12 — verſtanden, all dieſen tauſendfältigen Beſtrebungen ſeine weite, ſ öne, große Seele zu 4 Wie wollte er ſelbſt immer ein Lernender ſein, einer, der immer wieder mit innerlichſter Andacht auf das alles lauſchte, was da an großen Gedanken neuer Zeit aufwärts drängtel Und wie war es ihm ſelbſtverſtändlich, weil ihn das beglückte, daran feſtzuhalten mit ganzer Seele und es umzu⸗ wandeln in lebendige Tat! Wie war es ihmſelbſtverſtändlich, Wege frei zu machen für andere, Hände zu reichen, damit der Aufſtieg geſchehen konnte, keinen drunten zu laſſen, deſſen Augen in Sehnſucht glühten, aufwärts zu klimmen! Wir, die wir um ſeinen Sarg ſtehen, als die Bürger dieſer Stadt, wir wiſſens, daß er die gleiche Aufgeſchloſſenheit, die aus innerſter Treue ſeines Weſens emporquoll, den großen ſozialen Fragen unſerer Zeit gegenüber beſeſſen hat. Er iſt ihnen gegenüber getreten mit heilig ernſtem Sinne. Er wußte in ſeiner Frömmigkeit, die da auf dem Gedanken ruhte, „du kerkerſt den Geiſt in ein tönend Wort, doch der Ewige ſchreitet im Sturme fort“, — er wußte in ſeiner Frömmig⸗ keit, daß in all dieſen ſozialen Nöten und Schwierigkeiten, in all dieſen ſozialen Pflichten und Aufgaben im letzten Grunde kein anderer kommen wollte in das Menſchenland, als der Ewige ſelber, der die Liebe iſt, um armes Menſchſein zu verklären zum Himmelreich. Wie hat er all dem, was auf dieſen Gebieten an ihn herantrat, darum gegenübergeſtanden als ob er lauſchte auf die Stimme des Ewigen, und wie hat er in all dieſen Lebensgebieten dem die Wege zu ebnen verfucht, dem die Tat Andacht iſt und dem beten heißt ſich mühen. Wir denken in dieſem Augenblick daran, welch einen wunderſamen Aufſtieg wir in unſerer großen Stadt haben nehmen dürfen unter ſeinen kraftvollen Händen, unter ſeinen gulen Augen, unter dem hellen Lodern ſeiner glühenden Seele. Aber einem, der alles Leben anſieht nicht blos zum Empfangen, ſondern um alle Dinge in ſeinen Dienſt zu zwingen, daß ſie aus dem Born ſeines Weſens ſtrömen als die Gaben ſeiner Liebe, dem war es ja ſelbſtverſtänd⸗ lich, daß er in all dieſem Schaffen, ſei es äſthetiſchem, ſei es intellektuellem, ſei es ſozialem, ein noch viel Größeres wollte. Sein Burſchenherz ſchlug immer hoch, wie es einſt hoch geſchlagen in trauter Freunde Kreis, wenn das Lied vom Vaterland erklang. Seine Seele baute hinter dem einzelnen Lebensgebiet, auf dem er ſeine Kräfte betätigen durfte, immer das weite ſchöne deutſche große Land. Wie ihm ſein König ein Glaubensartikel geweſen iſt, wie der liebe Gott, ſo iſt ihm ſein Vaterland ſeine erſte und ſeine größte Liebe geweſen. Gewiß, er iſt mit großem Stolze die Straßen unſerer Stadt gewandert. Wer ihm begegnete des Morgens, wenn er in dieſes Haus kam, der hat es ihm oft genug abgeſpürt an dem elaſtiſchen Schritt, an dem Glanz ſeiner Augen, daß die helle Freude in ihm lebte über das, was er in Großſtadtkultur ſchaffen konnte. Seine Augen haben liebkoſend dieſes ganze Bild des Lebens, das unmittelbar um ihn war, aufgenommen. Aber das wußte er doch, daß zuletzt alles Einzeltun, daß auch alle Großſtadt⸗ kultur nur ein Stück ſein kann von der heiligen Arbeit, die wir zu leiſten haben an unſerem Volke. Ja, wenn ich recht geſehen habe, ſo war es ihm von Jahr zu Fahr deutlicher abzuſpüren, welch ein tiefer heiliger Ernſt in ihm für das glühte, was ſeines Volkes Seele weckt. Er hat doch uns allen manches leidvolle Wort geſagt, wenn er die Schatten wachſen ſah über unſerm Leben; er hat doch uns allen manches Wort der Sehnſucht geſagt, daß ſein deutſches Volk ſtark und und rein ſein möchte, ein Herrenvolk mit freier Stirn. Nicht wahr, einer der ſo adligen Sinn beſaß wie er, einer der aus Kindestagen ſchon mitgenommen hatte Wahrhaftigkeit und Reinheit als des Menſchenlebens größte Zierde, der mußte ja doch all ſein Sinnen und Denken an das eine