— 411. — „Sehr geehrter Herr Kollege Sembritzti! Ein herbes Geſchick hat den Mann, der mit großem Vertrauen und hohen Erwartungen Ihrem Eintritt in unſere Verwaltung entgegenſah, von ſeinem Platze gerufen. Mir liegt es nun, nachdem der Herr Regierungspräſident Ihre Wahl zum Stadtſynditus beſtätigt hat, ob, Sie in Ihr neues Amt einzuführen. Ich tue das um ſo lieber, als auch ich Ihre Wahl lebhaft begrüße, weil ich ſie für eine glückliche halte und weil ſie das Amt betrifft, das ich ſelbſt vermöge des Vertrauens der ſtädtiſchen Körperſchaften voller Befriedi⸗ gung faſt ein Dezenmum verwaltet und lieb gewonnen habe. Die Arbeit iſt die wahre Lebensfunktion eines rechten Mannes. Es iſt deshalb eine Genugtuung für einen ſo arbeitsfrohen und arbeitsfriſchen Mann, wie Sie es ſind, an eine Stelle berufen zu werden, an der er ſeine Arbeitskraft, ſeine Fähigkeiten und Erfahrungen zum Beſten der Allgemeinheit in einer aufſtrebenden Großſtadt verwenden kann. Und wahrlich, an Arbeit wird es Ihnen nicht fehlen. Es wird ſich Ihnen ein weites Feld für Ihre Tätigkeit er⸗ öffnen, das Sie in mancher Hinſicht vor neue große Aufgaben ſtellen wird. Die Gemeindeverwal⸗ tung in Groß⸗Berlin iſt erſchwert durch den Widerſtreit der Intereſſen der in der Gemengelage befindlichen Gebietskörperſchaften. Die Wirtſchaftseinheit Groß⸗Berlin iſt von Rechts wegen in eine Menge von Rechtseinheiten zerſchnitten, die genötigt ſind kraft Geſetzes, ein eigenes Wirt⸗ ſchaftsleben zu führen, zuweilen im Kampfe gegeneinander. Dieſe Eigenart der Berliner Verhält⸗ niſſe wird weiter dadurch kompliziert, daß der Schritt der Entwicklung in Groß⸗Berlin im weſent⸗ lichen ſchneller iſt als in anderen Gemeinden, und gerade im Tiefbauweſen, deſſen Verwaltungs⸗ dezernat organiſationsgemäß mit dem Syndikat verbunden iſt, machen ſich dieſe Eigenarten des Berliner Lebens ganz beſonders bemerkbar. Wenn auch gegemwärtig die Konjunktur auf dem Baumarkte und die Entwicklung ſtockt, ſo wird doch einmal eine andere Zeit kommen und die Entwicklung in demſelben ſchnellen Tempo, wie dies früher der Fall war, hoffentlich wieder ein⸗ ſetzen. Dann wird an Ihre Arbeitskraft eine ganz beſondere Anforderung geſtellt werden; dann wird aber auch für Sie die Zeit kommen, wo Sie mit beſonderer Befriedigung an den Auf⸗ gaben, die Ihnen geſtellt ſind, arbeiten werden. Die Stadtverordnetenverſammlung hat mit großer Einhelligkeit Ihnen Ihr neues ſchönes, arbeitsreiches Amt übertragen. Ich beglückwünſche Sie herzlichſt hierzu und ſpreche die Ueberzeugung aus, daß es Ihnen auch in Ihrem neuen Amte gelingen wird, mit demſelben nach⸗ haltigen Erfolge, mit dem Sie Ihr altes Amt in Ihrer Heimatſtadt Königsberg verwaltet haben, hier zu wirken. Die Stadt Königsberg hat nur mit lebhaftem Bedauern und mit dem reichen Dante der berufenen Vertreter der Bürgerſchaft Sie aus Ihrem Amt entlaſſen. Ich will hoffen, daß eine gleiche Anerkennung Ihr Wirten auch hier begleiten wird. Gleichzeitig begrüße ich Sie als neues Mitglied unſeres Magiſtratskollegiums. Das Band freundſchaftlicher Amtsgemeinſchaft, das alle Mitglieder des Magiſtrats verknüpft, ſoll auch Sie mit uns verbinden, damit Ihnen Ihr Amt leichter und angenehmer wird und damit Sie Freude haben an Ihrer Arbeit. Ich heiße Sie namens des Magiſtrats auch an dieſer Stelle herzlichſt will⸗ kommen. 6 Indem ich Ihnen Ihre Anſtellungsurkunde überreiche, verehrter Herr Kollege, nehme ich Sie auf den geleiſteten Staatsdienereid von neuem in Pflicht und Eid für Ihr neues Amt.