Charlottenburg im Jahre 1913. Das Jahr 1913 ſtand im Zeichen bedeutungsvoller Perſonalveränderungen in der ſtädtiſchen Verwaltung. Drei neue Mitglieder traten im Laufe des Jahres in das Kollegium des Magiſtrats ein. An Stelle des verſtoubenen Oberbürgermeiſters Schuſtehrus wurde Ober⸗ bürgermeiſter Dr Scholz aus Caſſel zum Oberhaupt der Stadt gewählt. In das durch den Rück⸗ tritt des Stadtrats und Stadtälteſten Samter erledigte Dezernat der Armen⸗ und Waiſen⸗ verwaltung berief die Stadwerordnetenverſammlung den Landesrat Auguſtin aus Wiesbaden, Stadtrat Sembritzki aus Königsberg übernahm das Syndikat, das Bürgermeiſter Dr Maier vor jeiner Wahl zum zweiten Bürgermeiſter der Stadt faſt ein Jahrzehnt hindurch verwaltet hatte. Wie wohl in allen Gemeinden unſeres Vaterlandes, ſo machte ſich auch in Charlotten⸗ burg der Einfluß des Rückganges der allgemeinen wirtſchaftlichen Konjunktur in hohem Maße fühlbar. Die bereits 1911 einſetzende Stockung auf dem Baumarkte hielt im Jahre 1913 in ver⸗ ſchärfter Form weiterhin an; nur 71 Neubauten wurden fertiggeſtellt, gegen 141 im Vorjahre. Die Wirkungen des Rückganges der Bautätigkeit waren außerordentlich weitreichende. Die ungenügende Wohnungsherſtellung führte zu einer fortſchreitenden Abnahme der Zahl der leerſtehenden Wohnungen in allen Größen, insbeſondere aber der Kleinwohnungen; der Vorrat an dieſen hielt ſich weit unter 3/%. Der ſtädtiſche Wohnungsnachweis vermochte daher die Nachfrage nach Kleinwohnungen bei weitem nicht zu befriedigen, zumal die Wohnungsknappheit auch eine Verteuerung der Mieten gerade für die meiſt begehrten Wohnungsgrößen zur Folge hatte. Auf den Mangel an Kleinwohnungen iſt es teilweiſe zurückzuführen, daß die Be⸗ völkerungszunahme Charlottenburgs gegenüber dem Vorjahre wiederum zurückging, und daß zum erſten Male in dieſem Jahrhundert — der Bevölkerungszuwachs durch Geburtenübeiſchuß größer war als der durch Wanderungsgewinn, durch den bisher vorwiegend das Wachstum unſerer Stadt bedingt war. Die Ruhe im Baugewerbe beeinflußte auch den Arbeitsmarkt ungünſtig. Dem gewaltigen Andrang der Arbeitſuchenden konnte der ſtädtiſche Arbeitsnachweis nur wenige offene Stellen gegenüberſtellen. Die Schreibſtube für Stellungsloſe litt ſchwer unter der Abnahme der Aufträge infolge der allgemeinen Geſchäftsſtille. Auch in dem verminderten Angebot von Stellen für Dienſtboten kamen die ungünſtigen wirtſchaftlichen Verhältniſſe zum Ausdruck. Die ſtädtiſche Verwaltung war beſtrebt, dem allgemeinen Notſtand nach Kräften zu ſteuern. Um den einheimiſchen Arbeitern Arbeit und Verdienſt zu ſchaffen, wurden Maßnahmen getroffen, durch die die Beſchäftigung auswärtiger Arbeiter bei Unternehmern ſtädtiſcher Bau⸗ arbeiten eingeſchränkt wurde, ſo daß trotz der ſchlechten wirtſchaftlichen Lage wieder eine Zu⸗ nahme in der Vermittelungstätigkeit des ſtädtiſchen Aubeitsnachweiſes ſtattfand. In größerem Umfange als in anderen Jahren wurden ferner Notſtandsarbeiten in Angriff genommen, bei denen eine beträchtliche Anzahl von Arbeitern ihr Brot fand. Noch immer laſtete die allgemeine Lebensmittelteuerung auf den breiten Schichten des Volkes. Die bereits in den Vorjahren zur Linderung der Teuerung getroffenen Einrichtungen wurden fortgeführt. Auch auf die Geſtaltung der ſtädtiſchen Finanzen blieb der ungünſtige Zuſtand des Wirtſchaftslebens nicht ohne Einfluß. Die Jahresrechnung ſchloß mit einem Fehlbetrag von rund 270 000 %ℳ ab, der aus dem Ausgleichsfonds gedeckt wurde. Einkommen⸗, Grund⸗ und Umſatzſteuer blieben um faſt eine Million Mark hinter dem Voranſchlag zurück. Infolge des Rückganges des Gasabſatzes erreichte der Reingewinn der ſtädtiſchen Gaswerke nicht die er⸗ wartete Höhe, und auch bei den Ladeſtraßen verurſachte das Darniederliegen der Bautätigkeit einen hohen Einnahmeausfall. Die Armenlaſten erfuhren eine weitere Steigerung. Die ſtäd⸗ tiſchen Körperſchaften ſahen ſich unter dieſen Umſtänden zur Einführung einer neuen Steuer noch vor Ablauf des Rechnungsjahres veranlaßt. Sie wählten die bereits in den meiſten größeren Städten beſtehende Luſtbarkeitsſteuer, auf die die Gemeinden als Einnahmequelle durch das Geſetz ausdrücklich hingewieſen werden. Auch die ſtädtiſche Sparkaſſe hatte Anlaß, über den Druck der politiſchen Unſicherheit und der ungünſtigen wirtſchaftlichen Konjunktur auf den Geſchäftsverkehr zu klagen. So erſcheint das Bild der allgemeinen Lage unerfreulich. In der Fortenwicklung der kommunalen Einrichtungen trat indes ein Stillſtand nicht ein. Die Stadwerwaltung war viel⸗ mehr unabläſſig auf deren Fortbildung und Vervollkommnung bedacht. Unſere an monumentalen Bauwerken ſo reiche Stadt erhielt neuen Zuwachs an ſchönen ſtädtiſchen Bauten. An bevor⸗