—= 8 — Die kommunale Verwaltung, an deren Spitze Sie jetzt treten, blickt auf eine Entwick⸗ lung zurück, wie wohl kaum eine zweite in Preußen. Vor wenig über drei Jahrzehnten war Charlottenburg noch eine einfache kleine Landſtadt, und es traten damals von Berlin aus die großſtädtiſche Entwicklung und damit die Notwendigkeit, großſtädtiſche Aufgaben zu löſen, an ſie heran. Die Charlottenburger Verwaltung fühlte ſich damals dieſen Aufgaben nicht gewachſen und hatte ſelbſt keinen anderen Wunſch, als nach Berlin eingemeindet zu werden, um dieſe Auf⸗ gaben einer kräftigeren Kommunalverwaltung zu überlaſſen. Aber auch die Stadt Berlin trug damals in weiſer Selbſtbeſchränkung Bedenken, ſo große Aufgaben, wie ſie an ſie geſtellt wurden, durch gleichzeitige Eingemeindung von Charlottenburg und anderen Vorortgemeinden zu löſen. Die Verhandlungen zerſchlugen ſich, weil Charlottenburg nicht einer Abzweigung ein⸗ zelner Gebietsteile zuſtimmen wollte. Die Selbſtverwaltung von Charlottenburg wurde damit vor eine Aufgabe geſtellt, an deren Löſung ſie urſprünglich ſelbſt verzagt hatte. Sie hat ſie in muſtergültiger Weiſe gelöſt. Die ſtädtebaulichen Leiſtungen, die hier vollführt worden ſind, haben ſelbſt auf den Weſten der Mutterſtadt Berlin vorbildlich gewirkt, und ſie haben vor allem dazu geführt, daß hier eine ganz ungewöhnliche Finanzkraft hat ver⸗ einigt werden können durch die Anziehungskraft, die die kommunalen und ſtädtebaulichen An⸗ lagen auf ein ſteuerkräftiges Wohnpublikum übten. Die Stadt Charlottenburg hat eine Ent⸗ wicklung genommen, die als vorbildlich bezeichnet werden darf und als vorbildlich auf faſt allen (Gebicten anerkannt wird. Aber nirgends mehr als auf kommunalem Gebiet gilt der Satz: Raſt ich, ſo roſt ich. Bei einer Kommunalverwaltung gibt es keinen Stillſtand, und die Aufgaben, dic in der Kommune einmal gelöſt ſind, ſind immer wieder von neuem zu löſen, wachſen in immer veränderter Form wieder an ſie heran. Ganz beſonders heißt es in Charlottenburg, mit einer vorſichtigen finanziellen Ent⸗ wicklung zu rechnen, die hervorragende Steuerkraft, die hier geſammelt iſt, ſo auszunutzen, daß, wenn auf die Zeiten günſtiger Entwicklung, in denen ein ungewöhnlicher Wohlſtand ſich hier hat ausbilden können, auch einmal ernſte und ſchwere Zeiten folgen, die erforderlichen Re⸗ ſerven da ſind, um eine ſpätere Generation nicht mit Vorwurf auf die Vergangenheit zurück⸗ blicken zu laſſen. Was von Charlottenburg in ſeiner faſt wunderbaren Entwicklung gilt, das gilt in ähnlichem Umfange von allen Nachbargemeinden, von Berlin und dem ganzen Kranze ſeiner Vorſtädte. Auch ſie ſind in gleicher oder ähnlicher Weiſe gewachſen wie Charlottenburg. Und damit treten an eine Gemeinde wie Charlottenburg wieder neue Aufgaben heran. Umgeben von anderen großſtädtiſchen Gebilden, die ſich ihrerſeits recken und rühren, bieten ſich immer neue Reibungsflächen und die Notwendigkeit, auch die Verhältniſſe der Nachbargemeinden richtig zu berückſichtigen. Aus dieſer Notwendigkeit heraus iſt der Zweckverband erwachſen, der Zweck⸗ verband, der ja nur dadurch gebildet werden konnte, daß die einzelnen in ihm vereinigten Ge⸗ meinden ein kleines Opfer an Selbſtverwaltung brachten, dafür aber ſtarken Einfluß auf die Entwickelung von Groß⸗Berlin gewannen. Wenn ich richtig in die Zukunft ſehe, ſo wird ein⸗ mal in Groß⸗Berlin derjenigen Gemeinde der Preis zufallen, die ſich am beſten in allen Lebens⸗ lagen nicht als Einzelgemeinde, ſondern als Glied von Groß⸗Berlin zu fühlen weiß, als das⸗ jenige Glied, das beſtimmend wirkt auf die