Noch bedenklicher vom ſozialen Geſichtspunkte aus erſcheint die geſundheitliche, insbeſondere die hygieniſche Seite der Frage. Es iſt eine durch mehrfache ſtatiſtiſche Feſtſtellung beſtätigte Tatſache, daß die Erkrankungs⸗ und die Sterblichkeitsziffern im Wirtſchaftsgewerbe eine ſehr große iſt, un) es iſt ferner eine bekannte ärztliche Erfahrung, daß zumal die Kinder von Gaſtwirten für ihre körperliche wie ſeeliſche Geſundheit beſonderen Gefahren aus⸗ geſetzt ſind. Dieſe Gefährdung iſt nicht unerheblich, ſelbſt dann, wenn in gut gehenden Wirtſchaften ausreichende Wohnräume neben den Schankräumen als Schlafraum und als Aufenthaltsort der Kinder für Schularbeiten uſw. vorhanden ſind. Sie ſteigert ſich aber außerordentlich in den Fällen, in denen infolge der übermäßigen Konkurrenz die Einträglichkeit der Wirtſchaften herabgedrückt und der Gaſtwirt gezwungen wird, jeden irgend ent⸗ behrlichen Raum für das Geſchäft aufs äußerſte auszunutzen. Dann verkümmern die Kinder in den menſchenüberfüllten und tabaksgeſchwängerten Räumen im Anblick von Trunkenheit und rohen Ausſchreitungen und werden bis tief in die Nacht hinein im notwendigen Schlaf geſtört. Eine Verminderung der Zahl der Wirtſchaften muß eine Beſſerung dieſer Verhältniſſe zur Folge haben, und es ergibt ſich daher aus der einſchränkenden Wirkung der Steuer ein weiterer Grund für ihre Einführung. Aus der Gerechtigkeit und den ſonſtigen Vor⸗ zügen dieſer Steuer erklärt es ſich, daß ſie ſehr ſchnell in einer Reihe von Städten eingeführt worden iſt, ſo in Flensburg, Gelſenkirchen, Graudenz, Harburg, Königsberg, Malſtatt⸗Burbach, Mülheim a. d. Ruhr, Dt. Wilmersdorf, Raſtenburg und Rheydt. In Vorbereitung iſt ſie in Kiel und Düſſeldorf. Zu den Beſtimmungen der nachſtehenden Steuerordnung ſei alsdann noch folgendes bemerkt: Die in den §§ 2—4 vorgeſchlagenen Steuer⸗ ſätze bleiben hinter den in anderen Städten ein⸗ geführten Sätzen — zum Teil weſentlich — zurück. Die höchſten Sätze, ſteigend von 500 bzw. 600 ℳ bis hinauf zu 5000 ℳ finden ſich in Mülheim a. d. Ruhr und in Harburg und Rheydt. K 1 4 Unter Zugrundeleaung der vorgeſchlagenen Sätze iſt der vorausſichtliche Ertrag der Steuer auf folgendem Wege geſchätzt worden, wobei bemerkt wird, daß ganz genaue Unterlagen, die eine Be⸗ rückſichtigung aller Abſtufungen der Steuerſätze ermöglicht hätten, ohne umfangreiche Erhebungen nicht zu beſchaffen waren. Im Durchſchnitt der letzten vier Jahre iſt die Zahl der jährlich erteilten Konzeſſionen, für alte und neue Wirtſchaften, auf jährlich etwa 725 ermittelt. Aus dieſer Zahl ſind 50 ausgeſchieden mit Rückſicht auf die Befreiungen nach § 5 der Steuerordnung. Von den verblei⸗ benden 675 ſind ſchätzungsweiſe 175 Konzeſſionen abgerechnet auf Verlegungen (§ 3) und Erweite⸗ rungen (§ 4), ſo daß rund 500 Konzeſſionen bleiben, welche mit dem vollen Satze zu verſteuern ſein würden, weil ſie entweder neu begründet oder verkauft worden ſind. Von dieſen 500 