— 4199 — dafür aber ſeine Kinder auf dunklen, nicht lüftbaren Korridoren wohnen ließ, fanden ſich in dieſen Kreiſen nicht ſelten, und wo ſie ſich fanden, traten ſie meiſt — eine Frucht des ſchlechten Beiſpiels — in demſelben Hauſe wiederholt auf. Bezeichnend iſt, daß in einem Hauſe, in dem mehrere Fälle ſolcher mißbräuchlichen Benutzung des Korridors feſtgeſtellt wurden, die Mieter die Beſeitigung des Mangels ablehnten mit dem Hinweis darauf, daß der Eigentümer des Hauſes ſelbſt den Korridor zum Schlafen benutze! Dieſer beſaß eine Drei⸗ zimmerwohnung, in der zwei Zimmer nicht zum Schlafen benutzt wurden. Im großen und ganzen können jedenfalls die Erfolge des Wohnungsamtes bei der Abſtellung von Mängeln, zumal unter Berückſichtigung der Jugend der Einrichtung, als durchaus erfreuliche bezeichnet werden. Einen beſonders überraſchenden — weil von vielen Seiten im Voraus beſtrittenen — Erfolg hatte das Wohnungsamt gegenüber der man⸗ gelnden Trennung der Geſchlechter in den Schlafräumen ſowie bei der Beſeitigung von überfüllungenſowohl von einzelnen Schlaf⸗ räumen wie von ganzen Wohnungen, wobei in den beiden erſten Fällen dem Mangel durch anderweitige Verteilung der Schlafſtätten abgeholfen wurde. Wenn dabei oft die nicht als Wohnküchen gedachten kleinen Berliner Küchen zum Schlafen mit herangezogen werden mußten, ſo hat das wiederum ſeinen Grund in den ſchlechthin unzuläng⸗ lichen Wohnverhältniſſen des großſtädtiſchen Arbeiters über⸗ haupt, die auch durch das Wohnungsamt nicht — wenigſtens nicht unmittelbar — ver⸗ beſſert werden können. Hierüber werden die aus dem Beſichtigungsmaterial gewonnenen, in kurzer Friſt erſcheinenden ſtatiſtiſchen Feſtſtellungen weitere, jedenfalls allgemein inter⸗ eſſierende Aufklärungen bringen. Eine dahin gehörige Betrachtung mag jedoch ſchon an dieſer Stelle eingeſchaltet werden: Daß auch in Charlottenburg mehrfach eine offenfichtliche Wechſelwirkung zwiſchen verwahrloſten Haushaltungen einerſeits und verwahrloſten, menſchenunwürdigen Wohnungen, ja ganzen Wohnhäuſern andererſeits feſtgeſtellt wurde, wird den Kenner nicht überraſchen. Wo die Urſache und wo die Wirkung liegt, iſt oft ſchwer zu entſcheiden. Aber das eine darf doch als durch die Erfahrung beſtätigt angeſehen werden: Das Leben in der Mietskaſerne bietet keinen Anreiz zur Verbeſſerung und Veredelung der Wohnſitten; wo aber eine Tendenz zur Verwahrloſung der Wohnſitten vorhanden iſt, wird ſie durch die Mietskaſerne verſtärkt und, wie durch Anſteckung, weiter verbreitet. Das Zuſammen⸗ pferchen von Dutzenden von Familien unter einem Dach, die meiſt vollkommene Abtrennung von der Natur und die Unterbindung der natürlichen Bewegungsfreiheit bei Jung und Alt iſt nun einmal nicht geeignet, ſelbſt bei gut gearteten Menſchen ein Heimatsgefühl, Liebe zum Heim und damit Freude an ſeiner Geſtaltung und Erhaltung zu erzeugen. Dadunch aber, daß die Mietskaſernen eine Anſammlung verwahrloſter Haushaltungen in denkbarſter Enge ermöglichen und in der Tat auch verurſachen. müſſen ſie unter dieſen Umſtänden geraderu wie Seuchenherde wirken. — Aber aller in der Natur der Sache liegenden Hemmniſſe ungeachtet, hat doch das Wohnungsamt bisher nur in einer geringen Zahl von Fällen ſich entſchließen können, ſeine Bemühungen um die Abſtellung eines Mangels vollends aufzugeben. Wenn andrerſeits, wie die unten abgedruckte Tabelle zeigt, die Zahl der noch ſchwebenden Mängelfälle nicht unerheblich iſt, ſo iſt das aus verſchiedenen Gründen erklärlich. Einmal iſt bei ſchwe⸗ reren Mängeln, deren Beſeitigung in der Reael mit nicht unerheblichen Koſten für die Be⸗ troffenen verknüpft iſt, der Weg der allmählich e n, aber darum meiſt um ſo ſichereren Be⸗ ſeitigung faſt durchweg beſchritten worden. Zumal bei koſtſpieligen Erneuerungsarbeiten im oder am Hauſe, beſonders bei der Anlegung neuer Aborte, ſind meiſtens die erſten Schritte zur Beſſerung der beſtehenden mangelhaften Zuſtände bereits getan, die Arbeiten aber noch nicht vollſtändig durchgeführt: dieſe Fälle ſind in der Statiſtik nicht als beſeitigte Mängel ver zeichnet, da ſie erſt dann unter dieſen erſcheinen dürfen, wenn die Beſſerungsarbeiten vollends fertig geſtellt ſind, wenn z. B. die fehlenden Aborte ſämtlich eingebaut ſind, der ſchlechte Zu⸗ ſtand des Hauſes oder einer Anzahl von Wohnungen vollends in einen erträglichen umge⸗ wandelt iſt u. dgl. m. Auch zahlreiche minder ſchwere Mängel, deren Beſeitigung in Angriff genommen, aber noch nicht durchgeführt worden iſt, befinden ſich unter den „ſchwebenden“ Fällen, ſowie auch eine Anzahl von Beanſtandungen, zu deren Beſeitigung noch keine Schritte unter⸗ nommen werden konnten. Und endlich gehören hierher die Fälle, wo die Abſtellung eines Man⸗ gels erfolgt iſt, das Wohnungsamt jedoch Rückfälle in den alten Zuſtand befürchtet und noch mehrfache Nachbeſichtigungen vornehmen will, ehe es die Mängel als endgültig beteitigt be⸗ trachtet und im Tagebuch löſcht. Andererſeits wurde nicht ſelten, gerade was den äußeren Zu⸗ ſtand des Hauſes und der Wohnungen betrifft, eine ſehr erfreuliche Erſcheinung beobachtet: In der Zeit nämlich, die zwiſchen der Feſtſtellung von Mängeln eines Hauſes durch den Wohnungspfleger und der oft erſt mehrere Monate ſpäteren Beſchlußfaſſung durch den Woh⸗ nungsausſchuß lag, war häufig ſchon eine Beſeitigung der Mängel oder wenigſtens eines Teiles derſelben durch den Eigentümer erfolgt, ohne daß eine Aufforderung an ihn ergangen wäre, — offenbar eine ſtillſchweigende Anerkennung des mangelhaften Zuſtandes und eine ſtillſchweigende Erfüllung der nuch unausgeſprochenen Forderungen des Wohnungsamtes. —