— 298 Druckſache Nr. 108. Borlage betr. Vergleich in der Prozeßſache Wind⸗ müller gegen die Stadtgemeinde wegen Zahlung von Kanaliſationsgebühren. Urſchriftliſcch mit 1 Band Grundſtücksakten und 2 Bänden Prozeßakten an die Stadtverordneten⸗Verſammlung mit dem Antrage, zu beſchließen: Dem Abſchluß des abgedruckten Vergleichs mit den Windmüller'ſchen Erben betr. Zah⸗ ſung von Kanaliſationsgebühren für das Grundſtück Faſanenſtraße 75 Ecke Kurfürſten⸗ damm wird zugeſtimmt. Der Abſchluß des erwähnten Vergleichs mit den Windmüller'ſchen Erben bezweckt die Bei⸗ legung eines langjährigen Prinzipienſtreites, der vor faſt 13 Jahren von dem inzwiſchen — am 26. März 1904 — verſtorbenen Regierungsrat a. D. Otto Windmüller erhoben wurde. Gegenſtand des Streites ſind die in den Jahren 1895 bis 1898 für das Grundſtück Faſanenſtraße 75 Ecke Kurfürſtendamm — und zwar für deſſen Front am Kurfürſtendamm — angeblich zu viel erhobenen Kanaliſationsgebühren im Betrage von 416,10 ℳ. Den Anſpruch auf Erſtattung dieſer zu viel entrichteten Abgaben leitete Windmüller aus folgenden privatrechtlichen Abmachungen her: Gelegentlich der Verbreiterung des Kur⸗ fürſtendammes, welche ſ. 3t. auf Koſten der Kurfürſtendamm⸗Geſellſchaft erfolgt iſt, wurde zwiſchen der genannten Geſellſchaft und Windmüller über die Abtretung des noch zum Grundſtück des Letzteren gehörenden Straßenlandes am 24. Mai 1887 ein Ver⸗ trag geſchloſſen, nach welchem u. a. Wind⸗ müller von der „Beitragsleiſtung zu den Koſten der Regulierung und Unterhaltung des Kurfürſtendammes einſchl. des Bürger⸗ ſteiges, mithin auch der Freilegung, erſten Einrichtung, Pflaſterung, Entwäſſerung, Be⸗ leuchtung pp.“ befreit ſein ſollte. Auf An⸗ trag der Kurfürſtendamm⸗Geſellſchaft haben wir dann unterm 9. Februar 1888 dem Wind⸗ müller beſtätigt, daß „ſeitens der Stadtge⸗ meinde eine Wiedereinziehung der gedachten Koſten von ihm und ſeinen Beſitznachfolgern niemals geſchehen werde“, zur Vermeidung von Mißverſtändniſſen aber bemerkt, daß die abgegebene Erklärung ſich nicht auf die ge⸗ mäß § 8, 9b und 10 des Kanaliſationsſtatuts vom 20. Juni 1885 zu erhebenden lau⸗ fenden Abgaben beziehe. Dieſen Vorbehalt erkannte Windmüller an. Als aber durch eine das Statut von 1885 er⸗ ſetzende — übrigens durch den Provinzialrat auf⸗ gehobene — neue Ordnung vom 2. März/4. April 1895 für die Erhebung der laufenden Ka⸗ naliſationsabgaben ein neuer gerechterer Maßſtab geſchaffen und an Stelle der bisher nach Maßgabe des Nutzungswerts erhobenen Gebühren a) laufende „Beiträge“ zu den Koſten der Herſtellung und Unterhaltung der Kanali⸗ ſation — die nach Maßgabe der Grund⸗ ſtücksſtraßenfront zu erheben — und b) „Gebühren“ für die Benutzung — die nach Maßgabe des Nutzungswerts zu erheben — eingeführt wurden, machte er Befreiung von den zu a bezeichneten „laufenden Beiträgen“ geltend. Dieſelbe Forderung ſtellte er ebenfalls bezüglich der nach der abgeänderten Kanaliſationsordnung vom 6/7. Mai 1896 zu zahlenden „Gebühren“ — unter dieſer Bezeichnung ſind hier die laufenden Beiträge