Entwickelung von ganz Groß⸗Berlin. So wünſche ich Ihnen, Herr Oberbürgermeiſter, daß die Periode, in die die Stadt Charlottenburg unter Ihrer Führung enzutreten hat, dereinſt bezeichnet werden möchte als eine Periode tatkräftiger Vorwärtsentwickelung. Aber ich wünſche Ihnen auch, daß ſich gleichzeitig dieſe Periode als eine ſolche der Harmonie kennze chnen möge, der Harmonie ſowohl im Innern als nach außen, der Harmonie in den Beziehungen der Stadt Eharlottenburg zu den weiteren Kommunal⸗ verbänden, denen ſie angehört, zu der Provinzialverwaltung und dem Zweckverbande — als eine Veriode der Harmonie den Staatsbehörden gegenüber, deren Stellung zu erner Stadt von der Be⸗ deutung Charlottenburgs ſelbſtverſtändlich wohl niemals die einer patroniſierenden Behörde ſein kann; eine Selbſtverwaltung wie die Charlottenburger kann ſich nur ſelbſt regieren, und es würde falſch ſein, wenn die Staatsregierung den Elementen der Selbſtverwaltung das Gefühl der alleinigen Verantwortung in Zukunft nehmen wollte. Ich glaube aber, daß nirgends mehr als gerade in Groß⸗Berlin die einzelnen Städte der Mitwirkung der Staatsbehörden bei der Löſung ihrer Aufgaben nicht entraten können und daß es für die einzelne Gemeinde nur von Segen und Vorteil ſein wird, wenn ſich zwiſchen ihr und der Staatsregierung ein Vertrauensverhältnis entwickelt und befeſtigt, in dem man ſich gern gegenſeitig orientieren läßt und Rat annimmt. Ich wünſche deshalb, daß die Zeit Ihrer Amtstätigkeit hier eine ſolche der Harmonie werden möchte zwiſchen der Stadtverwaltung und der Staatsregierung und an letzter, wenn auch bedeu⸗ tungsvollſter Stelle natürlich eine Harmonie im Verkehr der Stadt mit dem Träger der Krone, der beſonderen Stellung entſprechend, welche die Stadt als Reſidenzſtadt einnimmt, und der beſonderen Stellung entſprechend, die, wie Sie wohl in Charlottenburg allgemein empfinden, die Stadt Charlottenburg in dem landesväter lichen Herzen Seiner Majeſtät einnimmt. Es liegt mir die Pflicht ob, Sie, Herr Oberbürgermeiſter, in Ihrer neuen Stellung zu vereidigen. Sie haben den Staatsdienereid bereits früher geleiſtet. Ich bitte Sie, durch Handſchlag an Eidesſtatt zu vekräftigen, daß Sie Ihre Amtspflichten dieſem Eide entſprechend führen werden. Namens der Stadtverordnetenverſammlung begrüßte der Stadwerordneten⸗Vorſteher 1). Frentzel den neuen Oberbürgermeiſter: „Sehr geehrter Herr Oberbürgermeiſter! Nachdem Sie ſoeben vom Herrn Regierungs⸗ präſidenten in feierlicher Weiſe in das Amt, in welches Sie dieſe Verſammlung vor nunmehr etwa vier Monaten gewählt hat, eingeführt worden ſind, geſtatte ich mir, Sie als unſer nunmehriges Stadtoberhaupt herzlichſt zu bewilltommnen und zu beglückwünſchen. Sie ſtehen in dieſem Angenblicke zum erſten Male als ſolches vor uns, vor dem Magiſtrat dieſer Stadt und vor dieſer Verſamm⸗ lung, vor den Männern alſo, mit denen Sie für die Zukunft andauernd zuſammenarbeiten werden, und Sie ſind als ſolches an die Stelle des unvergeſſenen Mannes getreten, der faſt anderthalb Jahrzehnte hindurch dieſen Platz einnahm und zierte, der voller Pflichttreue bis zum letzten Atemzuge ſeine große Begabung und ſeine meiſterliche, vom Glück begünſtigte Geſchicklich⸗ teit ſo zu nutzen wußte, daß ſeine Tätigkeit und ſein Wirken für unſere Stadt zu einem vollen Erfolge wurde. Seines Weſens und Wirkens Spuren werden Ihnen überall gleichſam wie eine ſchöne Ueberlieferung entgegentreten, treulich bebütet in ihrer Eigenart, bewahrt von dem Manne, der nach Schuſtehrus' Hinſcheiden in der ſchwierigſten Lage die Leitung der Geſchäfte