—. 246 — Während im Vorjahre nach den beſtimmten Angaben der Stadtärzte die Teuerung von Gemüſe, Kartoffeln und Milch ſich deutlich dadurch bemerkbar machte, daß ſowohl die Zahl der Unterſtützung Fordernden wuchs, als auch die Fälle von ſchlechter Ernährung zunahmen, iſt im Berichtsjahre, in dem die Preiſe für die genannten Nahrungsmittel niedriger waren, dagegen die von Fleiſch beſonders in die Höhe gingen, ein Zuſammenhang zwiſchen Nahrungs⸗ mittelteuerung und Zahl wie Art der Erkrankungen in der Armenbevölkerung nicht deutlich hervorgetreten. , 2 Die allgemeinen hygieniſchen Verhältniſſe haben im Vergleich zu den in den Vorjahren hervorgetretenen Erſcheinungen ebenfalls keine beſondere Aenderung erfahren; gelegentlich zeigt ſich in einzelnen Bezirken eine Beſſerung der Geſundheitsverhältniſſe bei Niederlegung alter Häuſer. In ihrer Mitwirkung an den Arbeiten des ſtädtiſchen Wohnungs⸗ amtes beſtätigen die Stadtärzte deſſen günſtigen erzieheriſchen Einfluß, einige betonen freilich die Schwierigkeiten bei der Betämpfung und Beſeitigung ſchwererer baulicher Mängel. Im übrigen wird hervorgehoben, wie viel erfolgreicher es iſt, in ſolchen Fällen zu wirken und zu erziehen, wo Krankheit oder Tod des Ernährers oder wirtſchaftlicher Niedergang allein den Notſtand verurſachten, wie viel ſchwerer und oft ganz unmöglich, wenn Trunkſucht des Mannes oder Laſter der Frau der Grund für Armut und Krankheit ſind. Hier arbeiten Stadtarzt und Wohnungspfleger häufig vergeblich. Auch in der Verwaltung ſind im Berichtsjahre Aenderungen von Belang nicht eingetreten. Der Stadtarzt Dr Fabian legte nach kurzer Tätigkeit wegen Verzugs nach außerhalb ſeine Stelle nieder, ſeinen Bezirt übernahm der Stadtarät des 1. Bezirks Dr. Pollack; an deſſen Stelle wurde der Aſſiſtenzarzt des Kaiſerin⸗Auguſte⸗Viktoria⸗Hauſes, Herr Hörder, gewählt. Am Ende des Berichts⸗ jahres kündigte der Stadtarzt, Sanitätsrat I). Fritze, ſeine Stellung, ſchied ſofort aus und ließ ſich für das nächſte ihn noch verpflichtende Vierteljahr vertreten. An ſeine Stelle wurde ſpäter ſein 1911 aus Geſundheitsrückſichten ausgeſchiedener Vorgänger, Herr Sanitätsrat Dr Braunſchild, wiedergewählt. Der neugewählte Stadtarzt des 1. Bezirks, Herr Hörder, übernahm zugleich die am Schluſſe des Vor⸗ jahres neu eingerichtete Stelle eines Hausarztes des ſtädtiſchen Obdaches und Familienhauſes und damit die Verpflichtung der regelmäßigen geſundheitlichen Ueberwachung des Betriebes und der Inſaſſen. Da er bald nach Antritt ſeines Amtes den Mangel des Fehlens einer Abſonderungsabteilung im Familien⸗ hauſe, namentlich für anſteckungsverdächtige Kinder hinwies, ſo wurde unter ſeiner Mitwirkung in einigen zur Verfügung ſtehenden Räumen aus bereiten Mitteln eine kleine Abſonderungsabteilung errichtet, die aus zwei Schlafräumen mit je 2 Betten, einem kleinen Tagesraum und einem Wärterinzimmer beſteht. Bei der Ueberweiſung von Kranken an Spezialärzte hatte es ſich gezeigt, daß mehr als die Hälfte aller Fälle Erkrankungen von Naſe, Ohr und Kehlkopf betrafen; da außer⸗ dem die gleiche Erſcheinung bei der Ueberweiſung