wenden, daß ſein Volt aufwärts ſteigen möchte, unter ſeines heißgeliebten Kaiſers ſchützenden und ſchirmenden Händen aufwärts ſteigen mußte zur Höhe edlen Menſchſeins. Von Jahr zu Jahr hat er in alles, was hier geſprochen wurde, in alles, was im Kreiſe der Freunde an Erkennen und Erleben getauſcht ward, immer bewußter und klarer hineintönen laſſen jenen einen Klang der Pflicht, der Pflicht, die ſich im Dienſte anderer verzehrt, weil ſie die anderen weiter haben 2 nicht drunten ſehen kann im Lande der Schatten, ſondern ſchauen möchte auf den Höhen des Lebens. Und doch, hochanſehnliche Trauerverſammlung, haben wir damit noch immer nicht ſeinen innerſten Pulsſchlag erfaßt; der war noch anders. Gewiß, ſein Auge iſt hinausgeſchweift in die Weite, ſeine Kraft hat im Dienſt großer Gedanken geſtanden, er war einer der edelſten Arbeiter im Menſchenland. Aber was ihn uns ſo lieb gemacht hat, warum wir ſagen dürfen, es ſcheidet in dieſem Augenblick aus unſerer Mitte unſer lieber Oberbürgermeiſter, das war doch, daß er zu klarem Geiſt und zu großen Gedanken eine unendliche Güte hinzuzufügen wußte. Es ſind gewiß hunderte unter uns, die erfahren haben, daß er jene Fähigkeit beſaß, den Menſchen, der zu ihm kam, als den wertvollſten zu betrachten im Augenblick, den es gab auf dem Erdenrund, daß er jene entzückende Gabe beſaß: die Welt verſank und die Sehnſucht, das perſönliche An⸗ liegen eines einzelnen Menſchenkindes wuchs rieſengroß vor ſeinen Augen, daß ſeine Liebe brannte, daß er ſuchte zu helfen und zu verſtehen, daß er die Hände reichte oft mit Tränen in den Augen aus der unendlichen Wärme ſeines Mitempfindens heraus. Gewiß, er wußte als einer, der wurzelte im Leben unſeres Volkstums, es iſt ſelbſtverſtändlich, den Kopf zu beugen vor dem, der das Schwert führt und die Obrigkeit hat; er wußte, daß es Mannestum iſt, all dieſen Perſönlichkeiten gegenüber der gütig beſcheiden vermittelnde Mann zu ſein, der nehmen wollte, was nur irgend dem Gemeinwohl dienen konnte, für das er atmete. Aber er wußte — und das hat ihn uns ſo lieb gemacht — daß der Ewige, der einſt ihm die kleinſten Formen der Natur vor ſein ſinnend Auge geſtellt hat, ihm über die Schwelle ſandte auch alle die Kleinen, Schwachen und Geringen. Sein großes Menſchenherz umſpannte ſie alle, und ſeine große Seele wußte, daß man im letzten Grunde kein Exiſtenzrecht auf der Erde hat, wenn man nicht zu arbeiten ſich bemüht für das Aufwärtsſteigen der anderen. Nicht wahr, das danken wir ihm, weil wir fühlen, daß er uns gerade dadurch in unſerer bürgerlichen Gemeinſchaft ſo unſagbar viel ge⸗ weſen iſt. Mancher wird in dieſem Augenblick des Jahres gedenken, da er als der Hausherr hier unſer Stadtiubiläum feiern durfte. Ich ſehe ihn in dieſer Stunde immer noch mit all der großen Elaſtizität, mit all der gleichmäßigen Freundlichkeit, die nicht müde werden konnte, mit all dem Leuchten ſeiner Augen, das nicht ermattete, ob Menſch nach Menſch, ob bekannt oder unbekannt, ihn grüßen wollte in feſtlicher Stunde. Und doch: ſein Allertiefſtes und ſein Allerbeſtes ruhte in der Stille. Wenns wahr iſt, daß eines Mannes Wert im letzten Grunde abhängt von dem, was er iſt, wenn die Türen der Welt geſchloſſen ſind, wenn er allein iſt mit einer Seele, die in Liebe für ihn ſchlägt, dann iſt's bei ihm wahr geweſen. Wie haben ſeine Augen geglüht in Freude, wie haben ſeine Worte einen eigentümlichen Klang bekommen, wenn er ſeinen Vertrauteſten ſprechen durfte von dem Menſchenkind, das ihm bis zum letzten Atemzug eine unſagbar tapfere Kameradin geweſen iſt, eine Menſchenſeele, die neben ihm ſtehen wollte nur in der einen Sehnſucht, ihm den Pfad durchs Leben zu ebnen, ihn zu verſtehen, ihn zu umhegen mit unendlicher Wärme, in ſeine arbeitsreiche Zeit etwas hineinzutragen von dem Allergrößeſten, was es im Erdenland gibt, von dienender