— 5 — übernahm und mit vorbildlicher Gewiſſenhaftigkeit und Hingabe durchführte, mit nicht genug zu rühmender Pflichttreue, mit der vollen Einſetzung ſeiner Perſon und ſeiner ganzen großen Arbeitskraft. Sie treten an die Spitze des Magiſtratskollegiums, eines Kollegiums, in dem jedes Mitglied bisher mit ſeinem nunmehr dahingeſchiedenen Leiter wetteiferte in dem leben⸗ digen Gefühl des Pflichtbewußtſeins, der Verantwortlichkeit und dem Arbeitseifer, wetteiferte mit dem Manne, der es verſtand, dieſe vorzüglichen und ſo verſchiedenen Kräfte zu einer glück⸗ lichen Geſchloſſenheit und Einheit zuſammenzuführen, ohne daß dabei die Eigenart und der Eigenwert des einzelnen Not litt oder zurückgeſetzt wurde. Und endlich darf ich Sie verſichern, daß dieſe Verſammlung Ihnen hier mit vollem, uneingeſchränktem Vertrauen entgegentritt, daß ſie feſt entſchloſſen iſt, Sie nach beſten Kräften zu unterſtützen, und daß ſie ſich angelegen ſein laſſen will, ſoweit es im Rahmen ihrer Kompetens und ſoweit es in ihrer Macht liegt, Ihnen die Grundlagen zu geben, auf denen Sie Ihr ſchwie⸗ riges Werk aufbauen und durchführen können. Denn daß es ein ſchönes und großes, aber auch ein ſchwieriges Werk iſt, an das Sie herantreten, davon werden Sie ſelbſt, Herr Oberbürger⸗ meiſter, vor allen Dingen überzeugt ſein. Aber ich glaube, Sie müßten nicht der Mann ſein, als den wir Sie zu kennen glauben, wenn wir nicht vermuten dürften, daß gerade eben dieſer Umſtand, daß gerade die Größe und die Schwierigkeit der Aufgabe Sie beſonders veranlaßt haben, dem Rufe, den wir an Sie ergehen ließen, zu folgen, in der ernſt geprüften, aber feſten Ueberzeugung, daß die Kräfte Ihnen nicht fehlen werden, die Sie benötigen. Ich glaube, wir ſchätzen Sie richtig ein, wenn wir Sie zu den Männern rechnen, die von dem Leben als Höchſtes fordern, vor große Aufgaben geſtellt zu werden, die die volle Entfaltung aller Gaben bedingen, dic eine glückliche Natur Ihnen mit⸗ gegeben hat. Sie haben auf dem Gebiete kommunalpolitiſcher Tätigkeit bisher reiche Erfahrungen ſammeln können; Sie ſind in verſchiedenen bedeutenden Städten, Städten, die eine kräftige und fortſchreitende Entwicklung aufweiſen, tätig geweſen und nach der Anſicht kompetenter Beurteiler überall mit gleichbleibendem und ſchönem Erfolg. Und dieſe Erfahrung wird Ihnen auch ein guter Weiſer auf dem Wege ſein, den Sie jetzt einſchlagen ſollen. Und dennoch werden Sie finden, daß die Verhältniſſe und die Dinge in Charlottenburg nur teilweiſe Analogien mit dem bieten, was Sie in anderen Städten zu ſehen und zu beobachten Gelegenheit hatten. Freilich, eine erfreuliche Zunahme der Bevölterung, ein kräftiges Aufblüben kommunalen Lebens finden wir glücklicherweiſe in Deutſchland in den letzten zwei Dezennien, die über uns hingegangen ſind, an vielen Orten. Aber ganz unſerer Stadt eigen iſt doch vielleicht der durchgreifende und vollkommene Wechſel, den bei uns ſelbſt die grundlegenden Dinge, und zwar in kürzeſter Zeit, erfahren haben und erfahren, und der ſo weit geht, daß eigentlich Ihre beiden Amtsvorgänger am Ende ihrer Tätigkeit eine ganz andere Stadt zu verwalten hatten, als die war, in der ſie ihre Tätigkeit began nen. Die ſtille Gartenſtadt, die, mehr als andert⸗ halb Jahrhunderte alt, ſich wenig rückt und wenig rührt, gewinnt direkte Beziehung und direkte Berührung mit der wachſenden und nach Weſten ſich dehnenden Hauptſtadt, und aus dieſer Be⸗ rührung entſteht in einer Zeit von nicht viel mehr als einem Dezennium die Umwandlung zu einer Großſtadt, aber zu einer Großſtadt mit einem ganz beſtimmten, etwas einſeitigen