—.495 — 2. Das Magiſtratskollegium. In 53 Sitzungen des Kollegiums im Berichtsjahre kamen 1413 Vorlagen zur Erörterung. Auszeichnungen: Dem Oberbürgermeiſter Schu ſtehrus wurde aus Anlaß des Kaiſermanövers im Jahre 1912 der Königliche Kronenorden 2. Klaſſe, dem Stadtbaurat Seeling aus Anlaß der Vollendung des Neubaues des Deutſchen Opernhauſes der Rote Adler⸗ orden 3. Klaſſe und dem Stadrat Dr de Gruyter wegen ſeiner Verdienſte um die deutſche Beteiligung an der Brüſſeler Weltausſtellung das Ritterkreuz des Königlich⸗Belgiſchen Leopold⸗ ordens verliehen. Veränderungen: Am 30. September 1912 ſchied Bürgermeiſter Matting in⸗ folge ſeiner Wahl zum Oberbürgermeiſter von Breslau aus ſeinem hieſigen Amt. Er gehörte dem Magiſtratskollegium ſeit dem 9. Januar 1895 an. Dem Bedauern der Stadtverordneten Verſammlung über das Ausſcheiden gab in der öffentlichen Sitzung vom 4. September 1912 der Stadtverordneten⸗Vorſteher⸗Stellvertreter Dr Hubatſch wie folgt Ausdruck: „Meine Herren! Wir müſſen zunächſt dem ſchmerzlichen Bedauern Ausdruck geben, daß wir einen ſo vortrefflichen Mann wie Herrn Bürgermeiſter Matting verlieren ſollen. Herr Bürgermeiſter Matting iſt faſt 18 Jahre in unſerer Verwaltung tätig und hat den Aufſchwung Eharlottenburgs zur Großſtadt mit durchlebt. Er hat an ſeiner hervorragenden Stelle an der Förderung dieſer Entwicklung lebhaften und einflußreichen Anteil genommen. Wir verlieren in ihm einen Mann, der über einen Schatz von Erfahrungen gebietet wie kaum ein anderer, der die Eharlottenburger Verhältniſſe auf den verſchiedenſten Gebieten von Grund aus kennt. Wir ver⸗ lieren einen Mann, deſſen Arbeitskraft und Arbeitsluſt zu bewundern iſt, deſſen Gerechtigkeitsliebe und deſſen Wohlwollen die Beamten und Angeſtellten wie die Bürger der Stadt zu rühmen wiſſen; einen Mann, deſſen Feſtigkeit und Energie, deſſen Umſicht und Scharfblick wir alle kennen; einen Mann, der freien Sinnes und vorurteilslos jederzeit ein lebhaftes Verſtändnis für alle Fortſchrilte der Kultur und für den Zuſammenhang der lokalen Intereſſen mit denen des großen Vaterlandes bewieſen hat. Magiſtrat und Stadtverordnete ſind einmütig in dem Beſtreben geweſen, Herrn Bürger⸗ meiſter Matting aufrichtige Hochachtung und uneingeſchränktes Vertrauen zu ſchenken. Wir müſſen es uns verſagen, den Verſuch zu machen, den Herrn Bürgermeiſter an Charlottenburg zu feſſeln und für uns zu behalten; er ſteigt in eine höhere Stufe empor und iſt durch ſeine Zuſage gebunden. Es bleibt uns nur übrig, den innigſten Dank für all das Gute und Vortreffliche auszuſprechen, was er in langjähriger, treuer Arbeit für unſere Stadt geleiſtet hat. Wir fügen die herzlichſten Wünſche für ſeine Zukunft hinzu und ſind überzeugt, daß er in ſeiner neuen Stellung dieſelbe Anerkennung finden wird, die ihm hier zuteil geworden iſt.