die Zuſammenſetzung und Zubereitung ärztlicher Vorſchriften entſprechend, beſonders Milch wird reichlich geboten. Die Kontrolle über die Zubereitung der Speiſen ſowie die geſundheitliche Ueber⸗ wachung der Waldſchulkinder liegt einem Schularzt ob. Nach der Hauptmahlzeit ruhen die Kinder, falls dies gewünſcht oder vom Schularzt angeordnet wird, längere Zeit, entweder im Freien oder in offenen, gegen Wind und Regen geſchützten Hallen. Für jedes Kind ſteht ein Liegeſtuhl und eine wollene Decke zur Verfügung. Die ſchulfreie Zeit wird mit Turnübungen an den aufgeſtellten Turngeräten, mit Bewegungs⸗ und Geſellſchaftsſpielen, mit Ausflügen in den Wald, mit Hand⸗ und Gartenarbeiten, Leſen und deral. ausgefüllt; auch ſteht ein Brauſe⸗ und ein Luftbad zur unentgeltlichen Benutzung zur Verfügung. Um den Verkehr mit der Familie pflegen zu können, wird den Kindern außer den Sonn⸗ und Feiertagen der Mittwoch⸗Nachmittag freigegeben. Die Anlage ſelbſt beſteht aus einer Schulbaracke mit drei großen Klaſſenräumen, 2 kleinen Zimmern für das Lehrperſonal, 1 kleinen Zimmer für Lehrmittel und 2 außen angebauten Kleiderablagen, einer Wirtſchaftsbaracke (mit Küche, Speiſekammer, Wohnzimmer für die Schweſter und Mädchengelaß), einer offenen Liegehalle, mehreren gedeckten Lauben, einer Bade⸗ und Abortbaracke und verſchiedenen Turn⸗ und Spielgeräten. Ferner iſt in der Nähe der Wirtſchaftsbaracke eine offene Speiſehalle errichtet, in der mehrere einfache lange Eßtiſche mit je 2 Sitzbänken aufgeſtellt ſind. ſ Die ganze Einrichtung iſt vorläufig für die Unterbringung von 120 Kindern be⸗ meſſen. Die Koſten für die bauliche Einrichtung und erſtmalige innere Ausſtattung der Waldſchule betrugen rund 53 000 ℳ und ſind von einem Gönner der Waldſchule geſtiftet worden. Für die laufende Unterhaltung der Waldſchule (einſchließlich Schulgeld und der Koſten für die Verpflegung) haben die beteiligten Eltern aufzukommen. Der von dieſen für jedes Kind zu zahlende Beitrag iſt auf 250 ℳ feſtgeſetzt; das macht für den Kopf und Tag etwa 2 ℳ. wovon 1 für Beköſtigung gerechnet wird. Für Lateinſchüler iſt der Beitrag auf 270 ℳ feſtgeſetzt. Zu dieſen Sätzen haben auswärtige Schüler und Schülerinnen, ſoweit ſie hieſige An⸗ ſtalten beſuchen, einen Zuſchlag von 50 , die übrigen von 100 ℳ zu zahlen. Die Stadtgemeinde gewährt zu den laufenden Unterhaltungskoſten einen Zuſchuß von 20 %, der zur Gewährung von halben Freiſtellen verwendet werden darf. Für 1910 iſt dieſer Zuſchuß auf 6120 ℳ veranſchlagt. Die Koſten für die laufende Unterhaltung der Waldſchule ſind für das genannte Rechnungsjahr auf 32 400 berechnet worden.