— 125 — Dden müſſen. Durch dieſe Zuſammenarbeit entgeht aber auch de Wohnungspflegerin der ſehr nahe liegenden Verſuchung, ſozialpflegeriſche Kurpfuſcherei zu betreiben . Denn es iſt nicht ihre Aufgabe, heute ambulatoriſch Krankenpflegerin und morgen Rechtsberaterin zu ſpielen uſw., ſondern gelegentlich ihrer Tätigkeit ſoll ſie ein wachſames Auge darauf haben, ob Rat und Hilfe nötig ſind, um die Hilfs⸗ bedürftigen dann an die ſachverſtändigen Spezialſtellen zu verweiſen. Abgeſehen davon, daß ſie allein überhaupt nicht imſtande wäre, die enorme Arbeitslaſt mit Erfolg zu bewältigen, würde ſie unter der Fülle der Anforderungen, die an ſie herantreten, ſehr bald den oberſten Grundſatz aller ſozialpflege⸗ riſchen Arbeit außer acht laſſen müſſen: Nicht nur ſymptomatiſche Behandlung des jeweils vorliegen⸗ den Einzelſchadens, ſondern Behandlung und Heilung der Urſachen. Unter dieſem Geſichtspunkte muß ſie ſich auch ſtets vor Augen halten, daß das Ziel der wohnungspflegeriſchen Tätigkeit nicht allein im Abſtellen der einzelnen Wohnſchäden liegt, ſondern weit darüber hinaus in einer allmählichen Um⸗ geſtaltung der Wohnweiſe und Wohnſitten der minderbemittelten Bevölkerung. Vorausſetzung für die Anbahnung und erfolgreiche Durchführung ſolcher Zuſammenarbeit iſt die ſtraffe Organiſation der betreffenden Einrichtungen und die ſozialpflegeriſche Schulung ihrer Helfer. Die Wohnungspflegerin ſelbſt muß auf einem möglichſt hohen ſozialen und Bildungs⸗ niveau ſtehen, damit der gemeinſamen Bewältigung der ſchweren ſachlichen Aufgaben nicht auch noch Schwierigkeiten perſönlicher Natur hindernd in den Weg treten. Aber auch den beſten Wohlfahrts⸗ organiſationen darf das Wohnungsamt die überwieſenen Fälle nicht für immer überlaſſen und dieſen Dadurch einen Teil der Wohnungsaufſicht unmittelbar übertragen, wie es bei der Organiſation des Ber⸗ liner Wohnungsamtes beabfichtigt zu ſein ſcheint. Das Wohnungsamt muß ſich unter allen Umſtänden unabhängig von dem Urteil Dritter, letzten Endes unverantwortlicher Perſonen grundſätzlich die Beſichti⸗ gung aller in Betracht kommenden Wohnungen vorbehalten, es muß ſich bei gemeinſam bearbeiteten Fällen über den Fortgang der Beſſerungsarbeit ſtän dig auf dem laufenden erhalten und nachprüfen, ob und wie ſeine Anforderungen erfüllt worden ſind. Es muß bedenken, daß es Pflicht und Recht jener anderen Helfer iſt, zu allererſt die Durchführung ihrer beſonderen Beſtrebungen im Auge zu haben, z3. B. bei den Schulhelferinnen die Vermittlung von Schulſpeiſung, die Unterbringung in Horten uſw., bei der Jugendgerichtshelferin der Schutz des Kindes u. ſ. f. Auch fehlen jenen Hilfskräften für die Be⸗ urteilung wohnungstechniſcher Verhältniſſe natürlich die fachlichen Kenntniſſe. Mit je mehr Einrichtungen das Wohnungsamt Fühlung ſucht und je enger die Zuſammen⸗ arbeit iſt, deſto mehr kann es zu der ſo wünſchenswerten Zentraliſation der Wohlfahrtsbeſtrebungen beitragen, als unparteiiſches Bindeglied zwiſchen allen. Die zentrale Stellung, die die Wohnungs⸗ ämter hierbei vorausſichtlich nach und nach einnehmen werden und u. E. auch anſtreben ſollen, beruht darauf und rechtfertigt ſich dadurch, daß ihre Organe von Amts wegen nach und nach in jede Wohnung kommen und nicht nur aus Anlaß eines Spezialfalles, (Lungenkrankheit, Verwaiſung, Kindergefähr⸗ dung uſw.) und daß für ſie überall Beſichtigungsrecht und Beſichtigungspflicht