58 Geheimen Regierungsrats Knack, füge ich in Abſchrift bei, desgleichen den ſtenographiſchen Bericht über die Sitzung des Reichstags vom 29. Novem⸗ ber 1905. Aus letzterem iſt zu erſehen, daß bei der in jener Sitzung ſtattgefundenen Präſidentenwahl in den den Präſidenten und den zweiten Vize⸗Präſidenten betreffenden Wahlgängen 72 bezw. 64 unbeſchriebene Stimmzettel als ungültig von der Geſamiheit der abgegebenen Stimmzettel abgezogen worden ſind. In dem vom Bundesrat zur Ausführung des Wahlgeſetzes für den Reichstag erlaſſenen Wahl⸗ reglemenf vom 28. Mai 187 iſt ausdrücklich be⸗ ſtimmt, daß Stimmzettel, welche keinen Namen haben, ungültig ſind (§ 19 Nr. 2), daß die ungültigen Stimmen (alſo auch unbeſchriebene Stimmzettel) bei Feſtſtellung des Wahlreſultats nicht in Anrechnung kommen (§ 20 Abſ. 2) und daß derjenige Kandidat als gewähit gilt, auf welchen ſich die abſolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen (alſo abzüglich der unbeſchriebenen Stimmzeitel) vereinigt (§ 28 Abſ. 1). Ebenſo heißt es in dem der Provinzial⸗ ordnung vom 29. Juni 1875 beigefügten Wahl⸗ reglement, daß Stimmzettel ohne Namen ungültig § 6) und daher als nicht abgegeben zu betrachten ſind (§ 7) und § 32 der Provinzialordmung ſchreibt vor, daß der Vorſitzende des Provinziallandtages, deſſen Stellung zu dieſer Körperſchaft genau der⸗ jenigen des Stadtverordnetenvorſtehers zur Stadt⸗ verordnetenverſammlung entſpricht, nach den Vor⸗ ſchriften des der Provinzialordnung angefügten Wahl⸗ reglements zu wählen iſt. Die Beſtimmungen ſowohl des Reichstags⸗ wie des Provinziallandtags⸗Wahlreglements dürfen wohl als Niederſchlag und Firierung der ſchon bis dahin allgemein herrſchenden Anſicht über die Bedentung und Behandlung unbeſchriebener Stimmzettel bei Wahlen aller Selbſtverwaltungskörper aufgefaßt und können inſofern analog auch auf Stadtverordneten⸗ vorſteherwahlen angewendet werden. Wenn auch die Anwendung zivilirechtlicher Grundſätze auf öffentlich rechtliche Verhält⸗ niſſe nicht ohne weiteres angängig iſt, ſo erſcheint ſie doch da zuläſſig, wo ſie durch die Gleichheit oder Ahnlichkeit der für die Aufſtellung eines Grundſatzes weſentlich und entſcheidend geweſenen tatſächlichen Umſtände gerechtfertigt wird. Zwiſchen der General⸗ verſammlung einer Aktiengeſellſchaft und einer Stadt⸗ verordneten⸗Verſammlung beſteht nun zweifellos in Anſehung der Beſchlußfaſſung und Abſtimmung in tatſächlicher Beziehung eine erhebliche Ahnlichkeit, ſodaß die für die Abſtimmung und Beſchlußfaſſung in Generalverſammlungen durch Geſetzgebung und Rechtſprechung aufgeſtellten Normen immerhin auch für Stadtverordneten⸗Verſammlungen in Betracht kommen. In vielen Artikeln des Geſetzes betr. Kommanditgeſellſchaften auf Aktien und Aktiengeſell⸗ ſchaften vom 18. Juli 1884 (ſo Art. 180 g, 215, 242) und häufig auch in Geſellſchaftsverträgen ſolcher Geſellſchaften wurde zur Gültigkeit von Beſchlüſſen der Generalverſammlung eine Mehrheit „von drei Vierteilen des in der Generalverſammlung vertretenen Geſamtkapitals“ gefordert. Es entſtand die Frage, ob bei der Abſtimmung über einen dieſer qualifizierten Mehrheit bedürftigen Beſchluß de Aktienbeſitz derjenigen Aktionäre, welche zwar bei der Abſtimmung ½. ſind, ſich an ihr aber nicht beteiligen, als „in der Generalverſammlung ver⸗ treten“ zu gelten habe und demgemäß bei Aus⸗ mittelung der Dreiviertelmehrheit des vertretenen Kapitals mitgezählt werden müſſe oder nicht. Das glied hätte dort geſiegt, das d Reichsgericht hat die Frage in einem in Bd. 20 S. 140 ff abgedruckten grundlegenden und über⸗ zeugenden Erkenntnis vom 9. März 1888 verneint. Es führt aus, daß bei Ermittelung des Sinnes der ihrer Auslegung nach ſtreitigen Geſetz⸗ bezw. Statut⸗ beſtimmung auf ihren Zweck und die Natur der Sache das entſcheidende Gewicht gelegt werden müſſe, daß bei Feſtſtellung einer durch Abſtimmung zu er⸗ zielenden Mehrheit im allgemeinen und mangels abweichender ausdrücklicher Vorſchrift des Geſellſchafts⸗ vertrages nur die Stimmen derjenigen, welche ſich an der Abſtimmung beteiligt haben, in Betracht ge⸗ zogen werden könnten, weil derjenige, welcher ſich trotz ſeiner Anweſenheit der Abſtimmung enthält, nicht nur auf ſein Stimmrecht verzichte, ſondern da⸗ mit auch die Entſcheidung über den zur Abſtimmung ſtehenden Antrag den übrigen Beteiligten anheim gebe, er mithin keine andere Stellung zur de einnehme, wie diejenigen Stimmberechtigten, die ſich entweder überhaupt nicht eingefunden, oder vor der Abſtimmung aus der Verſammlung entfernt haben, und ſeiner Abſicht demgemäß nur dadurch entſprochen werde, daß er hinſichtlich der Mehrheitsberechnung ebenſo wie die abweſenden Stimmberechtigten behandelt werde. Aus dieſen Gründen kommt das Reichsgericht zu dem Schluß, daß als „vertreten in der General⸗ verſammlung“ nur der Aktienbeſitz derjenigen Aktio⸗ näre angeſehen werden könne, welche bei der Ab⸗ ſtimmung ihre Stimme abgegeben haben und daß es keinen Unterſchied mache, ob durch die Abſtim⸗ mung eine relative, abſolute oder qualifizierte Mehr⸗ heit erreicht werden ſoll. Die allgemeinen, der Natur der Sache entnom⸗ menen Erwägungen des Reichsgerichts treffen unein⸗ geſchränkt auch auf die durch Abgabe unbeſchriebener Stimmzettel zum Ausdruck gebrachte Stimmenthal⸗ tung in der Verſammlung anweſender Stadtverord⸗ neter bei der Wahl des Vorſitzenden zu. Inzwiſchen iſt für Generalverſammlungen von Aktienaeſellſchaften die Frage im Sinne der Anſicht des Reichsgerichts durch den Geſetzgeber entſchieden worden. Denn nach § 251 des Handelsgeſetzbuches in der neuen Faſſung bedürfen Beſchlüſſe der Generalverſammlung der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Nach alledem iſt für mich die Richtigkeit der von mir in der Geſchäftsordnungsdebatte am 10. Ja⸗ nuar er. vertretenen Anſicht unzweifelhaft, daß die unbeſchriebenen Stimmzettel wohl bei der Feſtſtellung der Prüſenz der Mitglieder mitgezählt, dann aber von der Geſamtheit der abgegebenen Stimmzettel als ungültig abge⸗ zogen werden. Charlottenburg, 13. Februar 1906. Dr. Hans Crüger. Anlage I. Reichstag. Berlin, den 31 Januar 1906. Hochgeehrter Herr! Die bei Wahlen unbeſchrieben abgegebenen Stimmzettel werden bei Feſtſtellung der Präſenz der Mitglieder mitgezählt und von der Geſamtheit der abgegebenen Stimmzettel als ungültig abgezogen. Nach der Praris des Reichstages, wie aus dem an⸗ liegenden ſtenographiſchen Bericht hervorgeht, der erſte Wahlgang bei Ihnen genügt und das Mit ie Stimmen auf ſich vereinigte — vorausgeſetzt, daß die beſchluß⸗