“ Der Stadtverordnetenvorſteher Dr Frentzel begrüßte den Stadtſyndikus wie folgt: „Sehr geehrter Herr Syndikus! Nachdem der Herr Bürgermeiſter Sie eben in feierlicher Weiſe in Ihr neues Amt eingeführt hat, geſtatten Sie mir, daß auch ich Sie hier im Namen dieſer Verſammlung herzlichſt begrüße. Die Mitglieder derſelben haben, als an ſie die Notwendig⸗ keit herantrat, den Poſten eines Stadtſyndikus durch eine Neuwahl wieder zu beſetzen, aus einer großen Anzahl von zum Teil vorzüglich qualifizierten Bewerbern Ihnen den Vorzug gegeben. Sie konnten das tun und taten es in dem vollen Bewußtſein ihrer Verantwortlichkeit, in dem vollen Bewußtſein der Wichtigkeit und der Schwierigkeit der Entſcheidung. Sie haben aber auf Ihrem früheren Arbeitsgebiete in Ihrer Heimatſtadt Königsberg ſo reiche Erfolge erzielt, die Empfehlungen der zahlreichen Freunde, die Sie ſich dort erworben haben und die Sie nur ungern haben aus Ihrer alten Stelle ſcheiden ſehen, lauteten übereinſtimmend ſo glänzend, daß wir die ſichere Ueberzeugung hatten, in Ihnen denjenigen Mann gefunden zu haben, der den Poſten ſo ausfüllen wird, wie es die Wohlfahrt unſerer Stadt und das Intereſſe unſerer Mitbürger verlangt. Ich teile Ihnen das, ſehr verehrter Herr Syndikus, nicht nur aus perſönlichen, ſondern in erſter Linie aus ſachlichen Gründen mit, weil ich Sie bitten möchte, aus dieſen Dingen die Tatſache zu entnehmen, daß dieſe Stadtverordnetenverſammlung, die zu vertreten ich im Augenblick die Ehre habe, Ihnen mit uneingeſchränktem Vertrauen entgegen⸗ kommt. Ich halte dieſe Tatſache für wichtig, weil ich glaube, daß ſie geeignet iſt, Ihnen die nötige Ruhe, Zuverſicht und Vertrauen zu geben, die erforderlich ſind, um Ihr Amt mit Sicherheit und auch mit Freude führen zu können. Sie kommen zu uns, Herr Syndikus, aus Königsberg, aus der Stadt, die jetzt in der Zeit der Erinnerung an das, was vor 100 Jahren ſich in unſerm preußiſchen Vaterlande ereignet hat, unſerm Gedächtnis beſonders nahe gerückt iſt, aus der Stadt, deren Name einen beſonderen Klang für alle diejenigen Leute haben muß, die an einer Stelle oder in irgendeinem Amt in der Selbſtverwaltung einer Stadt tätig ſind. Es iſt nicht nur ein bloßer Zufall, daß die Stadt Königsberg der Geburtsort der Städteordnung war. Der lebhafte Gemeinſinn, die Opferwilligkeit der Bürgerſchaft auch zu jener Zeit, in der trübſten Zeit, die über unſer Vaterland dahinge⸗ gangen iſt, ſind nicht ohne Einfluß auf die Anſichten und Abſichten der Schöpfer dieſer Ord⸗ nung geblieben. Und insbeſondere war es ein Königsberger Bürger, der Polizeidirektor Frey, der ſein ganzes Leben im Dienſte Ihrer früheren engeren Landsleute hingebracht hat, der den Wünſchen und den Ideen des genialen Staatsmannes Stein die rechte Form und Faſſung gab und der aus ſich ſelbſt heraus als ein begeiſterter Schüler Kants und ſeiner Pflichten⸗ lehre den Repräſentanten der Bürgerſchaft als höchſten und ſtrengſten Richter in allem ihrem Tun und Laſſen das eigene Gewiſſen ſetzen wollte. Ich glaube, Herr Syndikus, auch Sie werden durch Ihre Arbeit, Ihre Tätigkeit beweiſen können, daß die Städteordnung, die nun ſchon mehr als 100 Fahre alt iſt und de unter ganz anderen Bedingungen und für ganz andere Vorausſetzungen geſchaffen war, als ſie heute vorliegen, dennoch immer noch ein ausgezeichnetes Fundament abgibt, auf dem ſich eine Selbſtverwaltung der Städte erfolgreich und in würdiger Weiſe abſpielen kann. Ich begrüße Sie noch einmal im Namen dieſer Verſammlung.“ Auf die Anſprachen antwortete Stadtſyndikus Sembritzki: 2 „Sehr verehrter Herr Bürgermeiſter! Sehr verehrter Herr Stadtverordnetenvor⸗ ſteher! Ich dante Ihnen herzlich für die freundlichen Worte der Begrüßung, die Sie an mich 2