— 125 — (110 bis 112.) Dorlugen für die HStadtverordneten-Verſammlung zu Charlottenburg. Zur Sitzung am 28. März 1906. In öffentlicher Sitzung. 0 Druckſache Nr. 110. Mitteilung betr. Erwägungen über Errichtung eines ſtädtiſchen Leihamtes. Der Stadtverordneten⸗Verſammlung teilen wir unter Beifügung eines Heftes auf den dortigen Beſchluß vom 4. November 1903. welcher den Magiſtrat erſucht: „in Erwägung zu ziehen, ob die Errichtung eines Leihhauſes für Charlottenburg notwendig und tunlich iſt, und wenn dies der Fall, eine Vorlage zu bringen, jedenfalls aber von dem Ergebnis ſeiner Erwägungen der Verſammlung Kenntnis zu geben“ ergebenſt mit, daß der Magiſtrat in ſeiner Sitzung vom 8. Februar d. I. beſchloſſen hat, der Anregung betr. die Errichtung eines ſtädtiſchen Leihhauſes keine Folge zu geben. Es kann an ſich keinem Zweifel unterliegen, daß die Errichtung und der Betrieb von Leihämtern ſchon ſeit dem Anfang des vorigen Jahrhunderts zu den ſozialen Aufgaben der Städte gerechnet wird, ja man wird ſagen können, daß in den Anfangs⸗ zeiten der ſozialen Betätigung der Städte ſie als eine der wichtigſten Aufgaben dieſer Art erſchien. In dieſem Sinne erklärte ſchon die Kabinettsordre vom 28. Juni 1826 betr. die Grundſätze für die öffentlichen ſtädtiſchen Leihanſtalten, daß es wünſchens⸗ wert ſei, die Errichtung öffentlicher ſtädtiſcher Leih⸗ anſtalten möglichſt zu befördern und befreite zu dieſem Zweck dieſe Leihanſtalten von den Vor⸗ ſchriften der Geſetze vom 3. März 1787 und 4. April 1803, „welche hauptſächlich auf Unterdrückung des bei Privat⸗Leihanſtalten zu befürchtenden Wuchers abzwecken, bei öffentlichen Anſtalten dieſer Art aber weder notwendig noch allenthalben anwendbar ſind“. und die Kabinettsordre vom 25. Februar 1834 betr. die Beſtätigung eines Königlichen Leihamtes in Berlin erwähnt ausdrücklich im Tone des Vorwurfes, daß „die Stadtgemeinde Berlin es ihrem Intereſſe nicht gemäß gefunden habe, eine öffentliche Leih⸗ anſtalt nach den Grundſätzen der Verordnung vom 28. Juni 1826 unter ihrer Verwaltung und Ga⸗ rantie zu errichten“. In gleichem Sinne geſtattete demnächſt das Preußiſche Sparkaſſenreglement vom 18. Dezember 1838 ausdrücklich die Verwendung von Sparkaſſengeldern zur Dotierung ſtädtiſcher, nach der Verordnung vom 28. Juni 1826 einge⸗ richteter Leihanſtalten; des Weiteren betont der Er⸗ laß des Preußiſchen Miniſters des Innern vom 18. April 1856 die zweifache Bedeutung der Spar⸗ kaſſen, die auf der einen Seite dazu berufen ſeien, die Sparſamkeit zu fördern und hierdurch Sittlichkeit und konſervativen Sinn hervorzurufen, auf der anderen Seite die nicht minder wichtige Aufgabe haben, Eriſtenzen zu erhalten, welche ſonſt, wenn nicht geradehin zerſtört, doch weſentlich gefährdet werden möchten. Es wird deshalb empfohlen, mit der Sparkaſſe eine Leihkaſſe zu verbinden. Eine weſentliche Veränderung in der Wert⸗ ſchätzung der ſtädtiſchen Leihämter wird man aber bereits in dem Geſetz betr. das Pfandleihgewerbe vom 17. März 1881 erblicken können, welches unter ausdrücklicher Aufhebung der Kabinettsordre vom 28. Juni 1826 das gegenwärtige Geſetz ohne weiteres auch auf die von Gemeinden und kommunalen Ver⸗ bänden zu errichtenden Anſtalten ausdehnt und auch hinſichtlich der bereits beſtehenden Anſtalten den Miniſter des Innern ermächtigt, die Anwendung dieſer Vorſchriften anzuordnen. Erklärlich wird dieſer Wandel ſchon dadurch, daß inzwiſchen durch das Abänderungsgeſetz zur Gewerbeordnung vom 23. Juli 1879 die Ausübung des Pfandleihgewerbes der Konzeſſionspflicht unterworfen worden war mit dem Ziele, ſolche Bewerber auszuſchließen, hinficht⸗ lich deren Tatſachen vorliegen, welche ihre Unzuver⸗ läſſigkeit inbezug auf den beabſichtigten Gewerbe⸗ betrieb dartun. Die Befürchtung der Kabinetts⸗ ordre vom 28. Juni 1826, daß die privaten Pfand⸗ leihanſtalten dem Wucher Vorſchub leiſten, wird hierdurch und die fernere — allerdings nur fakul⸗ tative — Maßregel einer Prüfung der Bedüfnis⸗ frage weſentlich verringert. Was aber die Errichtung von Leihkaſſen im Sinne des Miniſterial⸗Erlaſſes vom 18. April 1856 anbetrifft, welche die Sparkaſſen ſelbſt betreiben, ſo ſind derartige Einrichtungen auch ohne das Pfandleihgewerbe durchführbar, wie denn viele Sparkaſſen ſtatutenmäßig gegen Bürgſchaften und Effektenlombard Darlehen ausleihen. Dieſem Zuſtande entſpricht es denn auch, daß bei der großen Mehrzahl der in den preußiſchen Städten von mehr als 50000 Einwohnern be⸗ ſtehenden ſtädtiſchen Pfandleihanſtalten das Grün⸗