— 259 — Im Anſchluß an dieſe Neuerung bedurfte es ſchon im erſten Ichre einiger Er⸗ gänzungen der Organiſation. So hat am 29. Februar 1912 der Magiſtrat beſchloſſen, daß die in den Sprechſtunden der Säuglingsfürſorgeſtellen zahnkrank be fundenen Kleinkinder, die von den Leitern der Fürſorgeſtellen der ſtäd t iſchen Schul⸗ zahnklinik zur Behandlung überwieſen werden, dort in den Vormittagsſtunden un⸗ entgeltlich behandelt werden ſollen. Dieſe Einrichtung wurde bisher erſt in einem mäßigen Umfange in Anſpruch genommen. Ferner wurde die Deputation für die Waiſen⸗ pflege erſucht, auch ſolche Pflegekinder, Haltekinder und Mündel im Alter von 1—6 Jahren, die als Säuglinge nicht vorgeſtellt ſind, den Fürſorgeſtellen zu überweiſen. Auch im Berichtjahre 1911 wurde die Organiſation der Säuglingsfürſorge in zwei Punkten weiter ausgeſtaltet. Es hat ſich in der bisherigen Organiſation als ein Mißſtand herausgeſtellt, daß die geſundheitli che Uberwachung der ſtädtiſchen Koſtpflege⸗ finder, Haltekinder und unter Generalvormundſchaft ſtehenden Mündel i n mehreren Händen lag. Ihre Geſundheit wurde bis zum 2. Lebensjahre von den Säuglingsfür⸗ ſorgeſtellen überwacht, während die Beaufſichtigung auch der geſunden Kinder in den W oh⸗ nungen gleichzeitig den Stadtärzten übertragen war, die vorgeſchriebenen Beſuche daſelbſt aber von der Schweſter der Säuglingsfürſorgeſtelle vorgenommen wurden, die deren Leiter unterſtand und ihm zu berichten hatte. Auf Antrag der Stadtärzte und Säuglingsärzte hat daher der Magiſtrat unterm 25. Mai 1912 zur Vereinfachuna der Geſchäftsführung in Über⸗ einſtimmung mit der Deputation für Geſundheitspflege und der Deputation für die Waiſenpflege beſchloſſen, auch die Aufſicht über dieſe Kinder in den Wohnungen an⸗ ſtelle der Stadtärzte den leitenden Arzten der Säuglingsfürſorge⸗ ſtellen zu übertragen. Für Krankheitsfälle verbleibt es hinſichtlich der Behandlung durch die Stadtärzte bei den bisherigen Beſtimmungen. Damit die Arzte der Säuglings⸗ fürſorgeſtellen ſich den Haltefrauen gegenüber ausweiſen können, haben ſie vom Polizei⸗Praſi⸗ denten Ausweiskarten erhalten. 5 An der zweiten Neuerung iſt die Säuglingsfürſorge nur mittelbar beteiligt. Die Waiſenverweltung hatte ſich auf Grund der namentlich in Dresden gemachten Erfahrungen davon überzeugt, daß die Maßnahmen zum Schutz gegen die Übertragung der Erbſyphi⸗ lis und zum Zwecke der rechtzeitigen Erkennung dieſer ſchwer diagnoſtizierbaren, im übrigen hier verhältnismäßig nicht häufigen Erkrankung einer Ausgeſtaltung bedurften, um zu verhüten, daß durch die in Pflege gegebenen Kinder die Krankheit in die Familien über⸗ tragen würde. Die Deputation für die Waiſenpflege hat deshalb unterm 17. Juni 1912 angeordnet, daß jeder in Pflege zu nehmende Säugling — ohne Ausnahme — fortan, bevor er in Privat⸗ pflege gegeben wird, zur Beobachtung auf das Beſtehen von Erbſyphilis für die Zeit von mindeſtens 5 Tagen einer Anſtalt zu überweiſen iſt. Erkrankte Kinder ſind ſofort der zu⸗ ſtändigen Abteilung des ſtädtiſchen Krankenhauſes zu überweiſen und dort bis zur Geneſung, ſelbſt für längere Zeiträume, zu halten. Die Säuglingsfürſorgeſtellen ſind bei den weiteren Maßnahmen zur Verhütung der Übertragung der Erbſuphilis durch die folgenden Anord⸗ nungen beteiligt. Die leitenden Arzte der Säuglingsfürſorgeſtellen ſind angewieſen worden, die Schweſtern der Fürſorgeſtellen über die Erſcheinungen der Erbſyphilis zu unterrichten, auf die Wichtigkeit der Angelegenheit hinzuweiſen, und ſich von ihrer Kenntnis der wich⸗ tigſten Fragen zu überzeugen. Sie ſind ferner angewieſen worden, den ihnen als geneſen oder verdächtig gemeldeten Kindern eine beſondere Aufmerkſamkeit zu ſchenken, auf deren ſtändige 444% zu achten, und ſich regelmäßig Berichte der beſuchenden Schweſtern abſtatten zu laſſen. Einige weitere kleinere Neuerungen ſind von rein verwaltungstechniſcher Bedeutung und dienen der Vereinfachung des Geſchäftsganges, ſo die Regelung der geſchäftlichen Be⸗ handlung der Journalblätter bei der Uberweiſung von Säuglingen von einer Fürſorgeſtelle zur anderen. Ferner wurden die Fürſorgeſtellen im Intereſſe der Sparſamkeit angewieſen, die erforderlichen Materialien in Zukunft von den ſtädtiſchen Lieferanten zu beziehen und auch von dieſen die Reparaturen ausführen zu laſſen. Die Aufklärung und Belehrung der Geſamtbevölkerung wie der Beſucher der Fürſorgeſtellen wurde wie bisher gepflegt. Der ſtädtiſche Preſſedienſt wurde in regelmäßigen Zeiträumen in Anſpruch genommen, um auf die beſtehenden Einrichtungen hinzuweiſen, das vom Kaiſerin⸗Auguſte⸗Viktoria⸗Hauſe herausgegebene Hitzemerkblatt nebſt Flugblatt auf ſtädtiſche Koſten in den Fürſorgeſtellen verteilt. Am 21. Juni 1912 hielt der leitende Arzt der Säuglingsfürſorgeſtelle III, Profeſſor Dr Bendir, im Feſtſaal des Rat⸗ hanſes einen Vortrag über die moderne Säuglingsfürſorge. 1 Die wichtigſte Frage in jedem der alljährlich erſtatteten Berichte iſt die nach den Erfo Igen der Säuglingsfürſorge für die Geſundheit der in ihr beratenen Säuglinge und in ihrer Rüdwirkung auf die Gefamtben öIkerung. Dieſe Frage gewinnt eine beſondere Vedeutung für den diesjährigen Bericht, weil die bnormen Witterungsverhältniſſe des Sommers 1911 von tiefgreifendem Eimfluß auf die Erkrankungs⸗ und Sterblichkeitsverhält⸗ niſſe, der Sauglinge ſein mußten, und weil ſogar von verſchiedenen Forſchern der Satz auf⸗ geſtellt iſt, daß die Sommerhitze des Jahres 1911 ein unbeabſichtigtes Experiment ſei, aus