—— 626 —— Druckſache Nr. 462. Mitteilung in Sachen betr. Verhängung der Schaunfenſter während der Sonn⸗ und Feiertage. Urſchriftlich mit den Vorgängen an die Stadtverordneten⸗Verſammlung unter Bezugnahme auf den Beſchluß vom 5. Juli 1907 — St. v. 484 — mit dem Erſuchen, von unſerer unten abgedruckten Eingabe an den Herrn Oberpräſidenten der Provinz Brandenburg vom 19. Auguſt 1907 — Tageb. Nr. IIIb. 613 — und dem darauf ergangenen gleichfalls abgedruckten Beſcheide vom 14. Oktober 1907 — O. P. 20517 — Kenntnis zu nehmen. Charlottenburg, den 5. November 1907. Der Magiſtrat. Schuſtehrus. Matting. IIIb. 1615. An den Herrn Oberpräſidenten der Provinz Brandenburg Potsdam. Antrag der Stadtgemeinde Chrrlottenburg auf Aufhebung der Beſtimmung des § 6 der Verordnung vom 4. Juli 1898 — Amtsblatt S. 306 ff. —, nach welcher an Sonn⸗ und Feiertagen außerhalb der zuläſſigen Verkaufszeit die Schaufenſter geräumt oder ver⸗ hängt ſein müſſen.“ Ohne Verfügung. Im § 6 der Polizei⸗Verordnung über die äußere Heilighaltung der Sonn⸗ und Feiertage vom 4. Juli 1898 — Amtsblatt S. 306 ff — iſt u. a. beſtimmt, daß an Sonn⸗ und Feiertagen außerhalb der zuläſſigen Verkaufszeit „die . .. Schaufenſter geräumt oder ver⸗ hängt ſein müſſen.“ Es darf angenommen werden, daß dieſer Vorſchrift im Gegenſatz zu den anderen Beſtim⸗ mungen der Verordnung, welche ſich mehr auf das praktiſche Gebiet der Sonntagsruhe erſtrecken, ge⸗ wiſſe religiös äſthetiſche Rückſichten zugrunde liegen indem befürchtet wird, daß der Einblick in die un⸗ verhängten Schaufenſter der innerlichen Feier des Sonntages Abbruch tue, vielleicht auch das religiöſe Empfinden einzelner Bürger verletzen könne. Der Augenſchein lehrt nun, daß in den Schaufenſtern der Handel⸗ und Gewerbetreibenden ausſchließlich ſolche Waren zur Anſicht ausgeſtellt ſind, die von den Geſchäftsinhabern feilgeboten werden. Eine ſolche Ausſtellung dürfte in der Regel nicht geeignet ſein, die religiöſen Gefühle der Vorübergehenden an Sonntagen in irgend einer Weiſe zu verletzen, weil die ausgeſtellten Gegenſtände mit dem Begriffe der Religion oder mit der Religioſität des einzelnen ſchwerlich werden in Beziehung gebracht werden können; ſofern dies aber dennoch zuträfe, wäre zu erwägen, daß derartigen Einzelfällen nicht durch allgemeine Vorſchriften wie die vorſtehende, ſondern durch beſondere Vorkehrungen der Polizei ſchon um deswillen beſſer begegnet werden würde, weil doch ſchließlich diejenige Rückſicht, die dem Sonntag recht iſt, auf dieſem Gebiete religiöſer Empfindlichkeit auch den Wochentagen billig er⸗ ſcheinen dürfte. Ganz abgeſehen aber hiervon er⸗ ſcheint uns der Einwand gerechtfertigt, daß es nicht zu den Aufgaben jener Verordnung, welche ſich dem Schutz der „Außeren“ Heilighaltung der Sonn⸗ und Feiertage zur Aufgabe macht, gehören kann, Problemen des inneren Seelenlebens einzelner Kirchengänger uſw. nachzugehen, welche mit der äußeren Form der Sonntagsruhe und Heiligung nichts zu tun haben. Eine Beſtätigung deſſen glau⸗ ben wir darin erkennen zu dürfen, daß ein bedeutend