— 14 — gebetet, daß zwei Menſchenſeelen, die da drau ßen Abſchied nehmen mußten, bei einander bleiben dürften, um reiche ſelige Tage tief innerlichner Levensgemeinſchaft weiter leben zu dürfen! Und nun iſt's doch gekommen, wovor wir bangten, wogegen wir abwehrend die Hände aufwärts gehoben haben. Nun hat er doch ſinten müſſen, unſer hochverehrter Oberbürgermeiſter, in des Todes Arme. Wir müſſen uns, wie er ſtets geran, beugen unter die gewaltige Hand unſeres Gottes, ſo unſagbar ſchwer es auch iſt. Aber eines dürfen wir: in letzter Stunde mit ihm Worte der Liebe tauſchen, in letzter Stunde noch einmal ſeine Prſönlichteir vor unſerem uuge auf⸗ leuchten laſſen, damit ſie mit uns wandere in das Erdenland, damit ſie wie ein leuchtender Stern über unſerm Daſein ſcheine, damit wir in ſeinen Fußtapfen wandern klaren, rechten, ernſten Erdenpfad. Seine Perſönlichkeit! Faſt dünkt mich mein Menſchenwort zu arm und zu eng, um die ganze Fülle ſeines inneren Weſens zu faſſen. wer war er denn, der hier ſchläft? Ich ſchaue ins Weenſchenland und ſehe die Mannigſaltigteit der Geiſter. Da wandern die einen an uns vorüber, die blicken nüchtern in die Aufgaben des Tages, die arbeiten in Sonnenbrand und ſitzen rühl im kühlen Schatten; über ihrem Daſein weben die ebel des Alltagslebens, aus denen tein heller Weckruf herüber tönt in unſere Seele. Aber andere tommen her ſchon in den erſten Jugendtagen aus dem Lande der Träume und der Sehnſucht; die ſind dort gevoren, wo glühende Herzen entſtehen, die ſchreiten an uns vorüber und reißen uns mit fort, weil aus der Tiefe iyres Weſens etwas zu uns herüber dringt, was uns — wir mögen wollen oder nicht — in ihren Bann zieht. Nicht wahr, unſer Verewigter hat zu denen gehort, die getommen ſind aus heiligem Land, aus dem Land, da innere Geſichte ſind, aus dem Land, wo der Hauch der Ewigteit Menſchenſeelen wachküßt zum Leben. Schon ſeine Sprache verriet uns das. Es war kein ausgeklügeltes Buch, wenn er redete, war keine allzu rühle nuchterne Objektivität. Eine lodernde Menſchenſeele taſter nach Bildern und Formen, um das Leben zu packen, das unheimlich gewaltige, um dem Leben, dem flutenden, in jedem Augenblick gerecht zu werden. Wer war er, und woher kam er? Wenn es ſo iſt, daß alles, was wir in unſerer Perſön⸗ lichkeit ſind, geboren wird in den Tagen der Kindheit, wenn es ſo iſt, daß die Scholle, auf der wir wachſen, an unſerem inneren Leben baut, dann war es bei ihm ſo. Er iſt groß geworden nicht in der Großſtadt, wo tauſend verwirrende Einflüſſe an junge Seelen ſich herandrängen, er iſt ge⸗ wachſen in ſtillem, ſchlichten Land, da, wo die Menſchenſeele ernſt und ſtart wird in herber Luft. Mit verwunderten Kinderaugen hat er in ſeine Heimat geblickt, ihr Zauber iſt gegangen über ſeine Seele, bald in der majeſtätiſchen Stille, bald in lachender Lenzesluft, bald in einfachen geraden Linien, bald in der unſagbar ſchönen Mannigfaltigkeit der Natur, die ſich ſchmückt in ihrem gol⸗ denen Kleide. Ihren Zauber hat er auf ſich wirten laſſen, und er hat durch ihn empfangen jene kraftvolle wunderbare Eigenart, mit der er hinausgeſchritten iſt ins Leben. Aber er hat mit⸗ genommen von der Scholle, auf der er groß ward, einmal jene große Ehrfurcht vor dem, was uber uns iſt und um uns iſt, und zugleich jene heilige Sehnſucht, das, was ihm geworden, was er in tiefſter Seele als ſein Glück ſich erobert, weiter zu ſchenken im großen wogenden Leben. Es hat einmal einer, der auf den Höhen der Menſchheit ſtand, geſagt: „Ihr zwingt alle Dinge zu euch und in euch, daß ſie ſtrömen ſollen aus eurem Born, als die Gaben eurer Liebe.