—, 135 — hervorgehoben, daß die Zahl der Aborte überhaupt, insbeſondere der mit Blutwergiftung ver⸗ bundenen Fehlgeburten, die den Krankenhäuſern zugehen, und unter denen die ſo vielfach unglücklich ablaufenden, verbrecheriſchen Eingriffe ſich befinden, in Charlottenburg gegenüber den Vorjahren in den bisherigen Kriegsmonaten ſogar eine nicht unerhebkiche Ab⸗ nahme erfahren hat. Was den Geſundheitszuſtand der Säuglinge unter dem Einfluſſe des Krieges betrifft, ſo muß man drei ſcharf getrennte Zeitabſchnitte unterſcheiden. In den erſten Wochen des Krieges traf der ungünſtige Einfluß der Sommerhitze mit der durch den Kriegs⸗ beginn außerordentlich geſteigerten Seelenerregung der Bevölkerung zuſammen. Die ſtillende und die ihr Kind pflegende, um ihren Gatten bangende Mutter mußte dadurch in der Kinder⸗ pflege ungünſtig beeinflußt werden. In der Tat zeigen für dieſen erſten Abſchnitt die ein⸗ gehenden, auch Charlottenburg berückſichtigenden Unterſuchungen von Rott durchweg eine Zunahme der Säuglingsſterblichkeit. Der zweite Abſchnitt fand die Mütter nach Abſinken der Sommerhitze in ruhigerer Stimmung und vor allem in geſicherter Lage. Daß die Ver⸗ ſorgung der Kriegsfamilien durch die Stadt eine ausreichende war, dafür liegt ein Beweis in einer eben erſchienenen größeren Arbeit von Profeſſor F. Müller über „Die Koſten der Ernährung eines Kindes in Friedens⸗ und Kriegszeiten“ vor.) In dieſer an Charlotten⸗ burger Kindern angeſtellten Unterſuchung kommt Müller zu dem Schluſſe, daß ſich insbe⸗ ſondere der zahlenmäßige Beweis dafür ergäbe, „daß die Stadt Charlottenburg den An⸗ ſprüchen der Kriegsunterſtützung beziehenden Bevölkerung bisher durchaus gerecht wurde.“ Daß ſelbſt ungünſtige wirtſchaftliche Veränderungen, ſobald ſie nur die Frauenarbeit ein⸗ ſchränken und der Mutter Gelegenheit geben, ſich um ihr Kind mehr zu kümmern und häufiger Bruſtnahrung zu geben, den Geſundheitszuſtand des Säuglings vorteilhaft beeinfluſſen, iſt ſchon von früher her bekannt. Ein weiteres Zeichen für dieſe Veränderung der Lage war auch die ganz bedeutende Abnahme der Belegung der Krippen, die zur Unterbringung der Kinder arbeitender Mütter dienen. Die Folge dieſer Verhältniſſe war eine Beſſerung der Sterblichkeit der Säuglinge während eines ſpäteren Zeitabſchnitts. In der Folge jedoch wurden die Frauen in immer größerem Umfang zur Arbeit als Erſatz der fehlenden Männer herangezogen, vor allem aber änderten ſich durch zunehmende Teuerung die anfangs ſo günſtigen Ernährungsverhältniſſe. die Milch wurde knapper, ſehr teuer und wohl auch durch veränderte Ernährung der Kühe weniger gehaltvoll. Von dieſen Anderungen iſt für das nächſte Berichtsjahr ein ungünſtiger Einfluß auf die Säuglingsgeſundheit zu erwarten. Zwar liegen die Zahlen, die ſich bis in das nächſte Berichtsjahr erſtrecken müßten, heute nur teilweiſe vor. Wie die Monatstabelle beweiſt, zeigten die Herbſtmonate 1914 höhere Werte, als das kühlere Vorjahr: die Monate Juni und Auguſt zeigen dagegen ungewöhnlich niedrige Sterblichkeitszahlen, während in der Zwiſchenzeit die Ergebniſſe mit denen des Vorjahres im weſentlichen übereinſtimmten. Säuglingsſterblichkeit auf 100 Lebendgeborene. 1913 1914 1915 Juli 1150 Januar 13,17 Jull 14,41 Januar 13,32 Auguſt 13,14 Februar. 12,33 Auguſt 16,46 Februar. 15,85 Sept.. 10,87 März . 12,62 Sept.. 17,2 Märg . 14,51 Oktober . 10,47 April 14,32 Oktober. 13,86 April 11,98 Novbr. 15,04 Mai. 11,57 Novbr. 14,28 Mai 13,12 Dezbr. 14,29 Juni . . 13,33 Dezbr. 15,29 Iuni 10,88 Juli. 8,95 Auguſt . 9,18 Wohl aber machen die ärztlichen Leiter der Säuglingsfürſorgeſtellen vielfach die Beobachtung, daß die Kriegskinder, die Kinder von Frauen von Kriegsteilnehmern, die nach Kriegsausbruch geboren wurden, zuweilen aeringere Körpermaße und gewiſſe nervöſe Störungen aufweiſen. Über dieſe rein mediziniſchen Beobachtungen wird an anderer Stelle ausführlich berichtet werden. Alle dieſe Bemerkungen beweiſen, daß die Beobachtungen über den Einfluß des Krieges auf die Geburtenbewegung und die Säuglingsſterblichkeit von einem Abſchluß noch ſehr weit entfernt ſind; es iſt daher diesmal davon abgeſehen, die Zahlen wie in den vor⸗ jährigen Berichten anzuführen. In der vollen Erkenntnis der Notwendig feit, gerade während des Krieges der Fürſorge für die Säuglinge beſondere Sorgfalt zu ſchenken, traten in den erſten Taaen n ach der Kriegserklärung alle an der ſtädtiſchen Säuglingsfürſorge beteiligten Kreiſe zu einer Beſprechung zuſammen, in der der einſtimmige Beſchluß gefaßt wurde, keine einzige der bewährten Einrichtungen aufzugeben oder einzuſchränken, im Gegenteil die beſtehenden mit beſonderer Sorgfalt weiter fort zuführen. Dieſer Grundſatz iſt bis heute ſtreng durchgeführt worden. Zum Glück blieben die Mehrzahl der bewährten Arzte und Schweſtern ihrer Aufgabe erhalten, und für die Einberufenen fanden ſich bald geeignete Vertreter. Ja, während des Krieges murde die ſchon vorher bewilligte neue ) Veröffentlichungen der Medizinalabteilung des preußiſchen Miniſteriums des Innern IV 10.