Charak⸗ ter: die Umwandlung in eine vornehme Wohnſtadt. Die Aufgabe des Tages war es damals, dieſe Entwickelung zu ergreifen und zu fördern. Daß ſie gelöſt worden iſt, daß ſie richtig gelöſt worden iſt, beweiſt der Erfolg. Aber nicht lange bleibt die Entwickelung nur in dieſer einen Richtung. Der Verkehr, dieſer unkontrollierbare, unüberſehbare, ſich anſcheinend keinem Geſetz fügende Faktor, ſchafft plötzlich und ganz unvermutet im Oſten unſerer Stadt, aber ohne Anlehnung an Berlin, ein Zentrum der Geſchäftstätigkeit allererſten Ranges, das in ſeiner wirtſchaftlichen Bedeutung weit über die Grenzen unſerer Stadt hinausragt, das aber die Umgebung, in der es ſich nieder⸗ läßt, in kurzer Zeit vollkommen und durchgreifend bis zur Unkenntlichkeit verändert. Statt der ruhigen Stille, die früher herrſchte, haben wir heut pulſierendes Leben, ein ewiges Auf und Ab der Bewegung, ein Haſten und Treiben. Von dem Urſprungsort der Niederlaſſung dehnt ſich dieſe Entwicklung nach allen Seiten aus. Sie iſt ſo ſtark und ſo kräftig, daß ihrem Fortſchreiten 22 ihrem unſere Stadt verändernden Drange vorerſt Ziel und Grenzen nicht geſetzt zu ſein einen. So erleben wir das Schauſpiel, daß Charlottenburg genau die gleiche Entwicklung durch⸗ macht, wie die beſten Teile von Berlin ſie hinter ſich haben, aber nur mit dem Unterſchied, daß das, . — 4 Dezennien zum Ausreifen braucht, ſich bei uns ſchon in Jahren durchſetzt und zur Blüte gelangt. Wohin es geht, wer weiß es? Aber mit doppelter Vorſicht und Aufmerkſamkeit wird auch der dieſen Entwicklungsgang verfolgen müſſen, der ihm Bahnen und Wege weiſen will, die auch unſerer Stadt zum Vorteil und zum Gedeihen gereichen. Und dabei wird er eines nicht ver⸗ geſſen dürfen, was auch bereits von dem Herrn Regierungspräſidenten erwähnt worden iſt: Wir ſtehen nicht allein. Neben den höheren Pflichten ſtaatlicher Notwendigkeiten, die wir gerne tragen, haben wir auch auf die Nachbarn Rückſicht zu nehmen, die mit uns Haus an Haus wohnen und mit denen uns zum Teil gleiche Intereſſen verbinden. Wir ſind ein Glied von Groß⸗Berlin, und wir dürfen wohl ſagen: ein ſehr wichtiges Glied. Wir haben in erſter Linie die Aufgabe, die Intereſſen und die Wohlfahrt unſerer Bürger zu behüten und zu wahren. Aber wir dürfen nie vergeſſen, daß auch der Teil nicht geſund bleiben und blühen kann, wenn nicht auch das Ganze in geſunder Verfaſſung daſteht. Darum müſſen wir und wollen wir aus dieſer Rückſicht heraus Opfer auf uns nehmen zum Beſten des Ganzen, zum Beſten dieſer großen Gemeinſamkeit in der Vorausſicht und in der Erwartung, daß auch die anderen Glieder dieſes Körpers uns gegen⸗ über die gleichen Opfer zu tragen gewillt ſind. — Das ſind ſo einige Punkte, die mir in dieſer Stunde zu erwähnen wert erſcheinen. Es gibt deren vielleicht noch mehrere, die beſſer und eher hier genannt werden ſollten; aber im Hin⸗ blick auf den Charakter des Augenblicks verſage ich mir, auf ſie einzugehen. Aber wie dem auch ſei: Gehen Sie mit uns gemeinſam an die Arbeit, verehrter Herr Oberbürgermeiſter! Sie ſelbſt werden ſehen, prüfen und erfahren, wo es zu arbeiten, wo es zu fördern und wo es tätig zu ſein gilt. Groß iſt die Zahl derjenigen Leute, die mit Erwartung dieſer Stunde entgegengeſehen haben, noch größer die Zahl derer, für die ſie von einſchneidender Bedeutung und Wichtigkeit ſein wird. Möge es ein gütiges Geſchick fügen, daß alle dieſe Männer und vor allen Dingen Sie ſelbſt, verehrter Herr Oberbürgermeiſter, dereinſt d inkbaren Gedenkens und freudiger Rückerinnerung der Stunde ſich erinnern, die Sie in unſere Mitte führte!“ 2