“ Ich wüßte nicht, von wem das Wort mehr gelten ſollte, als von unſerm teuren Heimgegangenen. Wer, der ihn näher kannte, wer, der hineinblicken durfte in ſeine Seele, weiß nicht, daß er Großes empfangen hat da draußen, wo der Sommerwind über die Köpfe geht, und daß er das, was er dort gewonnen, die heilige Quelle ſeiner Kraft ſein ließ, um andere damit ſelig zu machen. Das war nicht nur ſo in den Tagen, über denen der Zauber der Kindheit lag, das war ſo bis in den letzten Sommer, bis in die Zeit, da er in der träumeriſch⸗ſchönen Gern ſich ſein Haus gebaut. Wie iſt er immer wieder dorthin geflüchtet, um aus dem Alltagsjammer in das Heiligtum zu kommen, um ſeine Seele immer wieder geſunden zu laſſen, und wie hat er allen, die er liebte, dieſen Zauber, der ihn umfing, dieſe Stille des Heiligtums als das vermitteln wollen, was auch ihres Daſeins Fundament ſein ſollte. Ehrfurcht vor dem, was um uns iſt und über uns iſt! Wie hat ers bekundet, als nun die Pforten der Kindheit hinter ihm ſich ſchloſſen und das große Leben vor ihm lag. Ein Sieg nach dem andern iſt ihm zugefallen, in Thorn, in Nordhauſen, in Charlottenburg. Nicht nur flüchtige Stimmen aus der großen Welt ſind wie ein verwehter Klang in ſeine Seele gedrungen. Nein, wie ers empfangen hatte in Kindertagen, ſo war es ihm ſelbſtverſtändlich, voller Andacht zu lauſchen auf die Stimmen, die einer Zeit den Charakter aufprägen. Wie einſt mit großen Kinder⸗ augen in ſeine Heimat, ſo hat er mit dem wunderſamen ſchönen Blick, der ihm eigen war, ins Leben geſchaut, um ihm ſeine Geheimniſſe abzulauſchen, um ihm ſeine Pflichten abzufordern, um in allem, was er ſchenkte, ſelber innerlich immer reicher zu werden, immer bewußter und klarer zur Höhe edlen Menſchenſeins aufwärts zu klimmen. Nicht wahr, er hatte eine wunderbare Auf⸗ nahmefähigkeit, weil er die Ehrfurcht beſaß vor dem Leben um uns. Wie haben wir uns an ihm gefreut in großen und kleinen Dingen, wenn wir ſchauen durften, daß er nicht zu den Fertigen gehörte, denen niemals etwas recht zu machen iſt, ſondern zu denen, die ſtrebend ſich bemühen, die immer wieder Sehnſucht haben, daß die Wogen des Lebens ihnen an die Füße ſchleudern ſollen, was ihre Seele entzückt. Wie war er, der ehr furchtsvolle Mann, einer, der mit bebender Seele wanderte in das Land der Kunſt! Nicht nur ſchweiften ſeine Gedanken und ſeine Augen rückwärts in die Tage der Antike, in ihrem edlen Maß und in ihrer heiteren Schöne. Nein, weil er Ehr⸗ furcht hatte vor dem Leben, das um ihn war, verſtand er auch, was in Schöpfungsſtunden heiliger Menſchlichkeit in dieſen Jahren aufwärts drängte, verſtand er auch all das Sehnen und Träumen moderner Zeit, hatte er ein feines Auge und einen teilnehmenden Sinn für all das Suchen und Sehnen der Jugend. Jede feine Linie, jeder Farbenreiz konnte ihn entzücken; ſeine Seele hatte offene Tore, um das alles hereinzulaſſen, was doch niemand anders war als das, was der ewige Meiſter der Geiſter in unendlicher Verſchwendungskraft über das Menſchenland geſchüttet hat. Und was er empfangen, er mußte es unmittelbar weitergeben. Mit jener ſtillen ſteten Treue, die alles, was innerlich ein Teil ihres Weſens geworden iſt, feſthält und umwandelt, mit jener ſteten ſtarken Treue iſt er unbeirrt auf dem Wege geblieben, den Lebenskreiſen, in denen er wirkte und ſchaffte, zur Freude, zur Verinnerlichung, zu größerem Reichtum ſein künſtleriſches Verſtändnis weiter zu ſchenken. Ihm waren das nicht kleine Dinge des Zufalls und der Stimmung, ihm war das alles heiliger Boden, auf dem er die Menſchen haben wollte, die um ihn waren, damit ſie mit ihm ſchreiten könnten den Weg des Lebeens. Und wer ihm nahe geſtanden, der weiß, die gleiche Aufgeſchloſſenheit der Seele, die die Spuren des Ewigen überall ſucht im weiten Lande der Menſchen, dieſelbe Aufgeſchloſſenheit hatte er da beſeſſen, wo irgendwo Geiſt der Menſchheit aufwärts ſtrebte zur Höhe. Sein klares, kluges Auge ſah, wie in unſeren Tagen das Wort „Wiſſen iſt Macht“ ſein Recht begehrte, ſah. wie die Menſchen in allen Schichten unſeres Volkes ſich mühten, ihren Kopf auszuweiten und ihren Geiſt, um das Wort wahr zu machen. daß wir ſein ſollen Herren der Erde. Wie hat ers 2*