— 13 — Menſchenliebe. Sein Innerlichſtes und Tiefſtes lag in der Stille, wenn er heimkam, wenn er nach den Händen taſtete, die alles bereitet hatten, damit es lauſchig und ſchön ſein ſollte um ihn. Wie war da ſeine Seele froh, wie nahm er auch da, um innerlich getreu wiedergzugeben! Wie empfing er auch dort, um feſtzuhalten mit der oſtpreußiſchen wunderſamen Zähigkeit, was an Lebensherrlichkeit ihm geworden. Es iſt mancher in dieſer Stunde da, der dieſes Haus gekannt, der über dieſes Haus lichte Lebensfreude gehabt hat, es iſt mancher da, der in dieſes Haus als Freund, als junger oder alter Freund kommen durfte, es iſt mancher da, der mit ihm einſt ge⸗ ſchwärmt und gejubelt hat in jungen Tagen. Sie alle fühlen's in dieſer Stunde: ſein Allergrößtes war, daß ſeine Seele ſchlug für das Leben all derer, die einſt, da er noch nicht ſtand auf den Höhen des Daſeins, ihm doch in unſagbarer Treue zur Seite ſtanden. Hochanſehnliche Trauerverſammlung! Wer wollte nicht begreifen, wie unſagbar weh es tut, Abſchied nehmen zu müſſen von einer ſolchen Perſönlichkeit. Es ſind ja derer doch nicht ſo viele im Erdenland, die, wie er es getan hat, immer ſtrebend ſich bemühen, die, wie er es getan hat, darum kämpfen, eine immer lautere, charaktervollere tiefere Perſönlichkeit zu werden, eine Menſchenſeele, die über dem Leben ſteht, die von den Höhen, zu denen ſie aufwärts gewandert iſt, mit vollen Händen ausſtreuen kann das Gold ihres Glückes. Und doch: wir beugen uns, ſagte ich eingangs, unter Gottes gewaltige Hand. Er war tapfer, unſer heimgegangener Freund; wir wollen auch tapfer ſein. Wir dürfen ja tun, was er ſo oft getan hat: wir durfen feſthalten, was lieb und wert uns geweſen. Des Todes Raub kann doch nur werden ſein ſterblich Teil. Aber wir dürfen ihm geloben, daß wir ihn bewahren werden in der Seele Grund, daß, wenn in unſerem Volte klingen wird mancher Name der Beſten, ſein Name dazu gehört. Er wußte feſtzuhalten! Seine Seele war davon durchdrungen, daß das Beſte, was wir beſitzen, wir am Ende anderen ſchuldig ſind. Darum wurzelte er in der Ver⸗ gangenheit, weil er die tiefe Dankbarkeit für alles hatte, was ſie geſchaffen. Wir wollen's ihm nachtun und ihm ſagen: wir werden Dich lieb behalten auch über das Grab hinaus! Wir werden uns mühen um das eine, es Dir ein wenig gleich zu tun in Tüchtigkeit und Tapferkeit, in Wahr⸗ haftigkeit und Reinheit, in jener ſchönen ſelbſtverſtändlichen Keuſchheit Deiner Seele, die Dein beſter Schmuck geweſen. Ein vielgetreuer Mann, von dem wir Abſchied nehmen! Und doch tun wir es, die Augen aufwärts gerichtet. Wohin anders könnte er wandern als in das große Reich unſeres Gottes, daß ihm nach Erdenmühen und Sorgen, auch nach Erdenherrlichkeit und tiefſtem Glück, die Krone ewigen Lebens werde. Amen.“ Nach dem Geiſtlichen widmeten der Bürgermeiſter und der Stadtverordnetenvor⸗ ſteher dem Verſtorbenen herzliche Worte. Bürgermeiſter Dr Maier rief dem Verſtorbenen folgende Worte nach: „Die eherne Pforte des Todes hat ſich geöffnet. Unſer Oberbürgermeiſter Kurt Schuſtehrus iſt durch ſie eingetreten in das Zeitloſe. Ahnenden Geiſtes blicken wir voll Ehrfurcht in die erhabene Weite der Ewigkeit. Die Majeſtät des Todes bereitet uns zu reinem Schauen. Wir meſſen das Irdiſche mit dem Maßſtab ewiger Werte. Und wahrlich, vor ihm kann das Werk des Verblichenen beſtehen. Seine Arbeit galt nicht dem flüchtigen Schimmer des Tages. Sein heißes Bemühen galt dem Wohl der kommenden Geſchlechter. Er tat nationale Arbeit im Kreiſe ſeines Wirkens! Große Gedanken kommen aus dem