—— 293 —— in Anſpruch genommen, nehmen ſie die Intereſſen des Kindes nicht ſo wahr, wie es notwendig iſt. Dazu kommt, daß bis zur Beſtellung eines Vor⸗ mundes regelmäßig eine Reihe von Wochen ver⸗ gehen — Wochen, die unter Umſtänden für das zu⸗ künftige Gedeihen des Kindes von entſcheidender Bedeutung ſind, — wo es der gerade dann am meiſten notwendigen Vertretung ganz entbehrt. Das bürgerliche Geſetzbuch läßt zum beſſeren Schutze der Minderjährigen eine General⸗Vormund⸗ ſchaft zu, die in zahlreichen Städten eingeführt worden iſt. Für Preußen iſt dieſe ortsſtatutariſche General⸗ vormundſchaft aber durch das preußiſche Ausführungs⸗ geſetz auf ſolche Minderjährige beſchränkt worden, die im Wege der öffentlichen Armenpflege unterſtützt und unter Aufſicht von Beamten der Gemeindever⸗ waltung in einer von dieſen ausgewählten Familie oder Anſtalt oder, ſofern es ſich um uneheliche Kinder handelt, in der mütterlichen Familie erzogen oder verpflegt werden. Grade dieſe Kinder aber, für die bereits die öffentliche Armenpflege eingetreten iſt, ſind ſchon an ſich der Aufſicht der Organe der ſtädtiſchen Verwaltung unterſtellt, ſodaß gerade für ſie die Einführung einer ſolchen Generalvor⸗ mundſchaft am wenigſten dringend iſt. Dagegen hat die Stadt Dortmund im Jahre 1898 ein Syſtem der General⸗ (Berufs⸗) Vormundſchaft eingeführt, das ſich außerordentlich bewährt und bei einer Reihe von Städten, u. a. Köln und Straßburg, Nachahmung gefunden hat. In Frankfurt a M. und Berlin (hier bezüglich der in der Charité und der König⸗ lichen Klinik geborenen evangeliſchen Kinder) iſt von privater Seite (in Frankfurt durch die Zentrale für private Fürſorge, in Berlin durch die Geſchäftsſtelle der Inneren Miſſion) in gleicher Richtung vorge⸗ gangen worden. Das Syſtem beſteht darin, daß, ohne Erlaß eines Ortsſtatuts, durch Vereinbarung mit dem Vormundſchaftsgericht ein Angeſtellter der Gemeindeverwaltung zum Vormund aller in der Stadt geborenen unehelichen Kinder vorgeſchlagen und beſtellt wird. Ausnahmen treten nur dann ein, wenn ein geſetzlich berufener Vormund vorhanden iſt und dieſer nicht — was meiſt geſchehen wird, wenn er weit entfernt wohnt — verzichtet oder wenn aus beſonderen Gründen die Beſtellung eines be⸗ ſtimmten anderen geeigneten Vormundes angezeigt erſcheint. Der General⸗ (Berufs⸗) Vormund, der an ſich keine andere Stellung hat, als der Einzel⸗ vormund, iſt, da er anderweit durch Berufspflichten nicht abgehalten wird und bald große Erfahrung ſammelt, weſentlich beſſer in der Lage, die Intereſſen der Mündel in ganz anderer Weiſe wahrzunehmen, als der Einzelvormund. Vor allem aber tritt er ſo⸗ fort in Tätigkeit, ſobald vom Standesamt die An⸗ zeige von der Geburt eines Kindes eingeht; ja er nimmt die Rechte des Kindes (und nötigenfalls auch der Mutter auf Grund einer Vollmacht) ſchon vor der Geburt des Kindes war, indem er zunächſt mindeſtens bei den im Krankenhaus geborenen Kindern, alſo einem erheblichen Teil aller in Charlottenburg eborenen unehelichen Kinder, durch die ihm zur eite ſtehende weibliche Gehitfin, ſofort nach der Auf⸗ nahme der Mutter mit ihr in Verbindung tritt und alle Schritte vorbereitet und durchführt, die in ihrem und des Kindes Intereſſe geboten erſcheinen. Die weibliche