—— 185 unreifen Kinder ſelbſt wirkungsvoll auf die Schule vorbereiten zu können. Wir lenen Gewicht darauf, daß die Leitung des Kindergartens einer wiſſenſchaftlichen Lehrerin an⸗ vertraut wird, welche ſich die nötige Kenntnis der Arbeiten im Kindergarten einſchl. der Fröbel'ſchen Beſchäftigungen angeeignet hat, zugleich aber die Auf⸗ gaben der Volksſchule aus Erfahrung kennt und daher deſonders geeignet erſcheint, Zweck und Ziel der vor⸗ bereitenden Beſchäftigung zu überſchauen. Die Überweiſung der Kinder erfolgt durch die Schuldeputation auf Antrag des Schularztes. Nachdem ſich der erſte Verſuch mit den Kinder⸗ gärlen bewährt hat und durch Gemeindebeſchluß vom 17.¾23. Mai 1906 demſelben eine Schulbaracke mit 2 Klaſſenzimmern zur Verfügung geſtellt iſt, wird beabſichtigt, während des Sommers 1907 die doppelte Zahl von Kindern aufzunehmen, da die Baracke in der warmen Jahreszeit 2 Abteilungen aufzunehmen vermag. Zu 2. Sehr wichtig iß, daß die Frequenz der unterſten Klaſſe nur eine mäßige ſein darf, damit die Behandlung der Schüler möglichſt individuell ſein kann, denn ein Fehler, welcher im erſten Schuljahr gemacht worden iſt, zeigt ſeine üblen Folgen meiſt viele Jahre hindurch. Wir erachten daher eine Frequenz von 45 Schülern in dieſer Klafſe für die äußerſte, die zugelaſſen werden kann. Sie iſt dabei immer noch um 5 höher, als nach miniſteriellen Beſtimmungen in höheren und mittleren Mädchenſchulen zuläſſig iſt. Zu 3. Sehr häufig iſt von Seiten der Lehrer und beſonders der Schulärzte die Zahl der jetzt üblichen 22 Wochenſtunden in der unterſten Klaſſe für zu hoch erklärt worden. Auch wir ſind der Meinung, daß 4 Schulſtunden hintereinander eine allzugroße Anſtrengung für 6jährige Kinder bedeutet. Wir er⸗ achten daher die Zahl von 18 Wochenſtunden für das höchſte zuläſſige Maß und glauben, daß auch bei dieſer verminderten Stundenzahl in den nur mäßig beſetzten Klaſſen das Lehrziel wohl erreichbar iſt, zumal die Vorſchulen, wie die höheren und mittleren Mädchen⸗ ſchulen bei gleicher Stundenzahl eine größere Lehr⸗ aufgabe im erſten Schuljahr zu bewältigen haben. Im Sommer würde, worauf die Königliche Regierung beſonders Gewicht legt, zu dieſen 18 lektionsplan⸗ mäßigen Stunden noch 1 Stunde Jugendſpiel als obligatoriſcher Unterrichtsgegenſtand hinzukommen. Zu 5. Dem Pädagogen ſoll der Arzt hilfreich zur Seite ſtehen. Die ſchulärztliche Tätigkeit muß unſeres Erachtens ſo erweitert und vertieft werden, daß der Arzt dem Lehrer in Fällen des Zweifels ein zuverläſſiger Berater ſein, daß er ihn durch ſeine Beobachtungen zur richtigeren Beurteilung des Schülers führen kann. Insbeſondere wird er auch oft die Urſachen des Zurückbleibens zu erkennen, vorüber⸗ ſen wirkende Urſachen von dauernden zu unter⸗ cheiden und die Eltern wirkungsvoll auf eine zweck⸗ mäßigere Behandlung der Kinder hinzuweiſen vermögen. Zu 6. Aber trotz der beſonderen Vorbereitung der ſchulumeeifen Kinder, trotz der geringen Klaſſen⸗ frequenz und der individuelleren Behandlung werden ällmählich einzelne hinter den übrigen zurückbleiben, nicht bloß die langſam faſſenden und unbegabten Kinder, ſondern auch normal begabte, die wochen⸗ und monatelang durch Krankheiten u. a. am Schul⸗ beſuch verhindert waren oder die im Laufe des Schul⸗ jahres aus ungünſtigen Schulverhältniſſen zuziehen. Wenn dieſe Kinder rechtzeitig zweckmäßigen Nachhilfe⸗ unterricht