zuſammenfallen. Kurze gedruckte Formulare, die bei verſchiedenen ſtädtiſchen oder privaten Stellen ſchleunigſt umlaufen, erleichtern die erſte Anfrage. Andere Formulare ſollen die Aufnahme in Kindergärten, Horte uſw. vermitteln. Bei dieſen iſt leider die Erfahrung gemacht worden, daß viele von der Überweiſung keinen oder nur ſehr zögernden Gebrauch machen. Offenbar unterſchätzen ſie den großen Segen dieſer Ein⸗ richtungen für ihre Kinder bedeutend und bringen nur die kleine Vergütung, die zu zahlen iſt — und übrigens oft noch erlaſſen wird — in Anſchlag. Viele beſitzen auch eine unbegreifliche Leichtgläubigkeit für die törichteſten Gerüchte, die ab und zu über das Benehmen und die Behandlung der beaufſichtigten Kinder in Umlauf geſetzt werden. Sehr oft ſind es übrigens gerade die Familienväter, die ſich der Unterbringung der Kinder widerſetzen. Bedenkt man, daß zurzeit durch die Wohnungspflegerin 195 Familien behandelt werden, in denen ſämtlich die Geſamtlage mehr oder weniger verwickelt iſt, ſo iſt es begreiflich, daß in ihrer Arbeit, die ſich im Berichtsjahre über 7 Monate erſtreckte, die Nachbeſichtigungen weitaus überwiegen, und daß die Zahl der überhaupt vorgenommenen Beſichtigungen hinter derjenigen der männlichen Wohnungs⸗ pfleger zurückbleiben muß. Die einzelnen Beſuche in den Familien verlangen bei der Wohnungs⸗ pflegerin nach der Natur ihrer Aufgabe einen erheblich größeren Zeitaufwand als die Beſuche der Wohnungspfleger durchſchnittlich in Anſpruch nehmen, und ſie erfordern außerdem zahlloſe Anfragen, Auskünfte und Rückſprachen, die in der Statiſtik nicht in die Erſcheinung treten. Auf die Dauer iſt die Arbeit für eine einzelne nicht zu bewältigen; ſie bedarf zu ihrer Entlaſtung von einfacheren, aber oft recht zeitraubenden Arbeiten einer weiblichen Hilfskraft, um ſelbſt wieder für wichtigere Arbeiten frei zu werden. Letzten Endes würde auch die Ein⸗ ſtellung einer ſolchen Hilfskraft nur eine Erſparnis für die Stadt bedeuten; denn „ein Gramm Vorbeugung wiegt mehr als ein Pfund Heilung“. II. Die Schlafſtellenkontrolle. Im Berichtsjahre ſind insgeſamt 1955 „Anzeigen über die beabſichtigte Aufnahme von Schlafgängern“ bearbeitet worden; davon gingen 1549 neu ein, während 406 aus dem Vor⸗ jahre übernommen wurden. Der ſehr bedeutende Rückgang in der Zahl der eingegangenen Anzeigen gegenüber dem Vorjahre (3271) iſt daraus zu erklären, daß im Laufe der beiden erſten Jahre, ſeitdem das Wohnungsamt die Kontrolle der Schlafſtellen übernommen hat, der größte Teil der beſtehenden Schlafſtellen zur Anzeige gelangt und beſichtigt worden iſt. Da bei der Einrichtung des Woh⸗ nungsamtes ſämtliche (auch die vorher bereits genehmigten) Schlafſtellen neu angezeigt werden mußten, war die Zahl der eingereichten Anzeigen in den beiden erſten Jahren naturgemäß ſehr bedeutend (1911/12: 3569, 1912/13: 3399), während ſich jetzt die Neuanzeigen in erſter Linie auf die verhältnismäßig geringe Zahl der neu hinzukommenden Schlafſtellen erſtreckt; ein weiterer Teil entfällt dann noch auf die durch Umzug erforderlich werdenden Neuanzeigen, die zum großen Teil erſt durch die kontrollierende Tätigkeit der Beamten veranlaßt wurden. — Daneben wurde der in den Vorjahren erprobte Weg weiter beſchritten, an Hand der Revier⸗ bücher die Schlafſtellenvermieter ausfindig zu machen und zur Anzeige der Schlafſtellen zu nötigen, die ſich bisher der Anzeigepflicht entzogen hatten.