— 439 —— mehr als bisher die Möglichkeit eröffnet iſt, tüchtige Bürger des Landes zu bleiben und zu werden. Zur beſſeren Erreichung dieſes Zieles dienen die den Säuglingsheimen anzugliedernden Mütter⸗ heime, die auch noch nach Ablauf der erſten 3 Monate Mutter und Kind Gelegenheit zum weiteren Zu⸗ ſammenleben bieten ſollen. Während der Aufenthalt im Säuglingsheim unentgeltlich gewährt wird, und die Gegenleiſtung der Mütter in der Hauptſache in der Verrichtung häuslicher Arbeiten beſteht, wird für den Auf⸗ enthalt im Mütterheim Bezahlung verlangt, die auf monatlich 20 ℳ für das Kind und 5 ℳ für die Mutter bemeſſen iſt. Die Mütter des Mütterheims gehen tagsüber auf Arbeit, die durch den Arbeits⸗ nachweis des Heims vermittelt wird. Mit dieſen Zielen begann der Verein im Herbſt 1903 ſeine Tätigkeit. Seine Beſtrebungen fanden von Anfang an lebhaften Anklang. Bereits am 13. März 1904 eröffnete er das erſte Säuglings⸗ heim in dem Hauſe Akazienſtraße 7 auf Schöneberger Gebiet mit 14 Betten, die ſofort belegt waren. Daneben wurde ſchon am 1. Juli 1904 das erſte Mütterheim eröffnet, das 6 Mütter mit ihren Kindern aufnahm, die nach Ablauf ihres drei⸗ monatlichen Aufenthalts im Säuglingsheim ſich von ihren Kindern nicht trennen mochten. Bald darauf mußte ein zweites und drittes Mütterheim errichtet werden, um die abermals aus dem Säuglingsheim entlaſſenen Mütter in das Mütter⸗ heim aufzunehmen. Trotzdem im Jahre 1906 eine Vergrößerung des Säuglingsheims auf 28 Betten erfolgte, traten die Hemmniſſe, die der weiteren erſprießlichen Entwicklung des Vereins in gemieteten Räumen entgegenſtanden, ſo deutlich in Erſcheinung, daß zum Bau eines eignen Heims geſchritten werden mußte. Dieſer Plan wurde verwirklicht durch den Bau eines Säuglings⸗ und Mütterheims in der Platanenallee auf Weſtend, der einſchließlich Grund⸗ erwerb einen Koſtenaufwand von rd. 365 000 ℳ verurſachte und deſſen Inbetriebnahme Anfang Oktober d. I. erfolgen ſoll. Das neue Heim gewährt in ſeinem derzeitigen Umfange 40 Säuglingen mit ihren Müttern für je 3 Monate nach der Entbindung, alſo jährlich 160 Säuglingen und Müttern, unentgeltlich Unterkunft und Pflege. Außerdem können im Mütterheim 40 Mütter mit ihren Kindern ohne zeitliche Beſchränkung unter den oben bezeichneten Vorausſetzungen und Bedingungen Aufnahme finden. Es ſollen vorzugsweiſe Charlottenburge⸗ rinnen berückſichtigt werden. An der Kreditbeſchaffung für das Weſtender Heim wird ſich die hieſige ſtädtiſche Sparkaſſe inſofern weſentlich beteiligen, als ſie dem Verein vom 1. Oktober d. I. ab eine erſtſtellige Hypother von 165 000 ℳ in bar zu 4% verzinslich in Ausſicht geſtellt hat. In Anertennung des trefflichen Zwecks und der bereits erzielten Erfolge des Vereins und in dem Wunſche, ſeine Tätigreit auch der hieſigen Armen⸗ und Wohlfahrtspflege in ganz beſonderem Maße nutzbar zu machen, haben wir auf Antrag des Vereins beſchloſſen, die Verzinſung dieſer Hypothek mit 6600 ℳ auf den Stadthaushaltsetat zu übernehmen und den Betrag als