“ Bürgermeiſter Matting erwiderte darauf: „Meine ſehr verehrten Herren! Ich muß annehmen, daß ſich die Gelegenheit, von Ihnen Abſchied zu nehmen, nach den ſoeben gehörten Worten des Herrn Stellvertreters des Stadt⸗ verordnetenvorſtehers für mich nicht mehr finden wird. Wenn ich auch noch vorausſichtlich eine Sitzung in Ihrer Mitte erleben werde, ſo würde es mir doch ganz unmöglich ſein, es mir heute zu verſagen, auf die ſo ehrenvollen, liebenswürdigen Worte des Herrn ſtellvertretenden Stadtverord⸗ netenvorſtehers etwas zu erwidern. Meine Herren, ich bin durch die Ausführungen, die hier gemacht worden ſind, über⸗ raſcht worden, aber überraſcht nur in erfreulicher, in höchſt erfreulicher Weiſe. Sie müſſen meine Erwiderung als den ſpontanen Ausdruck der Empfindungen entgegennehmen, die mich in dieſem Augenblick überkommen. Meine Herren, dieſe Empfindungen bei einem Rückblick auf eine 18jährige Tätigkeit ſind ja ſchon oft durch meine Seele gegangen, wenn ich mir die Frage vorlegen mußte: tue ich recht, dasjenige, was ich hier erworben habe, dasjenige, was Sie mir bisher ent⸗ gegengebracht haben, nämlich dieſes große Vertrauen aufzugeben, um einem anderen Ziele zuzu⸗ ſtreben? Meine Herren, aber auch in meiner neuen Verwaltung muß es ja mein Beſtreben ſein, auf demſelben Gebiete und mit denſelben Mitteln zu arbeiten, die mir hier meine Arbeit ſo er⸗ leichtert haben, nämlich mit dem Vertrauen der Stadtverordnetenverſammlung, der Beamten⸗ ſchaft und der Bürgerſchaft. Sie dürfen mir glauben, daß ich dieſes Vertrauen gang außerordent⸗ lich zu ſchätzen weiß, um ſo mehr als es in einer 18jährigen Tätigkeit nur allmählich aufgebaut worden iſt, und daß ich mit Stolz auf dieſen Erfolg meiner Tätigkeit zurückblicke. Ich weiß nicht, ob ein gütiges Geſchick mir in meiner neuen Tätigkeit auch nur eine annähernd gleiche Dauer meines Amtes ſchenken wird; aber ich gehe in mein neues Amt mit der Hoffnung, mit der feſten Zuverſicht, das Vertrauen, das ich hier gewonnen habe, mir auch dort zu erwerben. Ich bin überzeugt, daß mich der Ausdruck dieſes Vertrauens, der ſoeben aus dem Munde des Herrn ſtell⸗ vertretenden Stadtverordnetenvorſtehers in dieſem Saale ausgeſprochen worden iſt, auch in meinen neuen Wirkungskreis hinüberbegleiten und auch dort mir die Herzen öffnen wird, die mir ja bisher noch verſchloſſen ſein müſſen, weil ich in einen vollſtändig unbekannten Perſonenkreis und in ganz unbekannte Verhältniſſe komme. 2 Meine Herren, wenn der Herr ſtellvertretende Stadtverordnetenvorſteher im übrigen von den Erfolgen meiner Arbeit geſprochen hat, ſo weiß ich gang genau, daß ich — das kann ich be⸗ tonen — zwar ſtets den ernſten Willen gehabt habe, für die Stadt Charlottenburg das Beſte zu erreichen und auch an Widerſtänden, Schwierigkeiten und gelegentlich an einer hohen Arbeitslaſt nicht zu ſcheitern. Aber, meine Herren, das höchſte Ziel und die höchſte Ehre und die Grundlage meiner Arbeit iſt doch eben das Vertrauen, das ich Gott ſei Dank überall gewonnen habe, in jedem Kreiſe, bei jeder Gelegenheit, von Untergebenen und Mitarbeitern, und an dieſer Stelle hier in der Stadtverordnetenverſammlung. Ihnen, hochverehrte Herren, dafür zu danken, iſt mir . Herzensbedürfnis. Ich bitte Sie, dieſen meinen tiefgefühlten, unwandelbaren Dank anzu⸗ nehmen.