—— 184 —— Schulkind hat ein Recht darauf, daß ihm jederzeit eine dem Stande ſeines Wiſſens und ſeiner Leiſtungs⸗ fähigteit angemeſſene Förderung zuteil wird. Im Zuſammenhange damit war zu prüfen, ob das ſo⸗ genannte „Sitzenlaſſen“ verſetzungsunreifer Schüler in der bisherigen Klaſſe aus pädagogiſchen, wirt⸗ ſchaftlichen und allgemein menſchlichen Gründen ſich rechtfertigen laſſe. Ferner war zu unterſuchen, ob ſich nicht in einer Stadt mit mehr als 20 000 Volks⸗ ſchülern eine der Natur des Kindes mehr angepaßte, das Individualiſieren im Unterricht möglichſt fördernde Gruppierung der Schülermaſſen erzielen läßt, ob die bisherige Einteilung der Schulkinder in ſolche mit offenbarem geiſtigen Defekt, die in die Hilfsſchule ge⸗ hören, und ſolche ohne nachweisbaren Defekt, die alle ohne Unterſchied in denſelben Gemeindeſchulklaſſen untergebracht werden, dem Bedürfniſſe genügt, oder ob nach dem Mannheimer Vorgange noch eine Zwiſchenſtufe eingefügt werren ſoll. Schließlich galt es zu prüfen, wie die Erfahrungen in der Hilfsſchule, in der Waldſchule und in den franzöſiſchen Kurſen für die Geſamtheit der Volksſchüler verwertet werden können, ob die bisher von der Schule in Anſpruch genommene Zeit in den einzelnen Stadien der Ent⸗ wicklung des Kindes richtig bemeſſen iſt, ob nicht durch ſoziale Fürſorge für ſchulunreife oder ſonſt in der Erfüllung ihrer Pflichten gegen die Schule be⸗ hinderte Kinder ſchwerem Nachteil vorgebeugt werden kann, u. a. m. In der letzten Sitzung einigte ſich die Deputation auf folgende vom Stadtſchulrat aufgeſtellte Theſen, von denen die unter 1., II. und III. einſtimmig, die unter Iv. mit allen gegen eine Stimme angenommen wurden: I. Betr. Grundklaſſe. Zur Vorbereitung einſchulungsunreifer Kinder iſt im Oſten, im Zentrum und im Weſten der Stadt je ein Kindergarten unter Leitung einer geeigneten Lehrerin zu eröffnen. Die Frequenz der Grundklaſſe darf 45 nicht über⸗ ſteigen. Die Unterrichtszeit der Grundklafſe darf 18 Wochen⸗ ſtunden nicht überſchreiten. 1. 3—5 Minuten notwendig. Die ſchulärztliche Überwachung der Schüler iſt zu verſtärken. Zur Förderung ſolcher Kinder, welche in der Klaſſe nicht mit fortkommen, erteilt der Klaſſenlehrer ſpäteſtens im 2. Halbjahr wöchentlich 3 Stunden Nachhilfeunterricht. Der Rektor iſt befugt, die daran teilnehmenden Kinder von einigen lektionsplanmäßigen Stunden zu dispenſieren. II. Betr. Normal⸗Klaſſen. Nach Verlauf der erſten 4 Wochen des Schul⸗ jahres bis zum Beginn der letzten Schulwoche erteilt der Klaſſenlehrer den ſchwächſten Kindern der Klaſſe und ſolchen, welche infolge von Krankheit pp. einige, aber nicht ſehr erhebliche Lücken aufweiſen, wöchentlich 3 Stunden Nachhilfeunterricht. III. Betr. B-Klaſſen. 