Herzen. Die ganze ſittliche Kraft ſeiner Seele und ſeines Gemüts gab der Entſchlafene ſeiner Arbeit zum Inhalt. Die Perſönlichkeit, in der Geſchloſſenheit der Gedanken und des Wollens, war ſein Wert. Für ihn galt das Pauliniſche Wort: „Er war ſelig in der Reinheit ſeiner Ueberzeugung“ Sein Schaffen war von glängendem Erfolg gekrönt. Eine faſt beiſpielloſe Entwicklung unſeres Gemeinweſens hat er gefördert. Das Wachſen der Einwohnerſchaft und der Leiſtungsfähigkeit unſerer Stadt machten ihn froh. Die Geſtaltung ihres Geſichts und äußeren Gewandes, die Förderung des Verkehrs boten ihm reizvolle Aufgaben. Die Summa ſeiner Fürſorge aber lag auf ſozialem Gebiet, ſie galt der Hebung der phyſiſchen und geiſtigen Kräfte des Menſchen. Die Schule ſtellte er mit an den erſten Platz ſeiner Arbeit. Ihre Förderung betrachtete er als Ruhmestitel der Stadt Charlottenburg. Den Hunger des Volkes nach guter geiſtiger Koſt fühlte er und half ihn ſtillen durch die Errichtung einer Schaubühne, deren Wert er im Geiſte Schillers begriff als einer moraliſchen Anſtalt. Und als jüngſt ſein treuer Helfer, der frühere Stadtverordnetenvorſteher, der Errichtung eines Tempels der Muſik das Wort redete, da lieh er auch dieſem Werk ſeinen ſtarken Arm. Die ſoziale Fürſorge war ihm keine konventionelle Aufgabe. Er trieb ſie nicht, um Gunſt zu gewinnen oder aus ideologiſcher Schwärmerei. Er ſah in der Arbeit der Städte auf ſozialem Gebiet eine nationale Pflicht, da er fürch⸗ tete, daß die Großſtädte das Volkstum aufzehren, wenn ſie nicht mit aller Anſtrengung an ſeiner Er⸗ holung arbeiten. Er ſprach bei ſeiner Wiedereinführung in das Amt die Wort: Je mehr Kraft wir unſerem Volke erhalten, deſto ſtärker und größer wird die Macht des Vaterlandes auch in Zukunft bleiben.“ Nach dieſen Worten handelte er. Die Arbeit des Entſchlafenen war Selbſtverwaltungsarbeit. Er fühlte ſich ſtets als Organ der Selbſtverwaltung. Er verſtand es, den reichen Strom an Erfahrung und Wiſſen, der aus der Mitarbeit tüchtiger Männer aller Kreiſe des Volkes fließt, in ſich aufgunehmen und ihn befruchtend zu verteilen zum Segen des Ganzen. Er erfaßte die Aufgabe der Gemeinden vom höchſten politiſchen Standpunkt. Er wußte und erkannte, daß die Bewegung der Geſellſchaft, die zum Staat hinüber⸗ brauſt, im Abfangebecken der gemeindlichen Arbeit zum Wohle des Ganzen ausgeglichen wird. Aber auch dieſe Erkenntnis war nicht allein dem Verſtande entſprungen, ſondern dem warmen Gefühl. Der Entſchlafene umfaßte alle Glieder der Gemeinde und des Volkes vorurteilslos in ſeinem Herzen. Deshalb bot er jedem die Hand, der ihn in ſeiner Arbeit für das Ganze unterſtützte. Er wollte ver⸗ ſöhnen, nicht trennen. In dieſer Selbſtverwaltungsarbeit tritt denn auch das allgemein Menſchliche in hellem Lichte vor unſere Augen. Die Kampfbereitſchaft für die als Recht erkannte Sache ſchloß eine un⸗ endliche Herzensgüte und ein nie verfagendes perſönliches Wohlwollen ein. Der feurige Geiſt litt am meiſten, wenn die Gewalt der Impulſe ein hartes Wort hervorbrachte, was die wägende Ruhe nicht billigte. Nie verſäumte er, wenn die Schnelle des Blutes über das gütige Empfinden ſeiner Seele ge⸗ ſiegt, die geſchlagenen Wunden ſelbſt zu heilen. Er war ſtreng gegen ſich und gerecht gegen andere; denn er war im Grunde ſeines Herzens ein demütiger Mann und bekannte dies gern. In dieſen Eigenſchaften lag das Geheimnis ſeines Einfluſſes auf ſeine Mitarbeiter in den weiten Zweigen der Verwaltung. Er glaubte an das Gute im Menſchen und löſte damit Kräfte aus, die nur dem Vertrauen entſpringen.