— 197 — 0 Als grundſätzlich bedenklich und wiederum bezeichnend für die allgemeine Unzu⸗ länglichkeit des großſtädtiſchen Kleinwohnungsweſens überhaupt muß unter den eben darge⸗ legten Verhältniſſen einmal die ſo überaus häufig nötig geweſene Zulaſſung des Zu⸗ ſammenſchlafens von Familienmitgliedern mit Schlafgängern, und anderenteils die ſo häufige Benutzung der kleinen Küchen zum Schlafen erſcheinen. Muß doch gerade die maſſenweiſe Durchſetzung der Familien mit fremden Ele⸗ menten — ſelbſt von den möglichen ſchwereren ſittlichen Schädigungen in beſonderen Fällen abgeſehen — die Entwickelung eines für den einzelnen wie für die Geſamtheit ſo notwendigen geſunden Familienlebens hemmen, wenn nicht in vielen Fällen völlig unmöglich machen; und dies um ſo mehr, als die Großſtadt auch aus anderen Gründen, zu denen wiederun die beſtehenden allgemeinen Wohnungsverhältniſſe gehören, einer glücklichen Entwickelung der natürlichen Beziehungen zwiſchen Eltern und Kindern nicht günſtig iſt. Auch hierfür ein Beleg aus den Beobachtungen der Schlafſtellenaufſicht: Immer wieder iſt feſtzuſtellen, daß die bei den Eltern wohnenden erwachſenen Kinder nicht zu bewegen ſind, ihren Eltern von ihrem Verdienſt einen angemeſſenen. den empfangenen Leiſtungen an Wohnung und Eſſen entſprechenden Teil abzuliefern. So zwingen ſie oft die Eltern, Schlafgänger aufzunehmen, die ſie bei einem angemeſſenen Zuſchuß der Kinder zur Wirtſchaft nicht aufzunehmen brauchten. Es iſt wiederholt beobachtet worden, daß ſolche Kinder lieber ſelbſt in Schlafſtelle gelen und Fremden das Geld geben, das ihren Eltern zugekommen wäre, als daß ſie ihren Zuſchuß zur Wirtſchaft erhöhten. Gegenüber allen dieſen ſchweren Nachteilen muß der einzige Vorzug des Schlafſtellenweſens, die Möglichkeit des Familienanſchluſſes für alleinſtehende junge Leute, beſonders in unſeren großſtädtiſchen Verhältniſſen völlig in den Hintergrund treren. Die „nicht beſeitigten Beanſtandungen“ umfaſſen diejenigen Fälle, in denen die Aufnahme von Schlafgängern überhaupt nicht geſtattet und in denen die Ent⸗ laſſung bereits aufgenommener Schlafgänger angeordnet wurde. Insgeſamt wurde die Ent⸗ laſſung von 799 männlichen und 277 weiblichen Schlafgängern angeordnet. — Zur Ver⸗ meidung einer mißverſtändlichen Auffaſſung der Bezeichnung „nicht beſeitigte Beanſtan⸗ dungen“ ſei erwähnt, daß in den hierher gehörigen Fällen mit der Entlaſſung der Schlaf⸗ gänger oder mit der Abſtandnahme von der Vermietung an ſolche die Wohnungsverhältniſſe der Familien ſelbſt in der Regel ordnungsmäßige wurden bzw. blieben. Eine Beſeitigung der Beanſtandungen war alſo nur unter dem Geſichtspunkte des Haltens von Schlafgängern unmöglich. Über die Zahl der vorgenommenen Beſichtigungen und Nachbeſichtigungen ferner gibt die folgende Überſicht Aufſchluß: Es wurden vorgenommen: Zahl erſte Beſichtigungen 3425 zweite Befichtigungen 1386 dritte Beſichtiuunggen. 160 vierte Beſichtigaungennse 20 fünfte Beſichtiguungen. 3 Summe aller Beſichtigungen. 4994 Zur Vervollſtändigung des Geſamtbildes der geleiſteten Arbeit iſt noch zu erwähnen, daß in 811 Fällen die Vermieter nicht angetroffen wurden. In 278 Fällen war ein zum Teil ſehr umfang⸗ reicher Schriftwechſel zwiſchen Polizei⸗Präſidium und Wohnungsamt erforderlich. Wegen Nichtein⸗ reichung der Schlafſtellenanmeldung trotz wiederbolter Aufforderung und Nichtbefolgung der getroffenen Anordnungen wurden in 29 Fällen Beſtrafungen herbeigeführt. — Außer den vorſtehend ſchon erwähnten häufiger vorgefundenen Mängeln ſeien noch einige ſchwerere Fälle beſonders aufgeführt: 1. In mehreren Fällen wurde in Reſtaurationsküchen geſchlafen; in einem Falle ſchliefen ſogar drei Perſonen in einer Reſtaurationsküche. 2. In mehreren Fällen wurden Schlafgänger von Proſtituierten aufgenommen. 3. Eine Witwe ſchlief mit ihrem 14 jährigen Sohn in einem Bett, der Sohn am Fußende des Bettes; in der Küche ſchlief eine Schlafgängerin. 4. In einer zweifenſtrigen Stube von 27,14 am ſchliefen in 2 großen Betten und einem Kinder⸗ bett die Eheleute, 4 Töchter von 18, 16, 11 und 7 Jahren und ein Junge von 13 Jahren, ſowie ein Kind der 18 jährigen Tochter von 1 Jahr, in der Küche der Bräutigam der 18 jährigen Tochter und Vater des Kindes. 5. 2 Stuben waren vermietet. Die Familie, beſtebend aus den Ebeleuten und 3 Söhnen von 22, 16 und 12 Jahren, ſchlief in 3 Betten in der 13,5 am großen Küche. 7. In einem Zimmer wohnte eine Frauensperſon und ihr ; jähriges Kind mit 2 Negern zu⸗ ſammen; in der Küche ſchlief die Vermieterin mit ihrem 12 jährigen Sohn. 8. In einer vollſtändig dunklen, 7,50 qm großen Kammer ſchliefen in 2 Betten 2 erwachſene Söhne, eine 13jährige Tochter und die Vermieterin. 9. Ein alleinſtehender Invalide nahm in einer aus 3 Räumen beſtehenden Wohnung 4 Schlaf⸗ gänger auf, ohne irgendwelche Möbel zu beſitzen. Vermieter und Schlafgänger ſchliefen auf Lumpen und Hobelſpänen auf dem Boden und deckten ſich mit alten Säcken zu,