von erkrankten Schulkindern durch die Schul⸗ ſchweſtern hervortrat, ſo beſchloſſen die ſtädtiſchen Körperſchaften die Anſtellung eines beſon⸗ deren Stadtſpezialarztes für Hals, Naſen⸗ und Ohrenkrankheiten, dem die Schuldeputation zugleich die Tätigkeit eines Schularztes der Schwerhörigenſchule über⸗ trug. Gewählt wurde in dieſe Stelle der bisherige Schularzt der höheren Schulen, Herr Ober⸗ ſtabsarzt a. D., Sanitätsrat Dr Barth. Wie in den Vorjahren fanden auch in dieſem Jahre regelmäßige Sitzungen der Stadtärzte unter Vorſitz des Dezernenten der Armendirektion ſtatt; hier wurden die Ergebniſſe der von der Geſchäftskommiſſion der Stadtärzte vorgenommenen Prüfung der ärzt⸗ lichen Verordnungen vorgetragen, und die etwa hervorgetretenen Mängel eingehend beſprochen; es wurden Vereinbarungen über einheitliche Grundſätze bei der Verordnung von Milch und Speiſen getroffen und ſonſtige ſtrittige Fragen geregelt. Im Laufe der letzten Jahre war die Tätigkeit der Stadtärzte durch Zuerteilung einer Reihe neuer Aufgaben angewachſen. Namentlich die Ueberweiſung bedürftiger Schulkinder, bei denen der Schularzt die Notwendigkeit einer Behandlung feſtgeſtellt hatte, der gleiche Vorgang im Wirkungsbereich der Säuglingsfürſorgeſtellen und des Lungenfürſorgeamtes, die Mitwirkung bei den Arbeiten des Wohnungsamtes und ihre Mitarbeit bei der Wiederzulaſſung diphtherie⸗ verdächtiger Kinder zum Schulbeſuch hatte die Tätigkeit der Stadtärzte weſentlich geſteigert, — während allerdings die im vorigen Berichtsjahr beſchloſſene Uebertragung der Ueberwachung der geſunden ſtädtiſchen Pflegekinder an die Leiter der Säuglingsfürſorgeſtellen eine gewiſſe Ent⸗ laſtung bedeutete. Da überdies ſeit geraumer Zeit eine Anderung im Gehalt der Stadtärzte nicht eingetreten war, beſchloſſen die ſtädtiſchen Körperſchaften deſſen Erhöhung von 1500 auf 1800 ℳ vom 1. April 1913 ab. In der Bezirkseinteilung iſt eine Aenderung nicht eingetreten. Die auch in dieſem Jahre deutlich merkbare Ungleichheit der einzelnen Bezirke nach Umfang der Geſchäfte hat eine Reihe verſchiedenartiger Gründe. Die Errichtung neuer Wohnſtraßen in dem einen Bezirk, die Niederlegung größerer älterer Häuſer in dem anderen ſchafft Unterſchiede, denen nicht ſofort durch die Umlegung von Bezirken abgeholfen werden kann. Daneben ſpielen noch Unterſchiede in der Zuſammenſetzung der Bevölkerung und ſogar die verſchiedene Beliebtheit einzelner Aerzte eine gewiſſe Rolle. Im ganzen iſt aber der Umfang der Tätigkeit der Aerzte im Durchſchnitt kein ſehr großer, vielmehr geringer als in vielen anderen Städten. Es kamen auf den Arzt im Berichtsjahre durchſchnittlich: 485 Patienten, 1754 Konſultationen, 305 Be⸗ ſuche, 48 Gutachten und 54 Totenſcheine. Die verhältnismäßig geringere Zahl der Patienten liegt aber durchaus im Intereſſe der verſorgten Kranken, deren ſich der im Nebenamte tätige Stadtarzt namentlich in Zeiten hohen Krankenſtandes ſorgfältiger annehmen kann als bei größeren Bezirken. Für die Zweckmäßigkeit des Syſtems der kleinen Bezirke ſpricht die Tatſache, daß die Zahl der Beſchwerden, die an ſich