erhalten, ſo werden viele von ihnen wieder zum Mitarbeiten mit der Klaſſe fähig und zur nor⸗ malen Verſetzung reif gemacht werden. Am geeignetſten für die Erteilung dieſes Nach⸗ hilfeunterrichts erſcheint der Klaſſenlehrer ſelbſt, da er die Kinder ſowohl wie die Schwierigkeiten des Lehrſtoffes genau kennt, während ein Hilfslehrer oder eine Hilfslehrerin immer erſt längere Zeit braucht, die Kinder kennen zu lernen und ihre Lücken aufzu⸗ finden; der Klaſſenlehrer wird auch am richtigſten die Dauer des Nachhilfeumerrichts beurteilen können und ſpäter im Hauptunterricht die gewonnenen Beobachtungen wohl zu nützen wiſſen. Von dieſem Nachhilfeunterricht, an dem ſich naturgemäß immer nur wenige beteiligen werden, ver⸗ ſprechen wir uns auch dieſelben guten erziehlichen Wirkungen, die wir in der Hilfsſchule wie in der Waldſchule immer wieder beobachten konnten. Lehrer und Schüler treten ſich dabei näher, das Kind erkennt, wie ſehr ſich der Lehrer um dasſelbe bemüht, gewinnt Verlrauen zu ihm und wird zu beſſerem Betragen und ſorgfältigerer Arbeit angeſpornt. Drei Stunden wöchentlich während des 2. bis 4. Vierteljahres dürften zur Erreichung des Zieles genügen. Damit aber die am Nachhilfeunterricht teilnehmenden Kinder, unter denen ſich immer eine größere Anzahl körperlich ſchwächlicher befinden werden, ſich nicht überanſtrengen, ſoll der zuſtändige Rektor befugt ſein, dieſe erforderlichenfalls von einigen lektionsplanmäßigen Stunden der gleichen Fächer zu dispenſieren. Die Nachhilfeſtunden werden am zweckmäßigſten als Uberſtunden zu erteilen ſein. Jeder Lehrer iſt gehalten, dieſe zu erteilen. Nur bei körperlich ſchwäch⸗ lichen Lehrern wird es ſich nicht vermeiden laſſen, dieſe Stunden in die Pflichtſtundenzahl einzurechnen. Da ſchon nach dem erſten Schuljahre eine wich⸗ tige Scheidung des Schülermaterials vorgenommen werden ſoll, iſt die Herbeiführung günſtiger Unter⸗ richtsbedingungen in dieſem Jahre von um ſo größerer Bedeutung. Zu II. Normalklaſſen. Alle Schüler, welche das Ziel der Grundklaſſe erreichen, gehen wie bisher nach Klaſſe VvI der Normal⸗ ſchule über. Die übrigen werden in der Regel nach der Klaſſe v1 des B⸗Syſtems (ſ. u.) überwieſen. Nur ausnahmsweiſe wird ein Kind, z. B. wenn es den größten Teil des Schulhalbjahres oder Schul⸗ jahres gefehlt hat, oder wenn ein der deutſchen Sprache unkundiger Ausländer erfolglos dem Unter⸗ richt beigewohnt hat, je nach Bedürfnis in die nächſt⸗ folgende oder die übernächſte Schülergeneration zurück⸗ verſetzt. Die Normalklaſſen werden dadurch entlaſtet, daß nicht mehr alle Jahre oder Halbjahre ein nicht un⸗ erheblicher Prozentſatz ſitzengebliebener Schüler mit den eben verſetzten vereinigt wird: es wird dadurch vermieden, daß allzu heterogene Elemente, die in Lehrmethode, Bemeſſung des Lehrſtoffes, ja auch in bezug auf Lehrton und Disziplin die verſchiedenſten Anforderungen an den Lehrer ſtellen, zu einer Ein⸗ heit zuſammengefaßt werden. Die Arbeitskraft und die Arbeitsforderung werden leichter in das richtige Verhältnis geſetzt werden. Auch in dieſer Klaſſe wird ſich bald eine Anzahl von Schülern finden, welche aus äußeren oder inneren Gründen mit der übrigen Klaſſe nicht fortzukommen vermögen. Daher wird auch bei dieſen wiederum Nachhilfeunterricht nötig ſein: aber dieſer kann auf die Hauptfächer, Rechnen und Deutſch, beſchränkt werden. Wir nehmen an, daß hier wie in der Grund⸗