freierer Zuſtand, durch Polizei⸗Verordnung vom 26. Mai 1838 eingeführt bis zur Polizei⸗Verord⸗ nung vom 5. Oktober 1896 für die Provinz Bran⸗ denburg beſtanden hat, und beſonders darin, daß in weſtlichen und nördlichen Provinzen der Mon⸗ archie indem Offenlaſſen der Schaufenſter an Sonn⸗ und Feiertagen außerhalb des Gottesdienſtes ein Verſtoß gegen die äußere Heilighaltung des Sonn⸗ tages nicht erblickt wird. Erſcheinen ſomit die Geſichtspunkte, welche für die erwähnte Vorſchrift geltend zu machen ſein möchten, nicht ſtichhaltig, jedenfalls aber außerhalb des Rahmens der Polizei⸗Verordnung liegend, ſo ſprechen andererſeits mancherlei Beobachtungen und Erwägungen wirtſchaftlicher Natur, die u. E. nicht hinter den etwa doch maßgeblich erſcheinenden Momenten des religiöſen Empfindens zurückſtehen ſollten, gewichtig gegen deren weitere Aufrechter⸗ haltung. Wie aus den Berichten der Tagespreſſe unſchwer erſehen werden kann, ſind es vornehmlich die Geſchäftslokale — neben den leergelaſſenen Wohnungen — welche an Sonntagen von Ein⸗ brechern heimgeſucht werden. Das iſt den Dieben in vielen Fällen nur möglich oder es wird ihnen weſentlich erleichtert unter dem Schutze der ver⸗ hängten Schaufenſter. Die Aufhebung der oben angeführten Beſtimmung würde alſo auch geeignet ſein, eine Verringerung der an Sonntagen verübten Einbruchsdiebſtähle herbeizuführen, weil das die Schaufenſter beſichtigende Publikum meiſt einen Einblick in die Verkaufsräume hat und dadurch derartige Verbrecher entdeckt oder wenigſtens ab⸗ geſchreckt werden. Schließlich aber wird die Offenhaltung der Schaufenſter von den Geſchäftsinhabern aus Gründen einer geſunden Reklame lebhaft gewünſcht. Das an Sonntagen in den Straßen verkehrende Publikum beſonders der kleine Mann, iſt an Wochen⸗ tagen aus Zeitmangel verhindert, die in den Schau⸗ fenſtern ausgeſtellten Waren auf Preis und Be⸗ ſchaffenheit zu prüfen. Er kauft deswegen vielfach da, wo er gerade auf einen Gegenſtand ſtößt, deſſen er bedarf, ohne vorher prüfen zu können, ob er nicht in gleicher Entfernung von ſeiner Woh⸗ nung an einer wohlfeileren Quelle denſelben Ge⸗ genſtand zu geringerem Preiſe erwerben kann. Es entſteht dadurch ſowohl dem rührigen Geſchäfts⸗ manne, welcher auf eine ſachgemäße Bedienung des Publikums bedacht iſt, wie dem auf beſchränkte Mittel angewieſenen Käufer ein gewiſſer wirt⸗ ſchaftlicher Nachteil. Wenn wir in dieſer Weiſe das „Für“ und „Wider“ betrachten, ſo ſtehen wir nicht an, uns den Gegnern jener Beſtimmung anzuſchließen, indem wir die Nachteile derſelben für überwiegend und deshalb die Beſtimmung ſelbſt für unzweckmäßig erachten. Wir ſind der Anſicht, daß an anderer Stelle (ef. §§ 2, 3, 4, 7 und 8) der Verordnung der⸗ artigen Geſichtspunkten und Unterſcheidungen in angemeſſener Weiſe Rechnung getragen wird und glauben daher, auch für die von uns vorgetragenen Erwägungen die gleiche Berückſichtigung in Anſpruch nehmen zu dürfen. Sollte ſchließlich etwa noch in Frage kommen, ob das Intereſſe der Angeſtellten das Verbot erheiſcht, weil die Angeſtellten durch