1. Zwiſchen die Normalſchule und die Hilfsſchule wird ein Syſtem von Klaſſen eingeſchoben, das in Bezug auf Lehrmethode und Bemefſung des Lehr⸗ ſwßes den Bedürfniſſen ſolcher Kinder Rechnung trägt, die in den Klaſſen der Normalſchule zwar 02 Nach jeder halben Stunde iſt eine Pauſe von nicht mit fortkommen, deren geiſtige Kräfte aber eine Überweiſung in die Hilfsſchule nicht not⸗ wendig erſcheinen laſſen. Das Syſtem beginnt mit dem 2. Schulfahre und enthält 5 aufſteigende Klaſſen. Das Penſum der beiden unteren Klaſſen iſt 1¼⅛ jährig und iſt dem Penſum der Klaſſe vI und der Normalſchule im weſentlichen gleich. 20. 4 Ob auch das Penſum der nächſten Klaſſen des B⸗Syſtems 1⅛ jährig oder bei Ausſcheidung geeigneter Teile des Lehrſtoffes einjährig zu be⸗ meſſen iſt, darüber ſind Verſuche anzuſtellen; ebenſo darüber, ob Schüler, welche die oberſte Klaſſe des B-Syſtems mit Erfolg abſolviert haben — unter Einführung von Abteilungs⸗ unterricht für einzelne Fächer — der Klaſſe 1 der Normalſchule überwieſen werden können. Die Frequenz der B⸗Klaſſen darf 30 nicht über⸗ ſteigen. Die Zahl der Wochenſtunden iſt für die B⸗Klaſſen eiwas niedriger zu bemeſſen als für die Normal⸗ klaſſen. 5. Für die ſchwächeren Schüler der B⸗Klaſſen erteilt der Klaſſenlehrer wöchentlich 3—4 Nachhilfeſtunden. Der Reklor iſt befugt, die daran teilnehmenden Kinder von einigen lekllonsplanmäßigen Stunden zu dispenſieren. IV. Betr. A4-Klaſſen. . Die tüchtigſten Schüler der Normalklaſſe IV, welche bei ihrer Verſetzung nicht nach der Serta einer höheren Lehranſtalt übergehen, werden in beſonderen Klaſſen zuſammengefaßt und nach einem beſonderen Lehrplan mit einer Fremdſprache unterrichtet. Das Syſtem A enthält 4 Klaſſen mit einjährigem Penſum. Schüler der A⸗Klaſſen, welche aus äußeren Gründen das Ziel der oberſten Klaſſe noch nicht erreicht haben, dürfen noch ⅛ bis 1 Jahr über das ſchulpflichtige Alter hinaus die Schule beſuchen. Die Aufnahme in das A-Syſtem erfolgt durch die Schuldeputation auf Vorſchlag der Verſetzungs⸗ konferenz mit Zuſtimmung des Rektors und des Schularztes. Schüler, welche für die Fremdſprache keine Be⸗ gabung zeigen oder ſich vernachläſſigen, können am Schluß eines Schuljahres wieder nach der Normalſchule zurückverſetzt werden; es bedarf dazu eines Konferenzbeſchluſſes und der Zuſtimmung des Reklors. 2. Zur Erläuterung der wichtigeren Theſen iſt folgendes zu bemerken: Zu 1. Die Grundklaſſe. Zu 1. Um den Unterricht in der Grundklaſſe, welcher beſondere Anſprüche an die Geduld und die Urteilskraft der Lehrkräfte ſtellt, möglichſt zu er⸗ leichtern, ſollen die Kinder, welche trotz ihres Eintritts in das ſchulpflichtige Alter noch nicht recht reif für die Einſchulung ſind, erſt in einem Kindergarten unter Aufſicht einer geeigneten Lehrerin ſo weil vorbereitet werden, daß ſie ſich im Laufen, Spielen und allerlei zweckmäßigen Hantierungen üben, ſich an Ordnung und Selbſtbeherrſchung, an Unterordnung unter einen fremden Willen, an ein harmoniſches Zuſammenleben mit ihresgleichen gewöhnen und mit den Aufängen des geſtaltenden Schaffens einigermaßen vertraut werden. Wir hoffen, die Grundklaſſe dadurch von zahlreichen beſonders ſtörenden Elementen befreien, den Unterricht in derſelben erleichtern und die ſchul⸗