—— 7 — Dar!1 ag en für die Stadtverordneten-Verſammlung zu Charlottenburg. In nichtöffentlicher Sitzung. Druckſache Nr. 84. Vorlage betr. Vertragsabſchluß mit der Allgemeinen Müllverwertungs Geſellſchaft m. b. H. wegen Ubernahme einer Zinsgarantie. Urſchriftlich mit 1 Faszikel an die Stadtverordneten⸗Verſammlung mit dem Antrage, zu beſchließen: 1. Der Magiſtrat wird ermächtigt, mit der All⸗ gemeinen Müllverwertungsgeſellſchaft m. b. H. einen Vertrag abzuſchließen, durch den die Stadtgemeinde einem von der Geſellſchaft noch zu benennenden Gläubiger gegenüber vom 1. April 1908 ab für die Dauer des zwiſchen der Stadtgemeinde und der Geſell⸗ ſchaft beſtehenden Müllabfuhrvertrages bis zur Höhe von 30 000 ℳ fjährlich die Bürgſchaft für die Zinſen eines von der Geſell⸗ ſchaft aufzunehmenden Darlehns übernimmt. 2. Die hierfür aufzuwendenden Mittel fallen dem Sonderetat 9 „Müllbeſeitigung“, und zwar zum erſten Male für das Rechnungs⸗ jahr 1908 zur Laſt. Die allgemeine Müllverwertungs⸗Geſellſchaft m. b. H. iſt an uns mit der Bitte um finanzielle Hilfe unter der Begründung herangetreten, daß ſie in dieſem Geſchäftsjahre mit einer erheblichen Unterbilanz abſchließen würde. Dieſe ſei durch mannigfache mißliche Umſtände veranlaßt: So habe der letzte Winter mit ſeinen un⸗ günſtigen Witterungsverhältniſſen die Fertig⸗ ſtellung der Bauten in Seegefeld derart hinaus⸗ geſchoben, daß die rechtzeitige Einſtellung von Schweinen und dadurch jeglicher Gewinn aus dieſer Quelle unmöglich gemacht worden ſei, auch der ganze übrige Betrieb mit unvollkommenen Mitteln habe durchgeführt werden müſſen. Die durch dieſe Verhältniſſe bedingte Einſtellung von Schweinen in die unfertigen Ställe habe in Ver⸗ bindung mit ungenügender Kontrolle der Geſund⸗ heit der Tiere die Vernichtung eines größeren Schweinebeſtandes durch Krankheit verſchuldet. Endlich ſeien die Koſten des Abfuhrbetriebes bei Abgabe des Angebotes bedeutend unterſchätzt worden; hierbei komme als beſonders erſchwerendes Moment das Fehlen einer ausreichenden Müll⸗ verladehalle in Betracht, wodurch die Fuhrkoſten ganz unverhältnismäßig geſteigert würden. Der unmittelbare Grund der Bitte der Geſell⸗ ſchaft um Hilfeleiſtung — aus dem ſich die Unter⸗ bilanz zum Teil mit ergebe — ſei ein erheblicher Mangel an Kapital. Die Gründer der Geſellſchaft hätten den Bedarf an Anlage⸗ wie an Betriebs⸗ kapital ganz bedeutend unterſchätzt. Um den Betrieb auch nur einigermaßen vollkommen und einwands⸗ frei zu geſtalten, ſei außer einem von einigen Geſell⸗ ſchaftern] vorgeſchoſſenen und demnächſt feſt zu leihenden Kapital von 275 000 ℳ mindeſtens noch ein weiteres Kapital von 625 000 ℳ er⸗ forderlich. In Betracht kämen u. a. die Erbauung eines Seuchenſtalles und Seuchenſchlachthauſes, die Anlage einer Dunggrube, einer Futtertrock⸗ nungsanſtalt, einer Aſcheverwertungseinrichtung, verſchiedene maſchinelle Anlagen für die Futter⸗ kocherei und dergl. mehr. Eine ganze Reihe von äußerſt wünſchenswerten, aber im Augenblicke nicht unbedingt notwendigen Anlagen ſei dabei noch unberückſichtigt gelaſſen worden. Neben dieſen Anlagekoſten erfordern einmal der nur notdürftig ausgeſtattete Fuhrbetrieb ein größeres Betriebskapital; in noch höherem Maße gelte dies von der Schweinemaſtanſtalt, der weſentlichſten Einnahmequelle der Geſellſchaft, die zurzeit in Er⸗ mangelung des nötigen Kapitals nur im kleinen Umfange betrieben werden könne, zur Erzielung des erhofften Gewinns aber ganz weſentlich ver⸗ größert werden müſſe. Unter ausführlicher Belegung dieſes Tat⸗ ſachenmaterials durch ihre Bilanzen uſw. hatte die Geſellſchaft urſprünglich gebeten, daß die Stadt⸗ gemeinde, die doch weſentlich an der Fortführung des Betriebes intereſſiert ſei, ihr das erforderliche Kapital leihe. Bei dem derzeitig ungünſtigen Stande der Geſellſchaft in Verbindung mit dem außergewöhnlich ſchlechten Geldmarkte erſcheine es ausgeſchloſſen, daß die Geſellſchaft ſich das Kapital anderweit beſchaffe. Im Verlauf der aus Anlaß dieſer Eingabe her⸗ beigeführten Verhandlungen haben wir uns zwar von der Notwendigkeit umfangreicher Kapital⸗ beſchaffung überzeugt, glaubten jedoch die Bitte der Geſellſchaft um Hergabe des erforderlichen Kapitals aus den Mitteln der Stadtgemeinde ab⸗ lehnen zu müſſen. Es kann nach unſerer Meinung nicht Aufgabe der Stadtgemeinde ſein, ſich durch Hingabe eines größeren Kapitals mit der Geſell⸗ ſchaft auf Gedeih und Verderb zu verbinden. Sie würde damit indirekt den größten Teil des Riſikos des Geſellſchaftsbetriebes übernehmen, ohne doch einen unmittelbaren Einfluß auf die Geſchäfts⸗ führung zu haben. Eine ſolche unmittelbare Ver⸗ knüpfung mit den Intereſſen einer Privatgeſellſchaft geht unzweifelhaft über die Aufgaben der Stadt⸗ verwaltung hinaus. Immerhin war nicht zu verkennen, daß die Geſellſchaft ohne eine Hilfsaktion der Stadtge⸗ meinde ihre augenblickliche Notlage ſchwer oder gar nicht werde überwinden können. Vor die Frage geſtellt, ob wir die Geſellſchaft preisgeben ſollten, konnten wir nicht verkennen, daß wir damit gleichzeitig auch dem von der Geſellſchaft ver⸗ tretenen Müll⸗ Dreiteilungsſyſtem eine ſchwere moraliſche Einbuße zufügen würden. Es liegt nun aber auf der Hand, daß die Stadt — ſchon aus formalen Erwägungen — ohne ganz triftige Gründe von dem Syſtem nicht wieder abgehen