——— 37 —— vorlng en für die Stadtverordneten-Verſammlung zu Charlotlenburg. In öffentlicher Sitzung. Druckſache Nr. 86. (Zu Druckſache Nr. 64. Antrag der Stadt⸗ verordneten Jolenberg und Gen. betr. Aus⸗ legung des § 20 der Geſchäftsordnung) Rechtsgutachten. § 43 der Städteordnung für die ſechs öſtlichen Provinzen der Preußiſchen Monarchie vom 30. Mai 1853 beſtimmt über die Beſchlußfaſſung in Stadtverordnetenverſammlungen: „Die Beſchlüſſe werden nach Stimmen⸗ mehrheit gefaßt .. Wer nicht mitſtimmt, wird zwar als anweſend betrachtet, die Stimmenmehrheit wird aber lediglich nach der Zahl der Stimmenden feſt⸗ geſtellt.“ Daß die nach §§ 32, 38 a. a. O. mittels Stimm⸗ zettel vorzunehmende Wahl des Vorftzenden auch einen unter § 43 fallenden Beſchluß der Stadt⸗ verordnetenverſammlung darſtellt, iſt nicht zweifel⸗ haft. Aus dem Wortlaut des § 43 geht klar und unzweideutig hervor, daß anweſende Stadtverordnete, die nicht mitſtimmen, zwar bei Feſtſtellung der Be⸗ ſchlußfähigkeit der Verſammlung, nicht aber bei Ermittelung des Abſtimmungsergebniſſes mitgezählt werden dürfen. Vorausſetzung für die Nichtberück⸗ ſichtigung anweſender Stadtverordneter bei Feſt⸗ ſtellung der Stimmenmehrheit iſt lediglich, daß die⸗ jenigen Stadtverordneten, welche ſich an der Ab⸗ ſtimmung nicht beteiligen wollen, dieſen Willen äußerlich erkennbar machen. So hat auch das Ober⸗ verwaltungsgericht in einem im Preußiſchen Ver⸗ waltungsblatt Jahrg. XIV S. 147 abgedruckten Erkenntnis vom 4. November 1892 für den Geltungs⸗ bereich der Städteordnung für die Rheinprovinz vom 15. Mai 1856, deren § 36 wörtlich mit § 43 a. a. O. übereinſtimmt, entſchieden. Bei Ab⸗ ſtimmungen durch Stimmzettel kann nun der Ent⸗ ſchluß, ſich der Abſtimmung enthalten zu wollen, nicht klarer und deutlicher zum Ausdruck gebracht werden, als durch Abgabe unbeſchriebener Zettel (vgl. hierzu Ledermann, Kommentar zur Städte⸗ ordnung vom 30. Mai 1853, § 43 Anm 3 S. 148). Hieraus ergibt ſich als zwingende Folge, daß auch unbeſchriebene Stimmzettel, trotzdem ſie im § 43 nicht beſonders erwähnt ſind, nur zur Feſtſtellung der Beſchlußfähigkeit der Verſammlung, dagegen nicht auch bei Ermittelung der Stimmenmehrheit werden dürfen. Selbſt wenn die Beſtimmung des § 43 fehlen würde, könnte eine andere Behandlung unbeſchriebener Stimmzettel trotzdem nicht Platz greifen. Dies folgt aus der Natur und dem Zweck der Stimmenthaltung. Wer einen unbeſchriebenen Stimmzettel abgibt, gibt dadurch nicht nur den Entſchluß zu erkennen, ſein Stimmrecht nicht ansüben zu wollen, er bringt damit auch den Willen zum Ausdruck, die Entſcheidung über den zur Abſtimmung ſtehenden Antrag den übrigen la der Abſtimmung mitwirkenden Perſonen zu über⸗ laſſen. Die Nichtberückſichtigung unbeſchriebener Stimm⸗ zettel folgt aber weiter auch aus der Erwägung, daß die Stadtverordneienverſammlung ihre Rechte gemäß § 35 a. a. O. durch Beſchlußfaſſung über die Gemeindeangelegenheiten ausübt, daß gemäß § 43 die Beſchlußfaſſung durch Abſtimmung der Mitglieder der Stadwwerordnetenverſammlung erfolgt, daß mithin die Stadtverordneten die ihnen in bezug auf die Willensbildung der Stadtverordnetenverſammlung zu⸗ ſtehenden Rechte nur durch Beteiligung an der Ab⸗ ſtimmung und in keiner andern Form aber auch nicht durch Stimmenthaltung, geltend machen können. Daß die in unſeren Parlamenten für die Ge⸗ ſchäftsordnung geltenden, in Jahrzehnte langer Übung ausgebildeten Grundſätze analog und ſubſidiär auf die Handhabung der Geſchäfte in Selbſtverwaltungs⸗ körpern anzuwenden ſind, dürfte unbeſtritten ſein. Selbſt für die Leitung von privatrechtlichen Organi⸗ ſationen. wie Generalverſammlungen von Aktien⸗Ge⸗ ſellſchaften und Genoſſenſchaften, iſt dieſe ſubſidiäre Geltung der parlamentariſchen Geſchäftsordnungs⸗ regeln anerkannt (vgl. Staub, Kommentar zum H. G. B. 6. Aufl. Band 1 S. 779 ff., Parifins und Crüger, Kommentar zum Gen.⸗Geſ. 4. Aufl. S. 324). Nun enthält weder die Geſchäftsordnung des Reichstages (§ 9), noch diejenige des Abgeordneten⸗ hauſes (§ 7) eine ausdrückliche Vorſchrift darüber, daß die Stimmenmehrheit lediglich nach der Zahl der Stimmenden feſtgeſtellt und daß insbeſondere bei Aus⸗ mitteung der für Präfidentenwahlen notwendigen abſoluten Mehrheit unbeſchriebene Stimmzettel in Abzug zu bringen ſind. Trotzdem alſo dieſe Ge⸗ ſchäftsordnungen nicht einmal, wie § 43 a. a. O., eine allgemeine Beſtimmung über Außerachtlaſſung der zwar anweſenden, aber ſich der Abſtimmung ent⸗ haltenden Abgeordneten bei Feſtſtellung der Mehrheit aufgenommen haben, werden nach konſtanter Praxis beider Parlamente unbeſchriebene Stimmzettel nur zur Feſtſtellung der Präſenz mitgezaählt, bei Feſtſtellung des Abſtimmungs⸗ ergebniſſes aber als ungültig abgezogen. Eine von mir über die Praris des Reichstages eingeholte Auskunft des Direktors im Reichstage, Herrn