zur Aufnahme von wenigen Kühen und Ziegen ge⸗ eigneter Stall wird die Möglichkeit zum Studium der Fütterungsfrage bieten, welche bisher ebenſo wenig einwandsfrei gelöſt iſt, als die Fragen der Kühlung und Miſchung der Säuglingsmilch. Es wird in dieſer Abteilung ſich auch Gelegenheit finden, für die Ausbildung tüchtiger Kinderpflegerinnen zu ſorgen, woran bekanntlich ein großer Mangel herrſcht. Die Anſtalt ſoll etwa 50 bis 60 Betten ent⸗ halten. Nach einem von den Herren Geheimen Baurat Schmieden und Regierungsvaumeiſter Boethke entworfenen Plan werden als Bauplatz für die An⸗ ſtalt erwa 12500 qm erforderlich ſein. Wenn an einzelnen Stellen bereits wiſſenſchaft⸗ lich an einigen der erwähnten Punktie gearbeitet wird, beſteht doch zweifellos kein Inſtitut, wie es hier ge⸗ plant iſt. Ein ſolches iſt, weil es die Ernährungs⸗ fragen umfaſſend behandelt, durch ſeine ſyſtematiſche Arbeit beſonders geeignet, die große, in nationaler Beziehung hervorragend wichtige Frage löſen zu helfen. Dieſe Aufgabe, eine der größeſten unſerer 3 it und unſeres Landes, vat bereits zahlreiche Freunde in den wichtigſten Stellungen des Reichs und der Einzel⸗ flaaten ſowie unter hervorragenden Vertretern der Wiſſenſchaft gefunden. Insbeſondere haben Seine Majeſtät der Kaiſer und König und Ihre Majeſtät die Kaiſerin und Königin ihr Allerhöchſtes Intereſſe dadurch bekundet, daß ſie als die Erſten einen nam⸗ haften Beitrag geſpendet, um der Begiun des ge⸗ planten Wertes zu ermöglichen. Auf Anregung Ihrer Majeſtät der Kaiſerin und Königin hat am 17. Oktober 1905 eine Beſprechung ſtattgefunden, an welcher der unterzeichnete Ober⸗ bürgermeiſter teilgenommen hat. In dieſer Sitzung hat ſich ein Komitee gebildet, das noch durch Ver⸗ treter der deutſchen Bundesſtaaten und der preußi⸗ ſchen Provinzen ergänzt werden ſoll. Den Vorfitz im Komitee hat auf Wunſch Ihrer Majeſtät der Kaiſerin und Königin Seine Erzellenz Herr Staats⸗ miniſter von Thielen übernommen; aus der Stadt Charlottenburg gehören ihm die Herren Oberbürger⸗ meiſter Schuſtehrus, Bürgermeiſter Matting und Stadtverordneten⸗Vorſteher Juſtizrat Roſenberg an. Das Komitee wird einen Aufruf erlaſſen, welcher der Offentlichkeit von dem Unternehmen Mitteilung machen und um die Hergabe von Mitteln für die Errichtung der Anſtalt werben wird. Der vorbereitende Ausſchuß, welchem die Herren Staatsminiſter von Thielen, die Miniſterialdirektoren Dr. Althoff und Dr. Förſter, Geheimer Obermedi⸗ zinalrat Dr. Dietrich, Geheimer Medizinalrat Pro⸗ feſſor Dr. Heubner, Geheimer Baurat Schmieden, Kommerzienrat Frenckel und Kabinetsrat von Behr⸗ Pinnow angehören, hat ſich an die Stadtgemeinde Charlottenburg mit der Bitte gewandt, ob es dieſer möglich erſcheine, für den Zweck der Anſtalt einen geeigneten Bauplatz herzugeben, und zwar wenn möglich, zu Eigentum unter der Bedingung, daß er §8 zuruckgegeben werden ſoll, ſobald auf ihm nicht mehr dieſelben Zwecke verfolgt werden, und ſollte dieſes nicht angängig ſein zu Erbbaurecht. Eine ſolche Anſtalt würde die Gemeinde, in deren Gebiet ſie errichtet wird, zwar nicht entlaſten, denn die von ihr verfolgten Ziele gehören nicht zu den Aufgaben, zu deren Erfüllung die Gemeinde geſetzlich verpflichtet iſt, jed och würde eine ſolche Anſtalt natur⸗ gemäß vorwiegend mit Frauen und Kindern aus der Gemeinde, in deren Gebiet ſie liegt, belegt werden müſſen, da