und Gebühren wieder vereinigt —, und zwar verlangte er Rückzahlung desjenigen Teils dieſer Gebühren, der nicht lediglich für die Be⸗ nutzung der Kanaliſation zu entrichten ſei. Nachdem die aus den vorſtehend dargelegten Gründen erhobenen Einſprüche gegen die Ver⸗ anlagungen des Grundſtücks Faſanenſtraße 75 Ecke Kurfürſtendamm zur laufenden Kanaliſationsab⸗ gabe diesſeits zurückgewieſen worden ſind, hat Windmüller ſeine Anſprüche zunächſt im Verwal⸗ tungsſtreitverfahren verfochten; ſeine Klage iſt jedoch vom Oberverwaltungsgericht endgültig ab⸗ gewieſen worden. Dieſes hat in ſeinem Urteile beſonders hervorgehoben, daß dem öffentlichen Beſteuerungsrechte der Stadtgemeinde durch die privatrechtliche Abmachung mit dem Kläger eine Beſchränkung nicht auferlegt werden könne. Wind⸗ müller hat hierauf im Zivilprozeßverfahren Klage erhoben. Auch hier iſt er in 1. und II. Inſtanz wegen Unzuläſſigkeit des Rechtsweges abgewieſen worden. Erſt auf Reviſion Windmüllers wurde dieſer Einwand vom Reichsgericht verworfen und die Angelegenheit an die 1. Inſtanz zurückver⸗ wieſen. Dieſe, das Landgericht II, wies die Klage abermals ab. Auf die gegen dieſes Urteil einge⸗ legte Berufung trat dann das Kammergericht noch⸗ mals in eine eingehende Prüfung der klägeriſchen Anſprüche ein. Die hierbei angeſtellten umfaſſen⸗ den gutachtlichen Erhebungen betrafen das Weſen und beſonders die Zweckbeſtimmung der ſtreitigen Kanaliſationsgebühren. Über das zu dieſer Frage erſtattete Gutachten des Geheimen Rechnungs⸗ reviſors Schultz von der Oberrechnungskammer iſt die Verhandlung noch nicht abgeſchloſſen. Durch den am 26. März 1904 erfolgten Tod des Klägers trat eine Anderung der Verhältniſſe ein. Die Erben faßten den Prozeß nicht mehr als Prinzipienſtreit auf und bahnten daher, nachdem ſie inzwiſchen ihr Grundſtück verkauft hatten, Ver⸗ gleichsverhandlungen an. Das Ergebnis derſelben iſt der jetzt abzuſchließende nachſtehend abgedruckte Vergleich, nach welchem die Pflicht zur Zahlung der laufenden Kanaliſationsabgaben von den Wind⸗ müller'ſchen Erben anerkannt wird. Mit Rückſicht darauf, daß der in Rede ſtehende Prozeß im Vergleich zu dem verhältnismäßig ge⸗ ringen Objekt ſchon bedeutende Koſten und viel Zeitaufwand erfordert hat, ſeine endgültige Er⸗ ledigung auch noch gar nicht abzuſehen iſt, hat auch die Stadtgemeinde ein Intereſſe an der Beilegung dieſer durch den Verkauf des Grundſtücks und durch den dem Käufer gegenüber der Stadt aus⸗ geſprochenen Verzicht (Druckſache Nr. 365 pro 1905 Seite 585 § 5 Abſ. 2) ſachlich bedeutungslos ge⸗ wordenen Streitſache. Es erſcheint daher auch billig und zweckmäßig, daß ſie dem Gegner, der auf ſeine ſämtlichen Anſprüche verzichtet, durch Über⸗ nahme ihrer außergerichtlichen ſowie der von ihr bisher erforderten gerichtlichen Koſten entgegen⸗ kommt. Dieſe betragen zuſammen 1d. 750 .. Wir empfehlen die Annahme des Vergleichs. Charlottenburg, den 8. Februar 1908. Der Magiſtrat. Schuſtehrus. Dr Maier. IX B 120. An Herrn Rechtsanwalt Dr Reimer ,, Berln W. 35 Lützowſtr. 51, II.