Gehilfin hat daneben die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, daß für das Kind, wenn nicht von anderer Seite dafür geſorgt wird, eine geeignete Pflegeſtelle bereit gehallen wird, in die es ſofort nach der Entlaſſung aus dem Krankenhauſe übernommen werden kann; alle die Schädlichkeiten, die gerade in den erſten Wochen das neugeborene Kind bedrohen, ungeeignete Pflege, Wechſel der Pflegeſtelle uſw., werden, wie zu hoffen, dadurch, wenn nicht ganz be⸗ ſeitigt doch weſentlich vermindert werden. Die weitere eigentliche Uberwachung der Mündel ſoll, wie ſchon jetzt bei den ſtädtiſchen Koſtpflegekindern und Haltekindern durch die Bezirksorgane: Waiſen⸗ rat, Waiſenpflegerin und Stadtarzt erfolgen. Wie lange der Generalvormund im einzelnen Falle ſein Amt beibehält, wird von den Umſtänden des einzelnen Falles abhängen. Es bleibt vorbehalten, wenn ſich das Kind in einer guten Pflege befindet und ſeine Zukunft finanziell ſicher geſtellt iſt, bei dem Vor⸗ mundſchaftsgericht die Beſtellung eines anderen Einzel⸗ vormundes zu beantragen. In welchem Maße das zu geſchehen haben wird, muß erſt die Erfahrung lehren. Die Beobachtung in anderen Städten hat gezeigt, daß auch in finanzieller Beziehung das Syſtem der General⸗ (Berufs⸗) Vormundſchaft außerordentlich günſtige Erfolge aufzuweiſen hat. In Straßburg beiſpielsweiſe iſt es in der Zeit vom 1. Oktober 1902 bis zu 15. März 1905 dem Generalvormund ge⸗ lungen, für 567 von überhaupt 696 Kindern die freiwillige Zahlung von Unterhaltsbeiträgen zu er⸗ reichen, zum Teil in Geſtalt von Abfindungsſummen, die im ganzen etwa 90000 ℳ betragen haben; in weiteren 107 Fällen hat der Generalvormund im Wege der Klage ein obſiegendes Urteil erſtritten, ſo⸗ daß im ganzen für 97 %% aller unter General⸗Vor⸗ mundſchaft ſtehenden Kinder die Zahlung von Unter⸗ haltsbeiträgen erreicht worden iſt. Da jetzt ein großer Teil der unehelichen Kinder in ſtädtiſche Koſt⸗ pflege genommen werden muß, darf danach von der Einführung der General⸗ (Berufs⸗) Vormundſchaft auch eine Verminderung der Ausgaben an Pflege⸗ geldern, die die Stadt jetzt zahlen muß, erhofft werden. Welchen Umfang die General⸗ (Berufs⸗) Vor⸗ mundſchaft annehmen wird, läßt ſich zur Zeit nicht überſehen. Wir glauben, daß es genügen wird, zu⸗ nächſt einen General⸗ (Berufs⸗) Vormund, der den Titel „Waiſeninſpektor“ erhalten ſoll, eine weibliche Gehilfin für ihn und für die Regiſtraturarbeiten einen Burecugehilfen anzuſtellen. Für den Waiſen⸗ inſpektor (deſſen ventl. Anſtellung auf Privatdienſt⸗ vertrag vorbehalten bleibt) haben wir das mittlere Gehalt der Sekretärklaſſe, für ſeine Gehilfin ein Anfangsgehalt von 1500 ℳ in Ausficht genommen. Für ein halbes Jahr ergibt ſich daraus ein Geſamt⸗ betrag von 3812,50 ℳ, rund 3850 ℳ, deſſen Be⸗ willigung wir beantragen. Wir folgen mit unſerem Antrage einem Be⸗ ſchluſſe der Deputation für die Waiſenpflege. Charlottenburg, den 20. Juni 1906. Der Magiſtrat. Matting Samter. u. i. V. VIIIa. G. 1287. Tagesordnung Nr. 14. Druckſache Nr. 2357. Vorlage betr. Regu⸗ lierung der Straße 27a 3 und von Teilen der Danckelmann Straße und des Königswegs. Urſchriftlich mit den Akten Fach 8 Nr. 97 an die Stadtverordneten⸗Verſammlung mit dem Antrage, zu beſchließen: 1. Der Regulierung