für die Erreichung der Zuecke der Anſtalt auch die weitere Beobachtung der entlaſſenen Frauen und Kinder und daher eine Verbindung mit ihnen erforderlich iſt. Auch wird die Belehrung der auf⸗ genommenen Mütter in der Anſtalt ſehr ſegensreich wirken. Daß die in der Anſtalt aufgenommenen Frauen und Kinder vorwiegend aus den minder⸗ demittelten Schichten der Bevölkerung ſtammen werden, iſt zu erwarten. Die Anſtalt würde ſo nicht nur der Erfüllung einer großen nationalen Aufgabe für das ganze deutſche Volk dienen, ſondern auch für die Bevölkerung der Gemeinde, in welcher ſie errichtet wird. von großem Segen ſein. Die Stadtgemeinde Charlottenburg beſitzt ein zur Errichtung einer ſolchen Anſtalt geeignetes Grund⸗ ſtück in dem 1903 von der Luiſen⸗Kirchengemeinde erworbenen Grundſtück zwiſchen der Sophie Char⸗ lotten⸗Straße und dem Königlichen Schloßgarten. Nach § 7 des Kaufvertrages muß dieſes Grundſtück mindeſtens zum Teil zur Errichtung von Arbeiter⸗ wohnhäuſern oder anderen gemeinnützigen Zwecken verwendet werden. Von dieſem Grundſtück wird nach dem vorläufigen Bebauungsplan durch die Ver⸗ längerung der geplanten Straße 260 nach Norden ein öſtlicher Baublock abgeſchnitten, von welchem ſich ein nördlicher Teil von 12500 qm für die Zwecke der Anſtalt abtrennen läßt, ſodaß von dieſem Block noch ein Reſtgrundſtück für andere Zwecke der Stadt⸗ gemeinde verbleibt. Das ganze von der Luiſen⸗Kirchengemeinde er⸗ worbene Grundſtück iſt 68 205 qm groß, davon ſind 16 000 qm Straßenland, ſodaß im ganzen 52 205 am Bauland übrigbleibt. Das ganze Grundſtück ſteht gegenwärtig mit 921 600 ℳ, das am Bauland da⸗ her mit 17,653 ℳ. zu Buch, ſodaß der Buchwert des für die Errichtung der Anſtalt erforderlichen Grundſtücks von 12500 qm 220 662,50 ℳ beträgt. Um einer Muſteranſtalt zur Bekämpfung der Säuglingsſterblichkcit, deren Begründung ein be⸗ ſonderer Wunſch Seiner Majeſtät des Kaiſers und Königs und Ihyrer Majenät der Kaiſerin und Königin in, ein für die Erfüllung imer Aufgabe geeignetes Grundſtück im Gebiet der Stadt Charlottenburg zu gewähren, beantragen wir daher auläßlich des Feſtes der ſilvernen Hochzeit Ihrer Majeſtäten einer Stiftung zur Begründung einer ſolchen Anſtalt, dieſes Grund⸗ ſlück unter den im Tenor unſeres Antrages ent⸗ haltenen Bedingungen zu Eigemum zu überlaſſen. Wir bemerken dazu, daß über die rechtliche Aus⸗ geſtaltung des Trägers des geplanten Unternehmens noch keinerlei feſte Formen gefunden ſind. Wir haben cs jedoch für empfehlenswert erachtet, ſchon jetzt die Rechtsnormen einer „Stiftung“ feſtzulegen, um dem neuen Rechtsſubjekt von vornberein eine möglichſt feſte und zuverläſſige Grundlage zu geben, ſo daß eine ausreichende Gewähr für die zielbewußte Durch⸗ führung des Gerankens gegeben wird, dem wir unſer Intereſſe angedeihen laſſen wollen. Die allge⸗ meinen Rechtsnormen über Stiftungen ſind in den 80—88 des B. G. B. gegeben. Für den Fall der Umwandlung des Siiftungs:weckes im Sinne des § 87 B. G. B. halten wir mit Rückficht auf das erhebliche Wertobjekt, das wir in Geſtalt des Grundſtückes dem Stiftungszwecke widmen, eine Mit⸗ wirkung der Stadigemeinde für erforderlich; insbe⸗ ſondere ſchon deshalb, weil audernfalls eine Beein⸗ trächtigung des vorbedungenen Rückfallrechtes nicht ausgeſchloſſen erſcheint. Charlottenburg, den 5. Jannar 1906. Der Deagiſtrat. Schuſtehrus. Matting. 4 3512. 222