Wirt⸗ ſchaften ſind — unter Berückſichtigung des Zahlen⸗ verhältniſſes aus dem Jahre 1906 — 70 mit dem Satze von 300 ℳ, 400 mit dem Satze von 800 ℳ und 30 mit dem Satze von 2400 ℳ als dem mitt⸗ leren Satze für die den Gewerbeſteuerklaſſen I, II und III angehörenden Betriebe angeſetzt worden. Bei den 175 Konzeſſionen für Verlegungen und Erweiterungen iſt nur mit dem Satze von 400 ℳ 38 gerechnet. Alsdann ergibt ſich ein Jahresſoll der Steuer von 483 000 ℳ. Wird nun angenommen, daß die Steuer die Zahl der Konzeſſionen um min⸗ deſtens die Hälfte vermindert, ſo bleibt ein Soll⸗ betrag von rd. 240 000 ℳ. Es läßt ſich aber nicht überſehen, wieviel von dieſer zu veranlagenden Steuer eintreibbar ſein wird. Das Verwaltungs⸗ zwangsverfahren (§ 9 der Ordnung) wird vielleicht nicht immer genügend wirkſam fein. Indeſſen haben wir einſtweilen davon abgeſehen, durch beſondere Beſtimmungen die Einziehung der Steuer zu ſichern. 1 5 Charlottenburg, den 12. Januar 1908. e, Dier M agiſtrat“ Schuſtehr u s. Scch o l tz. XII A. 467/07. 126 a 11r, EEkteth Drbuung betreffend die Erhebung einer Ge⸗ meindeſteuer bei dem Erwerb der Erlaubnis zum ſtändigen Betrieb einer Gaſt⸗ oder Schankwirtſchaft oder eines Kleinhandels mit Brannt⸗ wein oder Spiritus im Bezirk der Stadt Charlottenbur g. Auf Grund der §§ 13, 18, 69, 70, 75, 82 und 90 des Kommunal⸗Abgabengeſetzes vom 14. Juli 1893 wird mit Zuſtimmung der Stadtverordneten⸗Ver⸗ ſammlung für die Stadt Charlottenburg nach⸗ ſtehende Steuerordnung erlaſſen. § 4 Der Erwerb der Erlaubnis zum ſtändigen Be⸗ triebe einer Gaſtwirtſchaft, einer Schankwirtſchaft, 24 eines Kleinhandels mit Branntwein oder Spiritus unterliegt einer von dem Erwerber der Erlaubnis zu zahlenden Gemeindeſteuer nach Maßgabe der fol⸗ genden Beſtimmungen. §2. Die Steuer beträgt: a) wenn der Gewerbebetrieb von der Gewerbe⸗ ſteuer frei iſt, 300 /ℳ, b) wenn der Gewerbebetrieb in die IV. Ge⸗ werbeſteuerklaſſe gehört, 800 ℳ, 2 2 3 c) wenn der Gewerbebetrieb in die III. Ge⸗ werbeſteuerklaſſe gehört, 1800 ℳ,, d) wenn der Gewerbebetrieb in die II. Ge⸗ werbeſteuerklaſſe gehört, 2800 ℳ, e) wenn der Gewerbebetrieb in die I. Gewerbe⸗ ſteuerklaſſe gehört, 4000 ℳ. 3 § 3. Nur die Hälfte der Gewerbebeträge des § 2 wird erhoben, wenn derjenige, welcher bereits eine Erlaubnis hatte, unter Verzicht auf dieſe und unter Einſtellung des Betriebes, auf dem bisher von ihm benutzten Grundſtücke eine neue Erlaubnis derſelben Art und desſelben Umfanges für ein anderes Grund⸗ ſtück im Stadtbezirk erhält. (Wirtſchaftsverlegung). 4 Wird die Erlaubnis zu einer räumlichen Er⸗ weiterung eines Betriebes oder zu einer Ausdehnung eines Betriebes auf bisher nicht erlaubte Betriebs⸗ arten erteilt, ſo wird in allen Fällen für die Erlaubnis der räumlichen Erweiterung /, für die Erlaub⸗ nis der Ausdehnung des Betriebes auf bisher nicht erlaubte Betriebsarten mit oder ohne räumliche Erweiterung ⅝ des in §2 feſtgeſetzten Steuerſatzes erhoben. 2