Jahreszuſchuß, den die Stadt dem Verein zum Betriebe des Säuglings⸗ und Mütterheims gewährt, in den Etat einzuſtellen. Für das Rechnungsjahr 1908 beträgt der Zuſchuß danach 3300 ℳ. Die Gegenleiſtung des Vereins für dieſen Zuſchuß iſt aus dem § 3 der unten abgedruckten Vereinbarung erſichtlich. Danach Ibezahlen wir mit dem Zuſchuß für jeden Verpflegungstag, der uns gewährt wird, durchſchnittlich 1,„06 ℳ. Dieſer verhältnismäßig geringe Betrag läßt es gerecht⸗ fertigt erſcheinen, Leiſtung und Gegenleiſtung ohne Rückſicht auf den Beſtand des Darlehns der Sparkaſſe zu vereinbaren (§ 2 der Vereinbarung). Anderſeits iſt es erwünſcht, der Stadtgemeinde, insbeſondere für den Fall, daß ſie ſelbſt etwa ſpäter eine den Einrichtungen des Vereins ent⸗ ſprechende Veranſtaltung treffen wollte, ein Kün⸗ digungsrecht zu ſichern. Mit Rückſicht darauf jedoch, daß der Verein den Weſtender Bau in erſter Linie im Vertrauen auf die Hilfe der Stadt⸗ gemeinde errichtet hat, erſcheint es notwendig, das Kündigungsrecht in der im § 5 ausgeſprochenen Weiſe zu beſchränken. Endlich ſichert der § 4 der Vereinbarung der Stadtgemeinde die Mitwirkung an der Verwaltung des Vereins. Die jährlichen Betriebstoſten des Säuglings⸗ und Mütterheims einſchließlich der Verzinſung der Hypothek belaufen ſich vorausſichtlich auf 52 000 ℳ, denen einſchließlich des von der Stadt zu ge⸗ währenden Zuſchuſſes von 6600 ℳ und einſchließlich der Zinſen des vorhandenen Vereinsvermögens Betriebseinnahmen von ungefähr 30 000 ℳ gegen⸗ überſtehen. Danach bleibt ein Zuſchuß von 22 000 J jährlich erforderlich, der durch die private Wohl⸗ tätigkeit aufgebracht werden muß. Hiervon ſind an feſten Mitgliederbeiträgen etwa 14 000 ℳ zu erwarten. Zur Deckung des Reſtes von etwa 8000 ℳ beabſichtigt der Verein die hieſige Bürger⸗ ſchaft, bei welcher er ein Intereſſe für das Unter⸗ nehmen auch ohne feſte Beitragsleiſtung glaubt annehmen zu dürfen, in Geſtalt einer Haustollekte heranzuziehen. Nach der bisherigen Entwicklung des Vereins ſind wir überzeugt, daß ihm die Be⸗ ſchaffung dieſer Betriebsmittel ſicher gelingen wird. Wir erſuchen, den im Tenor bezeichneten Anträgen zuzuſtimmen; das Weitere über den Verein Säuglingsheim und über ſeine Tätigkeit erſuchen wir aus den in den Akten befindlichen 71. und Jahresberichten entnehmen zu wollen. Charolttenburg, den 17. September 1908. Der Magiſtrat. Matting. Seydel. III b. 1361. Entwurf. Bereinbarung. Zwiſchen dem Verein Säuglingsheim, ein⸗ getragener Verein in Berlin, vertreten durch ſeinen Vorſtand, und der Stadtgemeinde Charlottenburg, vertreten durch den Magiſtrat daſelbſt, wird folgende Vereinbarung getroffen: 9 1. Der genannte Verein betreibt vom 1. Ortober 1908 ab in Charlottenburg auf Weſtend in der Platanenallee ein auf ſeine Koſten errichtetes Säuglings⸗ und Mütterheim. Das Säuglingsheim gewährt mit ſeinen zurzeit beſtehenden Einrichtungen 40 Säuglingen mit ihren unverehelichten oder ehe⸗ verlaſſenen Müttern für je 3 Monate nach der Entbindung, alſo jährlich 160 Säuglingen